Als Folge der Covid-19-Massenimpfungen wird auch die Zahl der Nebenwirkungsmeldungen stark zunehmen – ob berechtigt oder nicht.

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Mit dem Startschuss für die Impfung gegen Covid-19 in Österreich beginnt eine beispiellose Impfkampagne. Noch nie wurde die Zulassung eines Arzneimittels von der Bevölkerung so beobachtet und darüber in den Nachrichten so regelmäßig berichtet.

Die Öffentlichkeit beschäftigt sich plötzlich mit klinischen Studien, Zulassungsverfahren und Arzneimittellogistik. Aber was kommt danach, wenn die ersten Millionen Menschen innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeit geimpft werden? Welche Herausforderungen sind noch zu bewältigen?

Angesichts der begrenzten Langzeitdaten zum Zeitpunkt der Zulassung der bisherigen Impfstoffe und angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Impfung ausgerollt wird, ist davon auszugehen, dass die bevorstehenden Massenimpfprogramme gegen Covid-19 zu einer signifikanten Zunahme von Nebenwirkungsmeldungen führen werden.

Hinzu kommt, dass eine intensive Berichterstattung über mögliche Impfreaktionen nachweislich den Effekt hat, dass unerwünschte Ereignisse wie Kopfschmerzen, Fieber oder Übelkeit weitaus häufiger gemeldet werden, als das üblicherweise der Fall wäre.

Da die Massenimpfung einer exponentiellen Kurve folgen wird, bei der eine riesige Anzahl von Personen gleichzeitig geimpft wird, werden mögliche Impfreaktionen und Nebenwirkungen auftreten, unabhängig davon, ob sie kausal oder zufällig mit einem bestimmten Impfstoff in Verbindung stehen.

Die Vorbereitung auf dieses Szenario, um eine rechtzeitige Auswertung und Weitergabe von Informationen über Impfreaktionen und Nebenwirkungen an die Hersteller der Impfungen zu ermöglichen, wird auch für die öffentliche Gesundheit entscheidend sein.

Prozedere für Meldungen

Es gibt im Bereich Arzneimittelsicherheit bereits detaillierte Regelungen auf österreichischer und EU-Ebene sowie ein für Nebenwirkungsmeldungen vorgesehenes Prozedere, und zwar sowohl bei den Unternehmen als auch bei den niedergelassenen Ärzten und den Behörden.

Selbstverständlich sind aber die behördlichen und unternehmensinternen Abläufe und das hierfür vorgesehene Personal nicht auf die kurzfristige Abgabe eines Impfstoffs an Millionen Menschen und die damit einhergehende Datenflut ausgelegt. Dieser Umstand wird in der weiteren Planung hoffentlich nicht unberücksichtigt bleiben, zumal die Hersteller und Arzneimittelbehörden aus diesen Daten wesentliche Erkenntnisse für den weiteren Einsatz der Impfung gewinnen werden.

Produkthaftung

Die Geschwindigkeit, mit der Covid-19-Behandlungen und -Impfungen derzeit entwickelt werden, verstärkt auch Bedenken der Öffentlichkeit hinsichtlich Produkthaftung. Die potenziellen Wechselwirkungen der Impfungen mit anderen Medikamenten bedeuten, dass auch andere Arzneimittelhersteller sich auf einen Anstieg von Nebenwirkungsmeldungen gefasst machen müssen.

Angesichts des Zeitdrucks und des starken öffentlichen und politischen Drucks, Impfungen möglichst schnell auf den Markt zu bringen, ist es unvermeidlich, dass Haftungsfragen entstehen werden. Geimpfte werden entweder den Impfhersteller oder andere Arzneimittelproduzenten für aufgetretene Symptome verantwortlich machen und Schadenersatz einfordern.

Schadenersatzzahlungen

Nun hat die EU in den Verträgen mit den Impfstoffherstellern offenbar zugesichert – die genaue Regelung ist öffentlich nicht bekannt –, einen Teil der im Rechtsweg gegen Impfstoffhersteller zugesprochenen Schadenersatzzahlungen zu übernehmen. Die EU fungiert hier gleichsam als Haftpflichtversicherer, die Impfstoffhersteller bleiben aber produkthaftungsrechtlich dem Patienten gegenüber für ihr Produkt haftbar.

Mit dieser Haftungserleichterung geht die EU also viel weniger weit als die USA, die den Impfstoffherstellern eine gänzliche Haftungsfreistellung zugesichert haben und somit eine Ausnahme zum Produkthaftungsrecht schufen.

Ob Schadenersatzklagen tatsächlich Aussichten auf Erfolg haben werden, wird davon abhängen, ob allfällige Nebenwirkungsmeldungen kausal auf eine Covid-Impfung zurückgeführt werden können. Angesichts der unsicheren wissenschaftlichen Lage dürften sich solche Verfahren in die Länge ziehen.

Datenflut erwartet

Um die unmittelbar bevorstehenden Herausforderungen zu meistern, müssen die Pharmaindustrie und die zuständigen Behörden ihre Arbeitsabläufe anpassen und Prozesse implementieren, um der erwarteten Datenflut aus Nebenwirkungsmeldungen Herr zu werden.

Nur so können diese Daten sofort für die Analyse zur Verfügung stehen und die prompte Weitergabe von daraus gewonnenen Erkenntnissen an Patienten, Vertreter des Gesundheitswesens und Aufsichtsbehörden sichergestellt werden. Diese Systeme schützen damit auch langfristig die Gesundheit der Patienten und fördern das Vertrauen der Öffentlichkeit in einen sicheren und effizienten Impfstoff – was auch die Impfwilligkeit der Bevölkerung stärken sollte. (Francine Brogyányi, 11.1.2021)