Das Parkgebührensystem in Wien hat seine Tücken: Für einen 43-Jährigen endete das vor Gericht.

Foto: Regine Hendrich

Wien – "Ich habe nichts gemacht, wir haben nur laut gesprochen", bekennt sich Romik A. vor Richter Andreas Böhm im Fall einer Anklage wegen Beleidigung nicht schuldig. Nein, er habe am 21. September in der Reinprechtsdorfer Straße in Wien-Margareten einem weibliches Parkraumüberwachungsorgan nicht ins Gesicht gespuckt. Und nein, er habe der jungen Frau erst recht nicht zugezischt: "Jetzt hast du Corona!"

Dass Parksheriffin G. und eine zufällige Passantin den ungustiösen Körperflüssigkeitsübertrag schildern, ficht den unbescholtenen 43-jährigen Selbstständigen nicht an. Er und sein Zeuge würden die Wahrheit sagen, beteuert er – dummerweise ist Murat S., sein Zeuge, gleichzeitig der Zweitangeklagte. Ihm wird nämlich falsche Beweisaussage vorgeworfen.

Strafzettel statt Getränk

Er und S. waren an diesem Tag von einem Termin gekommen, erzählt der Erstangeklagte. Während S. ins Geschäft ging, stieg A. kurz aus dem Auto, um ein Getränk zu kaufen. Dann, sah er die strafzettelausstellende Dame, lief zurück und sagte angeblich: "Geh bitte, ich habe gerade eine Minute angehalten." Er bat um eine Stornierung der Strafe. "Sie hat aber nur gesagt, das ist mir wurscht", ärgert sich der Erstangeklagte. "So ist es halt, wenn man falsch parkt", lässt der Richter wenig Empathie erkennen.

Nach W.s Darstellung habe er zwar laut gesprochen, sei aber höflich geblieben. Den Strafzettel habe er genommen und sich ins Auto gesetzt. Dann sei eine andere Frau gekommen und habe ihn angeschrien und sich über den Lärm beschwert. "Ich habe nur gefragt, warum sie sich einmischt, dann bin ich weggefahren."

Zweitangeklagter S. bekennt sich ebenso nicht schuldig. Er hatte bei der Polizei ausgesagt, er sei auf der anderen Straßenseite auf dem Gehsteig gestanden und habe alles gut sehen und hören können. Sein Bekannter sei bereits zum Auto zurückgelaufen, bevor die Überwachungskraft den Strafzettel schrieb. "Und die kleine asiatische Dame kam erst dazu, als W. schon wieder im Auto saß." Genauso hatte er die Geschichte auch bei der Polizei erzählt, vor Gericht bleibt er dabei.

"Das heißt, die Beamtin und eine völlig unbeteiligte Zeugin lügen?", fragt Böhm beim 43-jährigen Angestellten S. nach. "Ja, es war so, wie ich gesagt habe", beharrt er auf seiner Version.

Tückische "lineare Kurzparkzone"

Beim Zeugenauftritt der laut Anklage Angespuckten erhält Richter Böhm einen Crashkurs in Verwaltungsdeutsch für Parkraumüberwachung. "Ich habe das Auto abgefragt, und es hatte keinen gültigen Ausweis für eine lineare Kurzparkzone", schildert die Frau. "Das sind – einzelne Straßen?", kann Böhm mit dem Begriff nicht so recht etwas anfangen. "Einkaufsstraßen. Für die braucht man einen Parkschein", klärt die Zeugin auf.

Sie sei damals jedenfalls schon fertig gewesen, als Erstangeklagter A. herangerannt kam. "Ich bin schon da!", habe er gerufen und darauf hingewiesen, dass er eine Pauschalkarte habe. Der Begriff ist nicht ganz korrekt, beschreibt er doch die "Pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe" an die Stadt Wien. Damit kann man ohne Zettelausfüllen in allen Kurzparkzonen stehen bleiben – außer in den linearen. Das habe sie A. auch erklärt, er sei aber immer aggressiver geworden.

"Richtig geschlazt"

Schließlich habe er ihr den Strafzettel aus der Hand gerissen und sie bespuckt. "Kann das unabsichtlich gewesen sein?", fragt der Richter nach. "Das war nicht unabsichtlich. Das war richtig geschlazt", ist sich die Zeugin sicher. Danach habe er ihre Covid-19-Infektion angekündigt. Dann sei ihr auch gleich die Passantin beigestanden, deren Involvierung habe A. mit: "Du Hure, du Nutte, was mischst du dich ein?" quittiert, ehe er wegfuhr.

Sie sei in der Situation schockiert und hilflos gewesen, erinnert sich die Zeugin. "Ich habe nicht gewusst, ob ich noch mit dem Bus fahren darf und was ich jetzt machen muss." Sie absolvierte einen Test und musste zehn Tage in Quarantäne verbringen. Wie sich herausstellte, war A. gar nicht infiziert.

Das führt zum juristisch interessanten Fall, dass die Spuckattacke nur als Beleidigung mit einer Strafandrohung von maximal drei Monaten gewertet wird. Hätte er umgekehrt zuerst das Covid-Risiko erwähnt und dann gespuckt, wäre es zumindest eine gefährliche Drohung, die mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden kann.

Stark befahrene Straße

Bezüglich des Zweitangeklagten sagt die Zeugin, sie habe keinen zweiten Mann vor Ort wahrgenommen. Vor allem aber könne der auf der anderen Straßenseite nicht jedes Wort verstehen, da die Reinprechtsdorfer Straße stark befahren sei, ist sie überzeugt. Die Passantin bestätigt als Zeugin die Geschichte der städtischen Bediensteten.

Böhm verurteilt den Erstangeklagten schließlich zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen á 20 Euro, gesamt also 1.600 Euro. Zweitangeklagten S. trifft es härter: Bei bis zu drei Jahren Haft für falsche Beweisaussage entscheidet sich der Richter bei dem Unbescholtenen für sechs Monate bedingt. "Es ist extrem grauslich und widerwärtig, aber keine gefährliche Drohung", begründet Böhm gegenüber Falschparker A. noch.

Beide Männer sehen sich zu Unrecht verurteilt. "Ich übergebe das meinem Anwalt", sagt der Erstangeklagte, auch S. will das machen. "Das hätten Sie vielleicht vorher machen sollen, die hätten Ihnen möglicherweise zu einem Geständnis geraten. Aber gut, das heißt, Sie nehmen Bedenkzeit?", will der Richter wissen. Nehmen sie, auch die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, das Urteil ist damit nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 8.1.2021)