Ein Whistleblower-System kann auch an der Universität Wien zu einer Kulturänderung führen.

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Was haben Hochschulen und Whistleblowing miteinander zu tun? In den nächsten Jahren immer mehr, ebenso wie in Wirtschaft und bei Behörden generell, da die verpflichtende Einführung von Whistleblowing-Systemen bevorsteht.

Schritt 1: EU verbindet Korruptionsbekämpfung und weitere Anliegen mit Arbeitnehmerschutz

Im Oktober 2019 hat das Europäische Parlament die sogenannte Whistleblower-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1937) angenommen, bis Dezember 2021 muss die Umsetzung in den EU-Mitgliedsstaaten erfolgen. Dadurch sollen mögliche Rechtsverstöße gegen EU-Recht leichter beseitigt werden, indem Personen, die einen möglichen Verstoß gegen EU-Recht melden, keine Nachteile in ihrem beruflichen Fortkommen haben sollen. Meldungen sollen durch sogenannte Whistleblowing-Systeme gewissermaßen in geordnete (und vertrauliche) Bahnen gelenkt werden – etwa zu einer Ombudsstelle oder durch einen elektronischen Meldekanal. Dazu verpflichtet sind künftig alle juristischen Personen des privaten oder öffentlichen Rechts mit mindestens 50 Arbeitnehmern und somit auch Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten.

Die Rechtsbereiche, hinsichtlich welcher Meldungen abgegeben werden können, sind in der Richtlinie recht eng gefasst. "Meldefähig" sind gemäß der Richtlinie nur Rechtsverstöße gegen EU-Recht. Die "meldefähigen" Rechtsverstöße werden insofern noch einmal eingegrenzt, als die Whistleblower-Richtlinie sich nur auf konkrete EU-Normen bzw. EU-Rechtsakte bezieht. Das wären etwa Verstöße gegen bestimmte Umweltschutzvorschriften, Datenschutzvorschriften, Pharma-Regelungen, das Vergaberecht oder gegen EU-Beihilferecht.

Schritt 2: Mutige, weitreichende Umsetzung der Richtlinie durch die Politik pro Transparenz?

Zahlreiche Unternehmen in Österreich verfügen bereits seit Jahren freiwillig über Whistleblowing-Systeme. Auch nach Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie in Österreich wird es möglich sein, z. B. einen über den gesetzlich geregelten persönlichen oder sachlichen Anwendungsbereich des Whistleblowing-Systems vorzusehen.

Aus praktischen Gründen bietet sich an, den sachlichen Anwendungsbereich auszuweiten

Was den Personenkreis, der Meldungen machen kann, angeht, könnte man diesen ebenso ausweiten. Gemäß der Richtlinie wären nur Mitarbeiter geschützt. Die Abgrenzung von "Mitarbeitern" zu Studierenden ist teilweise aber nur schwer möglich, man denke etwa an (zeitlich begrenzte) Mitarbeit bzw. Assistenztätigkeiten in Tutorien, Lehre und Forschung.

Schritt 3: Vorbereitung an Hochschulen: Abgestimmt als Vorreiter im Compliance-Bewusstsein?

Einige Besonderheiten sprechen für eine möglichst einheitliche Implementierung oder zumindest ein eng abgestimmtes Vorgehen der Hochschulen: starke Vernetzung untereinander, etwa über gemeinsam betriebene Einrichtungen für Forschung, Lehraufträge, Projektmitarbeiten und Dienstverhältnisse bei mehreren Hochschulen. Außerdem belegt eine große Zahl von Studierenden Studienangebote an mehreren Hochschulen. Besonders im Hinblick auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung und ihre Vorbildwirkung als Institutionen und der daher prägenden Rolle, die sie für aktuelle und künftige Eliten einnehmen, ist eine herausragende Rolle von Hochschulen geboten.

Praktische Umsetzung als Chance für Kultur und Reputation

Da es in der Richtlinie keinen eindeutigen Vorrang interner Meldungen vor externen Meldungen gibt, sollte es ein Ansporn sein, das interne Whistleblowing-System so aufzusetzen und auch entsprechend zu kommunizieren, dass Whistleblower auf das interne System vertrauen und zuerst eine interne Meldung machen. Das gibt den Hochschulen als Arbeitgebern noch eine Chance, den Rechtsverstoß selbst abzustellen, ohne dass eine Behörde involviert wird.

Es ist noch ein Jahr Zeit bis zur Implementierung eines Hinweisgebersystems auf den Hochschulen. Das mag zwar lange klingen – da eine erfolgreiche Implementierung eines Hinweisgebersystems aber mehrere Abteilungen involvieren sollte, sollten die Umsetzungsschritte spätestens jetzt beginnen. So werden an den Hochschulen etwas an der praktischen Umsetzung neben der obersten Leitung der Organisation (Rektorat) auch die Fachbereiche Personal, Recht, IT sowie Kommunikation organisatorisch beteiligt sein. Schließlich ist Compliance neben einem wirtschaftlichen und rechtlichen auch ein nicht zu unterschätzendes Reputationsthema.

Und schließlich: Für zehntausende Studierende könnte das Whistleblowing-System ihrer Hochschule den Umgang mit Regelverstößen prägen. Die von den Hochschulen vermittelte "Whistleblowing-Kultur" wird dadurch mitentscheidend für den Weg der Studierenden in Berufsleben, Forschung und Gesellschaft. (Judith Feldner, Thomas Goiser, xx.1.2021)