Kanzler Sebastian Kurz

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Der islamistische Terroranschlag im Herbst und die Corona-Krise haben etwas gemeinsam: Sie offenbaren einen überforderten Verwaltungsapparat. Hätte das BVT, gelähmt durch Intrigen, die Warnungen vor dem Attentäter nicht ignoriert, wäre der Anschlag sehr wahrscheinlich verhindert worden. Auch das staatliche Versagen im Pandemiemanagement lässt sich nicht kleinreden. Zwei Ministerien berichten täglich zu Fallzahlen, als wären sie in Kakanien, Impfstrategien fehlen genauso wie im Herbst ein effizientes Contact-Tracing, Legistik und Digitalisierung hinken hinterher, Unternehmer warten auf Auszahlungen, und strategisches Vorausplanen scheint inexistent.

Die Chefredakteurin einer Tageszeitung jammerte deshalb vor ein paar Tagen über eine "Verwaltung von vorgestern". Was sie und andere bei ihrer Kritik ignorieren: Die Ineffizienz des Systems, die uns in der aktuellen Krisensituation viel Geld und – noch viel schlimmer – Menschenleben kostet, liegt an der Politisierung des Staatsdienstes.

Bundesverwaltung als reiner Befehlsempfänger

Seit Jahren degradiert die Politik die Bundesverwaltung zum reinen Befehlsempfänger. Immer größere Ministerkabinette betreiben ineffizientes Micromanagement, anstatt Strategiearbeit zu leisten. Kanzler Sebastian Kurz hat dieses System auf die Spitze getrieben. Weder er noch sein Umfeld können sich Verwaltung als agile und zukunftsweisende Netzwerkorganisation vorstellen. "Change-Management" heißt, die Macht zu festigen, und "systemische Organisationsentwicklung" ist ein Fremdwort. In Parallelaktionen werden staatliche Thinktanks gegründet und sollen einen Anschein von Innovation erwecken.

Hatten schon die Großkoalitionäre die schlechte Angewohnheit, Spitzenpositionen in der Verwaltung mit den ihren zu besetzen, ging Kurz noch weiter und betrieb die Einfärbung bis in die Abteilungsleiter- und Fachreferentenebene. Organisationsreformen haben kein funktionales Ziel. Der Umbau der staatlichen Versicherungsträger oder im Gesundheitsressort unter der FPÖ fallen uns jetzt auf den Kopf.

Wie sollen Beamte und Beamtinnen sinnvoll handeln können, wenn im Jahresrhythmus die Vorgesetzten wechseln? Wie sollen sie motiviert sein, wenn die wichtigsten Führungspositionen durch oft inkompetente Parteikader besetzt werden?

Demografischer Wandel als Herausforderung

Strategische Herausforderungen wie der demografische Wandel werden ignoriert. Im Zeitraum zwischen 2014 und 2024 wird die Hälfte der Beamtenschaft in Pension gegangen sein. Über Jahre galt ein Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst, und talentierter Nachwuchs ging woanders hin. Mit Verwaltungsinnovation beschäftigen sich überhaupt nur ein paar Idealisten. Mit dem Thema gewinnen wir keine Wahlen, meinen die politischen Spindoktoren, und keine Leser, die Journalisten.

In der Pandemie dämmert uns schön langsam, welche Auswirkungen das Missmanagement der Verwaltung auf unser Leben hat. Doch auch wenn der Kanzler noch so viele Machtworte spricht, es gibt keine schnellen Lösungen. Jetzt heißt es Blindflug: Augen zu und durch.

Die übliche Suada über ineffizientes Beamtentum wird uns danach nicht weiterbringen. Fordern wir eine Staatsreform, die ihren Namen verdient. Die Entpolitisierung der Verwaltung muss dabei oberste Priorität haben! (Philippe Narval, 10.1.2021)