Die Wasserkraft, im Bild das Murkraftwerk Graz, kommt noch immer für den Löwenanteil an erneuerbarer Energie in Österreich auf.

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Es gibt eine Zeit vor der 2001 erfolgten Liberalisierung des Strommarktes in Österreich und eine danach. Während im Jahr 2000 wie schon in den Jahren vorher nach Zahlen der E-Control unterm Strich mehr Strom ins Ausland verkauft als von dort bezogen wurde, hat sich das Verhältnis seither ins Gegenteil verkehrt.

Was hat das mit den Stromexporten bzw. -importen zu tun? Die Strombranche war vor der Liberalisierung planwirtschaftlich organisiert: Die Kosten bestimmten die Preise, Wettbewerb war ein Fremdwort, Konsumenten mussten zahlen, was ihnen vorgeschrieben wurde – Wahlmöglichkeit gab es nicht.

Stromnachfrage 2020 um fünf Prozent gesunken

Mit der von der EU-Kommission auf den Weg gebrachten Liberalisierung ging ein Ruck durch die Branche. Plötzlich hieß es Kosten sparen. Der teils überbordende, teure Kraftwerkspark wurde zurückgefahren, billiger Strom, wenn er zu haben war und die Leitungskapazitäten reichten, vermehrt aus dem Ausland zugekauft. Der Rekord an importiertem Strom wurde 2015 mit fast 13 Milliarden Kilowattstunden (kWh) verzeichnet. 2020 waren es noch 4,4 Milliarden kWh nach 5,3 Milliarden kWh im Jahr davor.

Selbst im Ausnahmejahr 2020, das Corona-bedingt die Stromnachfrage um rund fünf Prozent einbrechen ließ, blieb Österreich Netto-Stromimporteur. Die Angaben stammen von der Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG), die in Österreich für den Betrieb des Hochspannungsnetzes zuständig ist.

Zeitenwende

Nun steht eine weitere Zeitenwende an. Die Stromproduktion und in der Folge auch der Verbrauch elektrischer Energie sollen so verändert werden, dass weitgehend auf fossile, klimaschädliche Technologien verzichtet werden kann. An ihrer Stelle sollen vermehrt erneuerbare Energien zum Einsatz kommen. Ziel der österreichischen Bundesregierung ist es, im Jahr 2030 bilanziell 100 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken.

Auf Monatsbasis ist dies erst einmal gelungen. Im Juni 2020 waren der Wind, die Sonne und vor allem die Wasserführung in Österreich so stark, dass 100 Prozent des Strombedarfs allein durch Erneuerbare gedeckt werden konnten. Das zeigen Berechnungen der Österreichischen Energieagentur, die sich auf Zahlen des Verbands europäischer Übertragungsnetzbetreiber stützt. "Wenn übers Jahr gesehen 100 Prozent erreicht werden sollen, ist aber noch einiges zu tun", sagte Christoph Dolna-Gruber, Mitarbeiter der Energieagentur, dem STANDARD. ´

Winterproblematik

Während in der warmen Jahreszeit der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion in Österreich nicht zuletzt dank des hohen Anteils an Wasserkraft jetzt schon hoch ist, schaut es in der kalten Jahreszeit schlechter aus. "Die Erzeugung geht zurück, und der Verbrauch steigt, weil für Beleuchtung und Wärmepumpen mehr Strom benötigt wird", sagte Dolna-Gruber. Diese Lücke wird derzeit durch Importmengen geschlossen – Strom, der überwiegend aus Kohle- oder Atomkraftwerken stammt.

Um diesen Anteil zu verringern, sollte verstärkt auf Energieeffizienz geachtet und in Speicher investiert werden, um den überschüssigen Strom aus dem Sommer im Winter abrufen zu können, rät Dolna-Gruber.

Weil der Verbrauch derzeit nicht durch inländische Erzeugung gedeckt werden kann, liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bei etwa 72 Prozent. Den Löwenanteil an der Erzeugung steuert die Wasserkraft bei. Der Spitzenwert wurde 2020 am 2. September verzeichnet: 85 Prozent des Verbrauchs wurden an diesem Tag mit Wasserkraft gedeckt. Der beste Tag für die Windkraft war der 5. Februar, ein Drittel des Verbrauchs wurde mit Strom aus Wind gedeckt.

Den besten Sonnenstromtag gab es übrigens am 18. Mai; Photovoltaik kam für sechs Prozent des damaligen Tagesverbrauchs auf.

(Günther Strobl, 8.1.2021)