Trump-Rallyes sind in aller Regel ein wahres Fest für Vexillologen, wie selbsternannte Flaggenkundler sich gerne nennen. Der wilde Mix aus Nationalflaggen scheinbar verbündeter Staaten und Pro-Trump-Botschaften wird meist von einer Reihe an bedenklichen, einschlägig rechtsextremen und kuriosen Flaggen mit den verschiedensten Botschaften begleitet. Wie gewichtig die damit vermittelten Botschaften sein können, zeigte sich erst am Mittwoch wieder, als ein wilder demokratiefeindlicher Mob, angefeuert vom US-Präsidenten, das US-Kapitol stürmte.

Im Juli 1864, inmitten des tobenden amerikanischen Bürgerkriegs, kam es wenige Kilometer vor der amerikanischen Machtzentrale in Washington, D.C., zu zweitägigen Scharmützeln zwischen den später siegreichen Unionisten und den Truppen des konföderierten Südens. Der damalige US-Präsident Abraham Lincoln soll die Schlacht von Fort Stevens gegen die Befürworter der Sklaverei sogar persönlich beobachtet haben. Bis Jänner 2021 konnte sich die US-Demokratie damit rühmen, dass die Kriegsflagge der Konföderierten nicht einmal in ihrer schwierigsten Phase in die für die Demokratie so wichtigen Hallen des Kapitols vordringen konnte. Das änderte sich am Mittwoch.

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In Anlehnung an die 13 Konföderierten Staaten des Südens hat die Flagge 13 Sterne.
Foto: REUTERS/Mike Theiler

Die von einem der Eindringlinge getragene "Rebellen"-Flagge, die heute gemeinhin als Südstaatenflagge gilt, war allerdings nie die offizielle Staatsflagge, sondern lediglich die Kriegsflagge der damaligen Hauptarmee – der Army of Northern Virginia unter dem Kommando von General Robert E. Lee. Donald Trump huldigte Lee im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste und des Stürzens zahlreicher Monumente immer wieder, indem er ihn einen "großartigen General" nannte. Heute wird die "Konföderierten"-Flagge in vielerlei Modifikationen vor allem als rassistisches Motiv einer angeblichen Überlegenheit der weißen Rasse gesehen und benutzt.

T-13

Eine Flagge mit der Aufschrift "Trump ist mein Präsident" wurde ebenfalls von einem Unterstützer des Präsidenten an prestigeträchtiger Stelle vor einem Gemälde der Amerikanischen Revolution geschwungen. Spätestens in 13 Tagen hat mit der Angelobung Joe Bidens diese Fahne aber ihre inhaltliche Gültigkeit und Korrektheit eingebüßt.

Foto: AFP / WIN MCNAMEE

Neben herkömmlichen US-Flaggen und ihren älteren Versionen – diese kennzeichnen sich durch weniger Sterne für weniger Staaten, meist anders angeordnet, beispielsweise in Kreisen – war beim Sturm auf das Kapitol auch immer wieder eine gelbe Flagge samt auf ihr abgebildeter Klapperschlange zu sehen. Ihre Bedeutung?

Ein Offizier entfernt eine Gadsden-Flagge vom Kapitol.
Foto: AFP / ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Sie hat ihren Ursprung noch vor der Amerikanischen Revolution. Einer der Gründerväter der USA, Benjamin Franklin, schlug in einem satirischen Beitrag bereits Mitte des 18. Jahrhunderts vor, den britischen Kolonialherren eine Ladung Klapperschlangen zu schicken. Dies sollte als "Dank" für die zahllosen verurteilten Sträflinge gelten, die die Briten in ihre Kolonie jenseits des Atlantik verschifften.

Im Laufe der Revolution entwickelte sich die von General Christopher Gadsden entworfene Flagge zusehends zu einem Symbol des US-Patriotismus. Noch heute steht sie für ein libertäres Staatsverständnis, das sich gegen den Sozialismus stellt sowie für Regierungskritik und die Verteidigung der Verfassungsrechte eintritt. "Don't tread on me" – "Tritt nicht auf mich (sonst werde ich zubeißen)": So die metaphorische Bedeutung des Flaggentextes.

Rechtsextreme Online-Trolle

Wenig überraschend hatten bei den Ausschreitungen auch abermals einige rechtsextreme Botschaften und Symbole ihren Auftritt. Swastikas tauchten in den vergangenen vier Jahren immer wieder im Sumpf von Trump-Befürwortern und White Supremacists auf.

Der Verkauf einer Swastika-Flagge ist in den USA nicht verboten, ihr Schwenken sogar ausdrücklich durch ein Gerichtsurteil im Sinne des Ersten Verfassungszusatzes erlaubt. Dennoch ist sie klar verpönt. Auch deshalb kursieren im Internet seit Jahren auf zahlreichen einschlägigen Medien viele Variationen bekannter Naziflaggen. Eine davon ist die Flagge des fiktiven Staates "Kekistan", die zunächst auf dem Portal 4Chan Popularität erlangte. "Kek" entstammt dem Onlinespiel "World of Warcraft" und ist dem etwas bekannteren "lol" ("laughing out loud" – "laut lachen") ähnlich und bedeutet im Grunde dasselbe. Das alleine wäre kein Grund zur Aufregung. Nur dass die Flagge unweigerlich mit den Nazi-Symbolen der Swastika und des Eisernen Kreuzes spielt.

Auch die mittlerweile berühmt-berüchtigten Verschwörungsideologen von QAnon hatten ihren beflaggten Auftritt.

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Zudem fanden sich in der Nähe des Kapitols mehrere gewohnt skurrile Flaggen, die eine Mystifizierung des scheidenden US-Präsidenten mittels Charakteren aus dem Showbusiness zum Ziel haben.

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Nationales Wirrwarr

Neben der südkoreanischen Flagge waren auch die israelische, die indische sowie die Flagge der vorrevolutionären Iranischen Monarchie zu sehen. Alle sollen mehr oder weniger die Unterstützung eines konservativen Teils des Landes für Trump gegen seine Lieblingsfeinde symbolisieren: Nordkorea, die Palästinenser und der Rest des islamisch geprägten Nahe Ostens sowie die Anführer des heutigen Iran.

Foto: imago images / Zuma Wire

US-Präsident Trump hat zwar wie fast alle US-Präsidenten der vergangenen Jahre auch sehr viele Fans im europäischen Land Georgien. Trumps vermeintliche Nähe zu Putin ließ die Georgier aber auch sehr über den Sieg Bidens jubeln. Der Verdacht liegt dennoch nahe, dass einer von Trumps Unterstützern sich beim schnellen Amazon-Kauf irrte und seine Unterstützung für den US-Bundesstaat Georgia – dessen Wahlergebnis ja die Urmotivation der Ausschreitungen war – falsch beflaggt zum Ausdruck brachte.

Heilige Flagge

Für besonderen Unmut bei einem großen Teil der Bevölkerung dürften aber auch jene Möchtegern-Putschisten gesorgt haben, die eine US-Flagge von einer Seitenwand des Kapitols entwendeten, diese über die Brüstung warfen und durch eine Trump-2020-Flagge ersetzten.

Der sorgsame Umgang mit offiziellen US-Flaggen wird dem patriotischen Volk nicht nur bei den Boy Scouts eingeimpft, es gibt auch zahlreiche Gesetze, die den Umgang mit der Flagge regeln. Weil die US-Flagge "lebt", sollen ausgefranste und ausgediente Flaggen etwa auf ehrenvolle Weise verbrannt, begraben oder an offizielle Stellen retourniert werden – keinesfalls darf sie aber in den Mülleimer oder würdelos weggeworfen werden, auch wenn dank des Ersten Verfassungszusatzes Strafen hierfür eher die absolute Ausnahme darstellen. (Fabian Sommavilla, 7.1.2021)

Hinweis: Einige Stellen rund um "Kekistan" und die Konföderiertenflagge wurden um Uhr 15:40 präzisiert.