Beste Feinde: Pelosi hatte bereits im September 2019 im Zuge der Ukraine-Affäre ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump in die Wege geleitet.

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Der Mann mit dem Kopfschmuck.

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Washington – Nach dem Sturm auf das Kapitol will die demokratische Partei in den USA am Montag die Weichen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump stellen. Damit könnte Trump noch entmachtet werden, bevor er am 20. Januar ohnehin das Amt an seinen Nachfolger Joe Biden abgibt. Der demokratische Abgeordnete Ted Lieu erklärte am Samstag, seine Partei werde das Verfahren zum Wochenbeginn auf den Weg bringen. Auch die Abstimmung im Plenum soll bereits kommende Woche stattfinden.

Pelosi: "Ein gestörter, verwirrter, gefährlicher Mann"

Schon zuvor hatte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erklärt, Trump habe etwas so Schwerwiegendes getan, dass dies strafrechtlich verfolgt werden sollte.

"Leider ist die Person, die die Exekutive führt, ein gestörter, verwirrter, gefährlicher Präsident der Vereinigten Staaten", sagte die hochrangige Demokratin in einem vorab veröffentlichten Auszug eines Interviews des Senders CBS, das am Sonntag ausgestrahlt werden soll.

Pelosi fordert den sofortigen Rücktritt Trumps. Die Amtszeit des Republikaners endet mit der Vereidigung des Demokraten Joe Biden am 20. Jänner. Pelosi und andere Demokraten argumentieren aber, jeder Tag, den Trump noch im Weißen Haus verbleibt, sei eine Gefahr. Demokratische Abgeordnete haben einen Resolutionsentwurf vorbereitet, mit dem Trump in einem Amtsenthebungsverfahren wegen "Anstiftung zum Aufruhr" angeklagt werden soll. Darin wird Trump beschuldigt, bei einer Kundgebung in Washington am Mittwoch Unterstützer angestachelt zu haben, die danach das Kapitol stürmten. Es gab fünf Tote. Der Republikaner habe so seine Bemühungen fortgesetzt, die Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl zu behindern, hieß es weiter.

Impeachment würde weitere Kandidatur verhindern

In dem von den Demokraten beherrschten Repräsentantenhaus gilt eine Zustimmung zur Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens als sicher. Entschieden würde das Verfahren allerdings im US-Senat. Dass es dort noch vor Bidens Vereidigung abgeschlossen werden könnte, ist quasi ausgeschlossen. Der Senat kommt zu seiner nächsten regulären Sitzung erst am 19. Jänner zusammen. Aus einem von der "Washington Post" verbreiteten Memorandum des republikanischen Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell, geht hervor, dass das Verfahren nach den geltenden Regeln frühestens am 20. Jänner um 13.00 Uhr beginnen könnte – eine Stunde nach Bidens Vereidigung und Trumps Ausscheiden aus dem Amt.

Die Demokraten im Kongress dürften mit dem Verfahren ein anderes Ziel verfolgen: Sollte Trump im Senat auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt schuldig gesprochen werden, könnte er mit einem Verbot belegt werden, öffentliche Ämter des Bundes zu bekleiden – damit wäre ihm eine Kandidatur zur Präsidentenwahl 2024 verwehrt.

Unterdessen wurde bekannt, dass US-Vizepräsident Mike Pence offenbar im Gegensatz zu Präsident Trump an der Amtseinführung Bidens am 20. Jänner teilnehmen will. Das erklärte zumindest ein hochrangiger Regierungsvertreter. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es aber zunächst nicht.

Selbstbegnadigung des Präsidenten?

Trump genießt als Präsident Immunität vor Strafverfolgung. Diese Immunität endet aber mit seiner Amtszeit. US-Medien haben berichtet, dass Trump nach der Wahl vom 3. November mehrfach mit Beratern darüber diskutiert habe, sich selber zu begnadigen. Die Selbstbegnadigung eines Präsidenten wäre ein Novum. Es ist umstritten, ob ein solcher Schritt rechtlich zulässig wäre. Die US-Verfassung schließt eine Selbstbegnadigung nicht ausdrücklich aus.

Trump selber hat sich in der Vergangenheit überzeugt gezeigt, dass eine Selbstbegnadigung zulässig wäre. Während der Russland-Ermittlungen des FBI schrieb Trump im Juni 2018 auf Twitter: "Wie von zahlreichen Rechtsgelehrten festgestellt wurde, habe ich das absolute Recht, mich selbst zu begnadigen, aber warum sollte ich das tun, wenn ich nichts falsch gemacht habe?"

Twitter-Sperre

Kurz vor Ende seiner Amtszeit steht Trump aber nun auch ohne sein wichtiges Kommunikationsmittel da: Twitter sperrte am Freitagabend dauerhaft Trumps persönlichen Account, mit dem der Präsident fast 90 Millionen Menschen erreicht hatte. Das Unternehmen begründete den Schritt damit, dass Trumps jüngste Tweets das Risiko einer weiteren Anstiftung zu Gewalt erkennen ließen.

Der Mann mit dem Kopfschmuck.
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Mann mit Hörner-Kopfschmuck festgenommen

Ein Anhänger stach beim Sturm auf das Kapitol besonders ins Auge: Bilder des Mannes mit dem Kopfschmuck aus Fell und Hörnern, dem angemalten Gesicht, dem nackten Oberkörper und dem Speer mit US-Flagge in der Hand gingen um die Welt. Am Samstag wurde Jacob C. aus Arizona festgenommen, wie die Staatsanwaltschaft in Washington mitteilte.

Bereits am Freitag sei Adam J. aus Florida von der Polizei aufgegriffen worden – er soll das Rednerpult der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses im Kapitol entwendet haben. Auch ein Mitglied des Abgeordnetenhauses des Bundesstaats West Virginia, Derrick E., sei festgenommen worden. Er trat mittlerweile zurück.

Die Staatsanwaltschaft teilte mit, den drei Männern werde vor einem Bundesgericht illegales Eindringen in ein besonders gesichertes Gebäude sowie gewaltsames Eindringen und ungebührliches Verhalten auf dem Gelände des Kapitols zur Last gelegt. Adam J. (36) müsse sich zusätzlich wegen des Vorwurfs des Diebstahls von Regierungseigentum verantworten. Auf einem weithin verbreiteten Foto ist zu sehen, wie ein Mann Pelosis Pult mit sich trägt und in die Kamera winkt. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, Derrick E. (35) habe ein Video von seinem Eindringen ins Kapitol live auf seiner Facebook-Seite gezeigt.

Anruf beim FBI

Jacob C. (33) hatte im Sender NBC News mit dem Angriff auf das Parlament geprahlt. "Die Tatsache, dass ein Haufen unserer Verräter im Amt sich verbarrikadierte, Gasmasken aufsetzte und sich im unterirdischen Bunker zurückzog, halte ich für einen Sieg", sagte er. Aus den von der Staatsanwaltschaft veröffentlichten Unterlagen geht hervor, dass C. am Donnerstag selber bei der Bundespolizei FBI in Washington anrief und bestätigte, dass er der Mann mit dem Hörner-Kopfschmuck gewesen sein. C. habe erklärt, dass er mit einer Gruppe aus Arizona angereist gewesen sei, weil Trump alle "Patrioten" für Mittwoch nach Washington gerufen hatte.

Bereits am Freitag hatte das Justizministerium die Festnahme von Richard B. aus Arkansas vermeldet. Bei ihm soll es sich um den Mann handeln, der sich mit einem Fuß auf dem Schreibtisch stolz in Pelosis Sessel fotografieren ließ. Im Zusammenhang mit dem Sturm des Kapitols am Mittwoch sind gegen mindestens 14 weitere Verdächtige Vorwürfe vor einem Bundesgericht anhängig. Bei dem Angriff auf das Parlament kamen mindestens fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Kritiker werfen Trump vor, den Mob bei einer Kundgebung kurz vor der Erstürmung des Kapitols angeheizt zu haben. (red, Reuters, APA, 9.1.2021)