Und rein mit der Grugellösung. Für Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium, wäre es wünschenswert, wenn es mehr solcher Tests in Schulen gäbe – insbesondere in solchen, deren Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Familien stammen.

APA / Hochmuth

Am Donnerstag enden in Österreich die Weihnachtsferien für die Schulen. Mit Ausnahme der Sonderschulen ist es für die Kinder und Jugendlichen allerdings keine Rückkehr in die Klassenzimmer, sondern in den Fernunterricht. Frühestens am 18. Jänner soll dann der Präsenzunterricht wieder für alle 1,13 Millionen Schülerinnen und Schüler starten.

Über den tatsächlichen Termin wird erst entschieden; ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann wird diesen Termin per Verordnung festlegen. In den kommenden Tagen stünden dazu noch politische Verhandlungen an, erklärte dazu Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium.

Eine wichtige Grundlage für die Entscheidung werden zum einen die Infektionszahlen sein, die sich nach wie vor auf einem hohen Niveau bewegen. Zum anderen gilt es aber auch, neue wissenschaftliche Evidenzen mitzubedenken. Das betrifft nicht zuletzt die britische Virusvariante B.1.1.7, die sich in England überproportional stark bei Kindern ausbreitete. Es gibt aber auch neue österreichische Erkenntnisse zur Frage, welche Rolle den Schulen im Infektionsgeschehen zukommt.

Umstrittene Evidenzen

Diese Rolle ist seit Beginn der Pandemie höchst umstritten. Und obwohl es mittlerweile zahlreiche Studien dazu gibt, fehlen nach wie vor eindeutige Aufschlüsse. Die kann es vermutlich auch nicht geben, da sehr viele verschiedene Faktoren eine Rolle spielen – von Empfänglichkeit der Kinder für Infektionen mit dem neuen Coronavirus über die Ansteckungsrisiken in der Schule selbst bis hin zur Frage, wie sehr Kinder und Jugendliche das neue Coronavirus weitergeben.

Eine weltweit ziemlich einzigartige Überblicksuntersuchung zur Rolle von Schulen im Pandemiegeschehen läuft seit September in Österreich: Ein Team von österreichischen Forschern um den Mikrobiologen Michael Wagner (Uni Wien) erhebt seit Beginn des Schuljahr 2020/21 die Häufigkeit aktiver Corona-Infektionen an Volksschulen, Mittelschulen und AHS-Unterstufen in ganz Österreich – und zwar sowohl bei Schülern (bis 14 Jahren) und Lehrern.

Die zweite von insgesamt zehn geplanten Erhebungen lief von 10. bis 16. November, ehe sie vom neuerlichen Lockdown unterbrochen wurde. Und diese Ergebnisse liegen nun offiziell vor – zumindest in einer noch nicht von Fachkollegen begutachteten Preprint-Version auf . Von den 3.745 per Zufallsstichprobe auf Sars-CoV-2 getesteten Schülern und Lehrern lieferten 53 ein positives Testergebnis ab, wie Michael Wagner erklärt. Das sind 1,44 Prozent (Schwankungsbreite: 1,06 bis 1,9 Prozent).

Vergleich mit anderer Studie

Die Gretchenfrage lautet natürlich: Ist das nun viel oder wenig? Im Vergleich zur ersten Teilstudie, die am 20. Oktober endete, ist das viel mehr, denn damals lag der Wert bei 0,39 Prozent. Aber damals war auch die Infektionsrate in Österreich deutlich niedriger. Zur Beantwortung dieser Frage hilft der Vergleich mit der der ebenfalls vom Bildungsministerium mitinitiierten Prävalenzstudie der Statistik Austria mit dem fast identischen Erhebungszeitpunkt (12. bis 14. November).

Diese Untersuchung ermittelte 2,12 Prozent positive Testergebnisse bei zufällig ausgewählten Personen über 16 Jahren. Laut dem Team, dem Wissenschafter der Medizinischen Unis Graz und Innsbruck, der Uni Linz und der Uni Wien angehören, liegen die Ergebnisse in einer sehr ähnlichen Größenordnung. Eine darüber hinaus gehende Interpretation sei nicht möglich, da die beiden Studien methodisch unterschiedlich aufgebaut sind.

Laut Wagner "unterschätze" beispielsweise die Schulstudie die Infektionszahlen systematisch ein wenig, da mit gepoolten (also zusammengelegten) Proben gearbeitet wurde und etwa Personen mit Symptomen, die nicht in die Schule gehen, auch nicht getestet würden. Andererseits unterschätze auch die Statistik Austria Studie möglicherweise die wahre Prävalenz, da vermutlich vor allem gesundheitsbewusste Personen an dieser Studie teilgenommen haben.

Keine Altersabhängigkeit

Mit anderen Worten: Das Infektionsgeschehen in den Schulen scheint sich quantitativ nur wenig vom Infektionsgeschehen außerhalb der Schulen zu unterscheiden. Das zeigten auch weitere Analysen der Daten. So korrelierten die Zahlen der jeweiligen Schulen positiv mit der 7-Tages-Inzidenz der jeweiligen Region, während etwa das Alter der Kinder oder der Pädagogen, deren Geschlecht oder die Schulform keinen Einfluss auf den Anteil Covid-19-Positiver hatte.

Rot hervorgehoben: Die drei Faktoren, mit denen der Anteil der Infektionen positiv korrelierte: Bevölkerungsdichte rund um den Schulstandort, die 7-Tages-Inzidenz und die soziale Benachteiligung.
Foto: Wagner et al., medRxiv 2021

Das wieder lässt den Schluss zu, dass etwa Kinder unter zehn Jahren im Infektionsgeschehen sehr wohl eine Rolle spielen und getestet werden sollten.

Soziale Benachteiligung als Faktor

Es gab aber noch zwei weitere Faktoren, die mit der jeweiligen schulischen Infektionsrate positiv korrelierten: die Bevölkerungsdichte am Schulstandort und die soziale Benachteilgung. Je höher diese war, desto höher war auch die Wahrscheinlichkeit auf Infektionsfälle in der Schule zu stoßen, wie der Epidemiologe und Koautor Peter Willeit erklärt. Ein Kind mit milden Symptomen würde womöglich eher in die Schule geschickt, wenn dessen Eltern prekär beschäftigt seien.

Die Studie lässt aber keine Aussagen über Clusterbildungen in Schulen zu, da maximal 60 Kinder pro Schule getestet wurden, die die Studienautoren betonen und pro Schulklasse durchschnittlich nur drei bis vier Schülerinnen und Schüler.

Für Generalsekretär Netzer ist aufgrund der Studienergebnisse offensichtlich, dass man sich gerade über sozial benachteiligte Schulstandorte, die naturgemäß oft in größeren Ballungsräumen liegen, im Zusammenhang mit der Covid-Krise Gedanken machen müsse. Eine seiner Schlussfolgerungen: "Wir müssen hier mehr Testmöglichkeiten schaffen", idealiter mit den weniger invasiven Gurgeltests. Diesen Wunsch unterstützt auch Michael Wagner nachdrücklich.

Tests auf die britische Mutante

Der nächste Durchlauf der Gurgelstudie ist ab 19. Jänner geplant – vorausgesetzt der Präsenzunterricht beginnt dann tatsächlich wieder. Klar ist freilich schon, dass die dritte Runde der Studie um die Sequenzierung der gefundenen Viren erweitert wird. Gerade im Schulbereich sei es besonders wichtig, zu wissen, welche Varianten dort kursieren, wie sich im Fall von Großbritannien zeigte.

Dort haben sich Kinder überproportional oft mit der neuen Variante B.1.1.7 geansteckt, was freilich auch damit zusammenhängen könnte, dass die englischen Schulen im "sanfteren" November-Lockdown nicht geschlossen hatten.

Generalsekretär Netzer hält von der pauschalen Weiterführung von Schulschließungen nur aufgrund der britischen Virenvariante freilich (noch) nichts. Man habe hier eine komplexe Güterabwägung zu bewerkstelligen und müsse auch versuchen, die Bildungslaufbahnverluste bei den Kindern und Jugendlichen aufgrund der Pandemie möglichst gering zu halten. (Klaus Taschwer, 6.1.2020)