Gehen von nun an wieder getrennte Wege: Kanzler Sebastian Kurz und Ex-Ministerin Christine Aschbacher.

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Martin Kocher folgt ihr als Arbeitsminister nach.

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Keine 24 Stunden später war der Nachfolger schon da. Kanzler Sebastian Kurz war sichtlich bemüht, der Affäre um die zurückgetretene Arbeitsministerin Christine Aschbacher so wenig Raum wie möglich zu lassen und rasch neue Fakten zu schaffen. Mit Martin Kocher, dem bisherigen Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), konnte Kurz ein neues Regierungsmitglied präsentieren, das über Ansehen verfügt, als kompetent gilt und als Experte geschätzt wird.

Kein Parteimitglied

Der ÖVP-Chef nahm bei dieser kurzfristig notwendig gewordenen Nachbesetzung keinerlei Rücksicht auf die Machtstrukturen in der Partei. Üblicherweise sind bei solchen Ämtern das Land und die Bündezugehörigkeit entscheidend, auf Aschbacher hätte nach ÖVP-Logik also ein Steirer und jemand aus dem Wirtschaftsbund folgen müssen. Das trifft auf Kocher alles nicht zu, mehr noch: Er ist nicht einmal Parteimitglied. Kurz emanzipiert sich damit weiter von der alten Volkspartei, die ihm nicht nur Machtbasis, sondern oft genug auch ein Klotz am Bein ist.

Kocher wird sich auf den Arbeitsmarkt konzentrieren, was wichtig genug ist. Dass die Familienagenden bei Frauenministerin Susanne Raab landen, könnte sich noch als Fehler erweisen. Raab ist in der Regierungsriege das schwächste Glied in der Kette, sie glänzt nicht gerade mit Souveränität und Kompetenz.

Sinnbefreite Textpassagen

Die Affäre um Aschbacher war zweifelsfrei ein Rückschlag für Kurz, bis jetzt hat sich aus seiner Truppe noch niemand verabschieden müssen. Und wie peinlich auch noch: Gerade in der Partei, die Leistung über alles stellt, soll sich jemand mit unlauteren Mitteln akademische Titel angeeignet haben. In den Social-Media-Kanälen war ausgiebig aus den Arbeiten Aschbachers zitiert worden. Viele Passagen haben absurd-komische Momente. Manche Aussagen sind in ihrer Banalität schlichtweg peinlich, manches ist sinnbefreit, manches nahezu dadaistisch. Die Texte sind sprachlich grottenschlecht, sie sind grammatisch ein Unfall. Die Arbeiten lesen sich, als ob jemand mit nichtdeutscher Muttersprache Textbausteine aus ausländischen Medien durch ein schlechtes Übersetzungsprogramm hat laufen lassen und sie nahezu willkürlich zusammengefügt hat.

Wie konnte Aschbacher solche Arbeiten abgeben? Hat sie das denn selbst nicht gelesen? Und wer hat das abgenommen? Die Arbeiten wurden gut benotet, schrammen aber am Nonsens vorbei. Da stellt sich nicht nur die Frage nach der Redlichkeit jener, die diese Arbeiten unter ihrem Namen abgegeben hat, sondern auch nach der Seriosität jener Institute, die diese Arbeiten nicht nur akzeptiert, sondern auch für gut befunden hatten. In dem einen Fall war das eine Fachhochschule in Wiener Neustadt, im anderen eine Universität in Bratislava. Wie leicht und unter welchen günstigen Umständen kann man zu einem akademischen Titel kommen? Mit Leistung jedenfalls nicht.

Klebende Seepocken

Dass Aschbacher nach Bekanntwerden durch den Kakao gezogen wurde und wird, das muss sie aushalten. Sie hat diese Arbeiten zu verantworten. Dass sie im Abgang den Medien die Schuld zuschiebt und eine Bedrohung konstruiert, zeugt nicht von Größe, Souveränität oder gar Einsicht. Kann man in dieser Situation vielleicht auch nicht erwarten. Sie muss jetzt mit der Peinlichkeit dieser Affäre leben. Schwer genug. Das ist, wie wenn Seepocken an dir kleben. (Michael Völker, 10.1.2021)