Eine Parklücke: ein Nichts, das heiß begehrt ist und manchmal sogar zu einem Strafprozess führen kann.

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Wien – "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf", wusste bereit der antike römische Komödiendichter Titus Plautus – und dabei schrieb er gar nicht über den Disput um einen Abstellort für ein Kraftfahrzeug. Ein solcher ist der Grund, warum Reinhard W. vor Richterin Minou Aigner sitzt. Der 56-Jährige soll am 10. Juni auf dem Donaupark-Parkplatz den drei Jahre älteren Kurt T. genötigt und verletzt haben, da dieser eine Parklücke für einen Bekannten "reservierte".

Der Angeklagte, ein distinguiert wirkender Selbstständiger, bestreitet den Anklagevorwurf vehement. Und erzählt die Geschichte so: "Ich wollte mit meinem Hund im Donaupark Gassi gehen und habe auf der Schattenseite einen Parkplatz gesehen. Als ich rückwärts einparken wollte, habe ich gesehen, dass dort ein Mann mit einem Fahrrad stand, der gestikuliert hat."

Schatten für den Hund

W. stieg aus, sein Kontrahent teilte ihm mit, dass er den Platz schon für einen Bekannten besetzt halte. "I brauch den für mein Hund", erklärte ihm der Angeklagte laut eigener Aussage, da es an dem Tag über 34 Grad hatte. Und außerdem beschied W. seinem Gegenüber: "Sie können keinen Parkplatz reservieren, das geht nicht laut Straßenverkehrsordnung."

Auf einen Austausch der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte ließ W. sich nicht ein, erzählt er, sondern schob langsam zurück in die Lücke – und zwang T., Schritt für Schritt zurückzuweichen. Touchiert habe er ihn dabei sicher nicht. Nachdem der Unbescholtene sein Fahrzeug ordnungsgemäß parallel abgestellt hatte und den Kofferraum öffnete, um sein Tier zu holen, habe der mittlerweile auf dem Gehsteig stehende T. ihm eröffnet: "Des wor Nötigung. I werd di auzagn." Auch eine Passantin sei dazugekommen und habe gesagt: "Ich habe alles gesehen! Das können Sie nicht machen!" Der Angeklagte diskutierte nicht, sondern ging mit dem Hund.

"Der Amtsarzt hat eine leichte Abschürfung am Hals und eine Prellung des Knies von Herrn T. vermerkt. Können Sie sich die Verletzungen erklären?", fragt die Richterin. "Nein. Von dem Vorfall können sie nicht kommen", stellt der Angeklagte klar.

Parkassistent und eigene Blicke

T.s Privatbeteiligtenvertreter Florian Perschler interessiert, wieso W. so sicher sagen kann, dass er seinen Mandanten nicht berührt habe. "Haben Sie den Abstand gesehen?" – "Ich habe einen Parkassistenten. Der gibt mir akustische und optische Signale, wenn ich mich einem Hindernis nähere. Und außerdem habe ich natürlich zurückgeschaut."

Verteidiger Ernst Brunner wiederum fragt nach dem Gesundheitszustand des Angeklagten. Der verrät, dass er de facto Bluter sei und daher sicher nicht, wie von T. behauptet, diesen körperlich attackiert habe. "Ich vermeide körperliche Auseinandersetzungen."

Zeuge T., Frühpensionist aus Wien-Floridsdorf, ist sich mit dem Angeklagten nur in einem Punkt einig: dass es ein heißer Tag gewesen sei und ein Parkplatz im Schatten daher erstrebenswert war. Die restliche Schilderung klingt ganz anders. "Bei meinem Bekannten war die Rückfahrkamera kaputt, daher wollte ich ihn einweisen", erklärt er, warum er mit seinem Fahrrad auf der Fahrbahn stand.

"Hat behauptet, dass das sein Parkplatz ist"

W. "schoss daher, wollte einparken und fuhr mir gegen Vorderrad und Knie. Ich habe gewunken, dann ist er ausgestiegen und hat behauptet, dass das sein Parkplatz ist. Von einem Hund war keine Rede", ist sich T. sicher. Stattdessen habe W. ihn am Hals gepackt und weggestoßen. "Dabei ist mir ein Wimmerl aufgeplatzt, das hat geblutet", erzählt der Zeuge.

Er wollte den Parkplatz verteidigen, der Angeklagte sei dennoch rückwärts gefahren und habe ihn nochmals am Knie erwischt, wodurch er eine Prellung erlitt. Schließlich sei er der Gewalt gewichen und habe die Polizei verständigt. Eine junge Frau habe ihm dann auch ihre Telefonnummer gegeben, W. dagegen sei einfach gegangen.

Auf intensive Nachfragen von Verteidiger Brunner franst die Geschichte aber etwas aus. So ändern sich die Angaben, wie oft der Angeklagte ausgestiegen sei, wann er T. genau wo getroffen haben soll und wo während der ganzen Zeit sein Bekannter war.

Augenzeugin sah nicht ständig hin

Auch die von beiden Parteien angesprochene junge Frau kann nur bedingt zur Aufklärung beitragen. Sie sei zehn, fünfzehn Meter entfernt in ihrem Wagen gesessen, habe aber nicht die ganze Angelegenheit pausenlos beobachtet. Handgreiflichkeiten habe sie keine gesehen, erklärt die Volksschullehrerin, sie bestätigt auch, dass der Angeklagte langsam und vorsichtig rückwärts eingeparkt habe. Ob es dabei zu einem Kontakt mit T.s Körper kam, weiß sie nicht.

T. habe sie ihre Handynummer gegeben, da er sie darum gebeten habe, der habe aber nicht über Schmerzen geklagt, Blut am Hals habe sie nicht bemerkt. Andererseits widerspricht sie auch der Darstellung des Angeklagten: Mit dem habe sie gar nicht gesprochen. Auch der Beamte, der in der Polizeiinspektion T.s Anzeige aufnahm, kann sich an keine Verletzungen bei diesem erinnern.

Richterin Aigner muss sich nun entscheiden, ob sie vertagt, um den Bekannten von Herrn T. zu laden, oder den Rechtsfrieden mit einer Diversion wiederherstellt. Dafür müsse W. aber die Verantwortung dafür übernehmen, dass er T. zumindest genötigt habe, die Fahrbahn zu verlassen. Das macht der Angeklagte auf Rat seines Verteidigers, mit dem Privatbeteiligtenvertreter einigt man sich schließlich auf 600 statt 1.000 Euro Schmerzensgeld. 50 Euro muss W. noch an Gerichtskosten übernehmen, dann wird das Verfahren vorläufig eingestellt. (Michael Möseneder, 5.1.2021)