FFP2-Masken sollen vermehrt eingesetzt werden, meint Reich.

Foto: Mathias Cremer

STANDARD: Sie haben vor wenigen Tagen in der ZiB2 vor einer Hauruck-Aktion ohne ausreichender Vorbereitungen gewarnt, was Impfungen betrifft. Kurz danach gab es doch Planänderungen. Befinden wir uns nun inmitten einer solchen Aktion?

Reich: Nein. Wir sind so im Plan, wie wir es im November vorgesehen haben. Der Plan war von den Bundesländern, den einzelnen Pflegeheimen und dem Gesundheitsministerium so abgestimmt. Das einzige, das sich verändert hat, ist, dass einzelne Pflegeheime gesagt haben, sie können ein paar Tage früher loslegen.

STANDARD: Aber es gibt schon eine Veränderung: Auch über 80-Jährige, die nicht in Heimen leben, sollen bereits jetzt geimpft werden.

Reich: Wenn Länder sich in der Lage sehen, in ihren Impfstellen diese Patienten früher zu impfen, dann gerne. Die Impfungen sind da und stellen ein zusätzliches Angebot zur bisherigen Priorisierung der Alten- und Pflegeheime und exponierten Personen im Gesundheitswesen, also Covid-19-Stationen, dar. Es ist aber eine Freiwilligkeit, damit wir einzelne Länder oder Institutionen nicht überfordern. Das wäre dem Thema sehr abträglich.

STANDARD: Gibt es mittlerweile ein zentrales Einmeldesystem für Impfungen?

Reich: Das Thema ist gerade in Abstimmung. Wir haben den E-Shop (der Bundesbeschaffungsagentur, Anm.), der die zentrale Datenquelle ist bezüglich dem, wie viel ist da ist, abgerufen ist und ausgeliefert wurde. Derzeit geht es darum, wie wir eine Rückmeldung bezüglich Verimpfungen erhalten, die auch die rückmeldenden Stellen nicht überfordert.

STANDARD: Bis Ende der Woche sollen 30.000 Personen geimpft sein. Am Dienstag hieß es, dass 8300 Personen geimpft wurden. Warum geht das nicht schneller?

Reich: Es braucht seine Zeit, bis in den Alten- und Pflegeheimen die Aufklärung stattgefunden hat. Das geht nicht mit einem Gespräch, das zehn Minuten dauert. Teilweise müssen auch Angehörige oder Sachwalter miteinbezogen werden. Das zweite ist, dass genug Personal und Struktur vorhanden sein muss. Wir brauchen einen sicheren Start. 2000 bis 3000 Leute mehr mag wichtig klingen, aber eine unnötige Hast, die zu Unsicherheiten führt, ist für das Thema abträglich.

STANDARD: Wir sprechen aber nicht von 2000 bis 3000 Leuten mehr oder weniger. Bereits am 17. Dezember hat das Gesundheitsministerium damit gerechnet, dass im Jänner 240.000 Dosen zur Verfügung stehen werden. Warum hat man sich nicht früher um diese organisatorischen Abläufe gekümmert?

Reich: Die Impfbereitschaft ist lange vorher abgefragt worden. Das ist ein Thema, das uns nicht im Dezember überrascht hat. Die Leute sind befragt worden.

STANDARD: Anfang dieser Woche hieß es in Ländern, die Erhebungen würden noch laufen.

Reich: Ja, da ging es um konkreten Details. Am Anfang war es noch global. Da wusste man nicht, ab welchem Tag die Impfungen kommen, man wusste nicht die Größe der Packungen etc. Man hat lange darüber gesprochen, ob man den Impfstoff tiefgekühlt erhält, selbst auftaut und dann impft. Wir mussten mehrere Varianten prüfen.

STANDARD: Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Bis Ende Februar sollen als Ziel ca. 200.000 Menschen geimpft werden. Alleine bis Ende Jänner sollen aber schon ca. 300.000 Dosen von Biontech/Pfizer geliefert werden, im Februar werden noch einige Dosen hinzukommen. Ist das nicht ein niedriges Ziel?

Reich: Es sind Schätzungen, die wir immer vorsichtig angeben. Wenn wir mehr haben, impfen wir natürlich mehr. Die Lieferungen haben sich, so wie es jetzt ausschaut, alle pünktlich angekündigt. Ich glaube mit Versprechen die man nicht halten kann, sind wir alle nicht gut bedient. Aber wir verimpfen alles, was kommt.

STANDARD: Die Koordination der Impfungen soll nun stärker in Länderhand kommen. Was ändert sich konkret?

Reich: Es ändert sich de facto nichts. Bei der heutigen Videokonferenz der Bundesregierung mit den Landeshauptleuten wurde das Bekenntnis zum gemeinsamen Vorgehen beim Ausrollen der Corona-Schutzimpfung präzisiert. Die Beschaffung, zentrale Steuerung, Logistik und die Strategie der Impfaktion liegen beim Bund, die Länder setzen in der Region um.

STANDARD: Was die Über 80 -Jährigen betrifft: Wann werden die kontaktiert und von wem? Wann gibt es ein Anmeldesystem?

Reich: Das ist direkte Ländersache. Die Betroffenen werden in Kürze informiert. Es waren noch letzte Abstimmungen etwa mit den Ärztekammern nötig, so dass auch jedem einzelnen Arzt oder Ärztin klar ist, wie er oder sie die Patienten informieren kann.

STANDARD: Das heißt, über 80-Jährige rufen bei ihrem Hausarzt an?

Reich: Genau, das ist eine verlässliche Quelle.

STANDARD: Aber jetzt haben erst kürzlich die Hausärzte beklagt, dass sie noch keine Informationen haben.

Reich: Die niedergelassenen Ärzte werden die Betroffenen rechtzeitig und in Kürze informieren.

STANDARD: Die Impfungen werden seit Juni vorbereitet. War es nicht möglich, das früher zu erledigen?

Reich: Da war ja die Zulassung noch nicht klar. Planungen an sich sind zeitaufwendig und werden konkreter, je verlässlicher die Informationen werden. Das nationale Impfgremium hat sich zum Beispiel mit Fragen der Priorisierung auseinandergesetzt. All diese Planungen dauern wirklich lange und müssen auch im europäischen Vergleich abgestimmt sein. Der Teufel liegt immer im Detail.

STANDARD: Glauben Sie, dass es in der Vorbereitungszeit nicht doch auch zu Versäumnissen kam?

Reich: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Ich maße mir nicht an, nur in die Vergangenheit zu schauen, das steht mir nicht zu.

STANDARD: Sie haben gesagt, Sie halten nichts von Belohnungen für Geimpfte. Was sagen Sie zu einer Belohnung für Getestete?

Reich: Ich glaube persönlich, dass das nicht nachhaltig ist. Dass es vielleicht für einen ersten Run ein nettes Zuckerl wäre, aber sowas hält nicht an.

STANDARD: Und wenn diese Belohnung in Form eines Zutritts oder eines Zugangs ist, wie es ja jetzt auf den Weg gebracht wird? Da werden ja auch die, die sich nicht testen lassen wollen, indirekt bestraft?

Reich: Es muss immer mehrere Möglichkeiten geben, wie ich am aktiven Leben teilnehmen kann. Das Tragen von FFP2-Masken als Alternative zum Test ist natürlich da.

STANDARD: Und wenn wir beim Zugangstesten bleiben: Wie lang macht es Sinn, dass so ein Test dann als Sicherheit angedacht wird?

Reich: Auch das ist nicht so einfach zu sagen: "Das ist die Stundenanzahl x und in dieser Stundenanzahl kann mir nichts passieren". Wir halten uns da an die europäische, gemeinsame Sichtweise. Prinzipiell wird dieser Test für 48 Stunden als verlässlich angesehen. Aber in diesen 48 Stunden muss ich mich auch sicher verhalten. Das heißt, ich kann nicht sagen: "Ich bin getestet, ich kann niemanden anstecken, ich renn ohne Schutzmaßnahmen herum". In den 48 Stunden nach dem Test prüfe ich mich nochmal: bin ich gesund? Dann kann ich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sicher sein, dass ich bei dieser Veranstaltung keinen Virus weitergebe.

STANDARD: Und wenn der Test 48 Stunden alt ist oder älter dann kann man sich ohnehin nicht mehr darauf beziehen?

Reich: Dann wird es unverlässlicher, ganz klar.

STANDARD: Die Infektionszahlen stagnieren im Wochenmittelwert trotz Lockdowns. Ist da ein Ende des Lockdowns überhaupt denkbar?

Reich: Es gibt vielleicht eine kleine Abmilderungsmöglichkeit, aber so wirklich aus einem Leben mit starken Einschränkungen kommen wir so nicht heraus. Etwas anderes zu sagen, wäre unseriös. Ich weiß, dass die Menschen sich danach sehnen, einen Lockdown am 24. Jänner komplett zu beenden, allerdings können wir es uns mit den derzeitigen Zahlen einfach nicht leisten.

STANDARD: Zu allem Überdruss kommen ja Mutationen immer näher.

Reich: Wir haben einen Wettlauf zwischen der Impfung und der Mutation. Und deswegen müssen wir jetzt, solange die Impfungen noch dauern, unsere Schutzmaßnahmen fast noch einmal verstärken: FFP2-Maske überall, wirklich nur die Kontakte, die notwendig sind, uns alles, was wir gelernt haben, noch einmal vor Augen zu halten. (Vanessa Gaigg, Gabriele Scherndl, 9.1.2021)