Die Lehrlingsausbildung hat ein ähnliches Problem wie die polytechnischen Schulen. So wie es an vielen dieser Schulen, wie beispielsweise an der PTS Hollabrunn, ganz großartige Lehrerinnen und Lehrer gibt, bilden auch viele Betriebe hervorragend aus. Aber über beides wird nur wenig berichtet. Denn diese engagierten Lehrer und Ausbilder haben meist wenig Zeit, sich um ihre Eigendarstellung zu kümmern. Und wir haben uns alle schon viel zu sehr an die Bad News gewöhnt.

Daher werden von der Öffentlichkeit die schlechten Beispiele, die es natürlich auch gibt, viel stärker wahrgenommen. Auch dadurch entsteht ein Bild der Lehre – nur leider ein verzerrtes. Dabei geht es nicht darum, etwas schönzureden. Aber es ist genauso wenig hilfreich, wenn wir uns nur an Dingen orientieren, die nicht so gut funktionieren. Denn im Endeffekt geht es um die Chancen unserer Kinder und um Entscheidungen, wie sie ihre Fähigkeiten optimal nutzen können. Ein unverfälschtes und komplettes Bild der Ausbildungswege wäre für viele Eltern hilfreich. Dann wäre es leichter, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen, die zur aktuellen Situation ihrer Kinder passen.

Echte Vorbilder

Da wären einmal Karrierewege, die sich jenen öffnen, die über die praktischen Erfahrungen einer Lehre verfügen und dann bereit sind, weitere Schritte zu setzen. Denn auch nach einem Studium gibt es keine automatisierten Lebenswege. In vielen Berufen haben Führungskräfte oft mit einer Lehre gestartet. Dabei geht es gar nicht um die CEOs, von denen mancher vor vielen Jahren eine Lehre absolviert hat. Ein solches Beispiel ist für Eltern, deren Kinder in der Schule gerade nicht so supererfolgreich sind, nur schwer nachvollziehbar.

Es geht eher um Bereichsleiter, Gruppenleiter oder Führungskräfte in Filialen, die mit einer Lehre begonnen haben. Auch bei der so oft strapazierten Frage, wie wir mehr Mädchen für Technik begeistern könnten, wären Role-Models so wichtig. Die sind in der männerlastigen Technikwelt aber meist nicht so leicht sichtbar. Gerade für junge Mädchen brauchen wir auch andere Botschaften, als "Es ist cool, in der Technik zu arbeiten". Und deren Eltern wären wohl eher daran interessiert, welche Rahmenbedingungen ihre Tochter vorfindet. Oder wie gut die Jobaussichten für Frauen in technischen Berufen sind, bringen sie doch viele für die Zukunft wichtigen Eigenschaften mit.

Superstar in der Spitzengastronomie? Toll! Hat diese Karriere nicht auch mit einer Lehre begonnen?
Foto: Peter Philipp

Aufklärung und Austausch

Auch jene Berufsgruppen, die es beim Image am schwersten haben, denken oft viel zu kurzsichtig. Warum wird so selten erwähnt, dass jeder Spitzenkoch eine Lehre absolviert haben muss? Zumindest ist mir keine akademische Bildung für Kochen bekannt. Uns erscheint es vielleicht oft zu logisch, deshalb erklären wir zu wenig. Wolfgang Puck hat sein Lebenswerk mit einer Lehre in Kärnten begonnen, heute bekocht er die Prominenten der Welt. Warum erzählen wir nicht Geschichten von Hotelmitarbeitern, die nach einer Lehre oft in den tollsten Hotels der Welt arbeiten. Oder warum erhalten Gäste im Restaurant, die hoffentlich gerade sehr zufrieden sind, nach ihrem Besuch nicht einen Hinweis darauf, dass die solide Ausbildung in diesem Haus eine Grundlage für dieses Erlebnis ist?

Um erfolgreich zu werden, braucht es das Gefühl, mit anderen gemeinsam an einem großen Ganzen mitzuwirken, das über den eigenen Betrieb hinausgeht. Deshalb braucht es Austausch und Kooperation unter den Ausbildern. Die Möglichkeiten dazu werden immer mehr, Netzwerke wie Z.L.Ö., das Ausbilderforum Tirol, lehrlingspower.at oder die Bildungs-Allianz im Senat der Wirtschaft fördern den Wissenstransfer.

Mit gutem Beispiel voran

Aber es braucht noch viel mehr engagierte Betriebe. Damit die guten Beispiele sich verbreiten können und damit wir gemeinsam die Lust auf Ausbildung steigern, extern und intern. Bei intern kommen auch Vorstände und Geschäftsführer ins Spiel. Denn eines ist unbestreitbar: die Lehrlingsausbildung funktioniert immer dann am besten, wenn die Firmenleitung klar dahintersteht. Auch dafür gibt es eine Vielzahl an positiven Beispielen in unserem Land, die wir sichtbar machen müssen.

Wenn wir Ausbildungsbetriebe und alle, die sich für diesen für unsere Wirtschaft und für viele Jugendliche so bedeutsamen Bildungsweg interessieren, unsere Leistungen sichtbar machen. Wenn wir alle gemeinsam bereit sind, von anderen zu lernen und bereits Vorhandenes, das funktioniert, auch auszuprobieren. Und wenn wir bereit sind, uns an veränderte Zeiten anzupassen. Dann wird die Lehre jenen Stellenwert erhalten, den ich ihr wünsche: als gleichberechtigter Einstieg ins Berufsleben. (Robert Frasch, 13.1.2021)