Bob Brett und Günter Bresnik bei einem Junioren-Match von Dominic Thiem bei den French Open 2010. Über den Australier sagt Bresnik: "Für meine Laufbahn als Trainer war er gemeinsam mit Ion Tiriac die wichtigste Person in meinem Leben."
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Der Australier Bob Brett verhalf gleich mehreren Tennisspielern zu internationalem Erfolg. Vielen anderen Trainern war er ein Vorbild, auch dem österreichischen Coach Günter Bresnik. Die beiden befreundeten sich auf der Tour, philosophierten häufig über ihr Fach – und darüber hinaus. Schwere Schicksalsschläge intensivierten die Beziehung der beiden, wie Bresnik im Interview mit dem STANDARD erzählt. Brett verstarb am 5. Jänner in Paris an den Folgen einer Krebserkrankung. Er wurde 67 Jahre alt und hinterlässt zwei Töchter.

STANDARD: Wie lief Ihre erste Begegnung mit Bob Brett?

Günter Bresnik: Es war bei einer Rasen-Exhibition in Manchester. Bob war Trainer von Boris Becker, der sich häufig mit meinem Schützling Horst Skoff unterhielt. So kam ich mit ihm in Kontakt. Wir entwickelten eine enge Freundschaft, die weit über den Tennissport hinausging. Auch, weil wir jahrelang jeden Tag um sechs Uhr gemeinsam laufen gingen.

STANDARD: Bitte was?

Bresnik: Es war egal, wo wir waren: Ob in Hamburg um die Binnenalster oder entlang der Strände von Miami. Wir bildeten eine Laufgruppe mit anderen Trainern. Mit Chris Lewis aus Neuseeland, der einst Ivan Lendl trainierte. Mit Carl-Axel Hageskog aus Schweden. Lauter so Fitnessfanatiker wie Bob.

STANDARD: Half das auch auf dem Tennisplatz?

Bresnik: Wir standen ständig im Austausch, unsere Schützlinge trainierten oft gemeinsam. Man schaute sich die Spiele der befreundeten Trainer an. Bob sagte mir dann, was er über Horst Skoffs Matches dachte.

STANDARD: Wie war Ihre Beziehung zu Brett?

Bresnik: Für meine Laufbahn als Trainer war er gemeinsam mit Ion Tiriac die wichtigste Person in meinem Leben. Durch sein Entgegenkommen ersparte ich mir eine Unzahl an Fehlern. Wir sprachen nicht nur über Tennis, auch über Architektur oder Literatur – und private Dinge. Er war für mich jemand zwischen einer Vaterfigur und einem großen Bruder. Wir vertrauten uns einander an. Einst bat er mich etwa, für ein paar Wochen seinen Spieler zu betreuen, weil er sich um einen Krankheitsfall in der Familie kümmern musste.

STANDARD: In Ihrem Buch "Die Dominic Thiem Methode" bezeichnen Sie Brett als den besten Trainer seiner Zeit. Wie ist er so gut geworden?

Bresnik: Er hatte Weitsicht, entschied selten aus dem Bauch heraus. Bob kam aus einem kleinen Ort außerhalb von Melbourne. Schon früh ging er als Trainer nach Amerika und wurde zum Lieblingsschüler von Harry Hopman, der langjährige australische Davis-Cup-Kapitän, nach dem der Hopman Cup benannt war. Zu einem hohen Prozentsatz traf er die richtigen beruflichen Entscheidungen.

STANDARD: Wie begann Bretts internationale Trainerkarriere?

Bresnik: In seinen jungen 20er-Jahren betreute er eine ganze Gruppe an Spielern aus Nationen mit geringen finanziellen Mitteln. Die Schlägerfirma Rossignol stellte ihnen einen Trainer zur Verfügung, das war Bob. Der bekannteste in dieser Gruppe war wohl Johan Kriek, der später zweimal die Australian Open gewann. Schon damals arbeitete er mit einer Vielzahl an diversen Spielern. Er ist später nach Europa gezogen, in weiser Voraussicht, dass sich die Tennis-Hochburgen nach Europa verlagern. Dort baute er eine Tennisschule in San Remo auf.

Brett beim Versuch, den Erfolg von Boris Becker auszudehnen. Es gelang.
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STANDARD: Ende der 80er-Jahre betreute er Boris Becker.

Bresnik: Das war sein Durchbruch, was die internationale Bekanntheit betrifft. Becker zu trainieren war zu diesem Zeitpunkt ein schwieriges Unterfangen. Es war gut, dass er ihm privat nicht zu nahe gekommen ist. Becker war schon ein Superstar und mehr damit beschäftigt, sich abzuschotten. Später wählte Bob bei Goran Ivanišević einen ganz anderen, persönlicheren Zugang. Es ist die Kunst eines Trainers, zu wissen, was man zulässt, um den sportlichen Erfolg zu steigern. Das war eine von Bobs Stärken. Mit manchen Leuten hast du ständig Reibereien. Da geht es ans Eingemachte, es bleiben psychische Narben. Das mag dem privaten Kontakt schaden, für den Spieler kann es aber gut sein. Es ist beeindruckend, wie viele unterschiedliche Typen Bob zum Erfolg führte.

STANDARD: Haben Sie sich Dinge von ihm abgeschaut?

Bresnik: Er war über viele Jahre für alle Coaches eine Leitfigur. Er hat sich unabhängig von der Arbeit mit seinen Schützlingen sehr für das Tennis engagiert. Bob hat für den Sport gelebt wie kaum ein anderer. Sein Fokus lag weniger auf der Technik, sondern mehr auf der Fitness. Ich war damals von der physiologischen Komponente besessen. Als ich erstmals Pulsmesser im Training einsetzte, hinterfragte Bob das genau – und machte sich seinen eigenen Reim daraus. Er hielt immer seine Augen und Ohren offen, um eine mögliche Entwicklung nicht zu verpassen.

STANDARD: Wann haben Sie zuletzt von Brett gehört?

Bresnik: Über die letzten Monate stand ich in täglichem Kontakt mit seiner Tochter. Ich habe den Verlauf seiner letzten Tage sehr intensiv miterlebt. Mit ihm selbst sprach ich kurz vor Weihnachten noch per Videoschaltung. Da wirkte er motiviert und war weit von einer Aufgabe entfernt.

STANDARD: Gibt es gemeinsame Momente, die besonders in Ihrem Gedächtnis bleiben?

Bresnik: Es sind drei Geschichten, die mit Tränen verbunden sind. Bob lebte einst alleine in Paris, als sein Vater verstarb. Ich besuchte ihn. Der Abend, an dem die Nachricht aus Australien kam, war ewig bedrückend und ging mir sehr nahe. Dadurch wurde unser Verhältnis gestärkt. Andererseits reiste er nach Österreich und verabschiedete sich von meiner Mutter, kurz bevor sie starb. Beruflich hat mich am meisten bewegt, als Becker 1989 die US Open gewann. Man muss wissen: Bob war immer ein sehr gefasster Mensch. Auf viele wirkte er vielleicht überhart. In diesem Moment aber weinte er vor Freude.

STANDARD: Was bleibt von den fröhlicheren Erlebnissen hängen?

Bresnik: Schöne Momente gab es unzählige, ohne dass einzelne speziell herausragen. Die ansprechenden Gespräche beim Laufen verbinden uns wohl am meisten. (Lukas Zahrer, 9.1.2021)