Trumps Ansprache auf Twitter enthält viele unbelegte Behauptungen über "Wahlbetrug" – aber keine scharfe Verurteilung der Gewalt in Washington.

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"Ich fühle euren Schmerz, ich fühle euren Schmerz, unser Wahlsieg wurde gestohlen." Mit diesen Worte wandte sich der amtierende US-Präsident Donald Trump am Mittwochabend auf Twitter an die Öffentlichkeit, nachdem seine Anhänger das Kapitol in Washington gestürmt hatten.

Erst im vierten Satz seiner Twitter-Ansprache brachte Trump jene Worte über die Lippen, auf die die ganze Welt gewartet hatte: "Jetzt müsst ihr nach Hause gehen" – fast zwei Stunden nach dem Start des Sturms auf den US-Kongresssitz.

Doch eine scharfe Verurteilung der Unruhen blieb aus. Im nächsten Satz sprach der abgewählte Präsident sogleich wieder über den angeblichen "Wahlbetrug" – eine Behauptung, für die Trump bislang keine Beweise vorlegen konnte, aber mit der er immer wieder seine Anhänger zu Protesten angestachelt hatte.

"Ich liebe euch, ihr seid besonders. Andere behandeln euch schlecht, sie sind böse. Ich fühle mit euch", sagt er seinen Unterstützern, die das Kapitol attackiert hatten, in dem Video. "Doch geht in Frieden heim." Twitter kennzeichnete die Ansprache sogleich als "strittig", sie konnte somit nicht weiterverbreitet werden. Wenig später wurde der Videoclip gänzlich von der Plattform gelöscht.

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Zuvor hatte der künftige Präsident der Vereinigten Staaten, Joe Biden, Trump mehrfach aufgefordert, endlich öffentlich aufzutreten, um den Krawallen in Washington ein Ende zu setzen. "In dieser Stunde wird unsere Demokratie angegriffen", hatte Biden in einer Fernsehansprache gesagt. Er forderte Trump auf, vor die Kameras zu treten, seine Anhänger zurückzurufen und die Belagerung des Kapitols zu beenden.

Auf Twitter schrieb Biden, Trump solle seinem Eid gerecht werden und die Verfassung verteidigen. In einem weiteren Tweet sagte er, Amerika sei "viel besser" als das, was gerade in Washington zu sehen sei. Biden unterstricht zudem jene Werte, für die er einstehe: die Rechtsstaatlichkeit und gegenseitigen Respekt.

Kurz nach Mitternacht wurde Trump dann erneut auf Twitter aktiv und goss weiter Öl ins Feuer: "Das sind die Dinge, die passieren, wenn ein heiliger Erdrutschsieg so achtlos und bösartig großen Patrioten gestohlen wird, die lange Zeit schlecht und unfair behandelt wurden", schreibt er. "Erinnern Sie sich auf ewig an diesen Tag!" Dieser Tweet wurde augenscheinlich ebenso kurze Zeit später von Twitter gelöscht. (fmo, 6.1.2021)