Muss sich Donald Trump erneut mit einem Impeachmentverfahren herumschlagen? Nur gegen drei Präsidenten – Andrew Johnson, Bill Clinton und eben Trump – wurde in der Geschichte der USA ein derartiges Verfahren durchgeführt, Richard Nixon kam dem Amtsenthebungsverfahren durch seinen Rücktritt zuvor. Geht es nach den Demokraten, wird der amtierende Präsident nun der erste sein, gegen den zweimal der Rauswurf angestrebt wird.

Der demokratische Kongressabgeordnete Ted Lieu erklärte am Wochenende, er erwarte eine Abstimmung über ein Impeachmentverfahren in der kommenden Woche. Zwar würden die Demokraten einen Rücktritt des Präsidenten oder die Einleitung der Amtsenthebung durch den Vizepräsidenten Mike Pence auf Basis des 25. Verfassungszusatzes bevorzugen, trotzdem soll am Montag im Repräsentantenhaus eine Resolution für das Impeachment eingebracht werden. Darin wird Trump "Anstiftung zum Aufruhr" zur Last gelegt: Er soll seine Anhänger dazu angestachelt haben, das Kapitol in Washington zu stürmen. Der Präsident sei "eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung, wenn er im Amt bleiben darf", wie es in dem Resolutionsentwurf heißt. Deswegen müsse er in Zukunft von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen bleiben.

Wenn es nach den Demokraten geht, endet Trumps Amtszeit bereits vor dem 20. Jänner.
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Zeit läuft ab

Das Verfahren können die Demokraten mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus in die Wege leiten. Für eine Amtsenthebung ist dann eine Zweidrittelmehrheit im Senat nötig. Es ist unsicher, ob ausreichend republikanische Abgeordnete den Vorstoß der Demokraten unterstützen würden. Am Sonntag forderte der republikanische Senator Pat Toomey den sofortigen Rücktritt von Trump, seine Parteikollegin Lisa Murkowski tat dies etwa bereits am Freitag. Senator Ben Sasse sagte CBS, er würde eine Anklage des Repräsentantenhauses "definitiv in Betracht ziehen".

Die Durchführung des Verfahrens bis zur Angelobung des neuen Präsidenten Joe Biden am 20. Jänner kann sich nicht ausgehen. Die nächste Sitzung des Senats ist für den 19. Jänner angesetzt, nach den geltenden Regeln könnte das Amtsenthebungsverfahren frühestens am Folgetag um 13 Uhr starten – zu diesem Zeitpunkt ist Biden bereits seit einer Stunde im Amt.

Während die Konsequenzen aus dem Sturm auf das Kapitol für Trump also noch nicht absehbar sind, geht die Justiz weiter gegen Beteiligte an dem Angriff auf das Parlamentsgebäude vor.

Zahlreiche Anklagen

Schon am Freitag waren 15 Angreifer angeklagt worden, am Samstag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass gegen drei weitere Personen Anklage erhoben wurde. Unter diesen befindet sich auch der Verschwörungstheoretiker und selbsternannte Schamane Jacob Anthony Chansley alias Jake Angeli, der mit Kuhhörnern, Kojotenfellmütze und tätowiertem Oberkörper schon bei vielen Protestkundgebungen als Blickfang für die Medien diente und es auf diverse Titelblätter weltweit schaffte.

Gegenüber dem FBI erklärte Chansley, er sei "der Bitte des Präsidenten an alle ‚Patrioten‘" gefolgt, am 6. Jänner nach Washington zu kommen. Ebenfalls angeklagt wurde der jüngst in das Parlament von West Virginia gewählte Abgeordnete Derrick Evans, der noch am Samstag seinen Rücktritt einreichte. Die Ausforschung der Verdächtigen stellt die ermittelnden Behörden vor keine großen Schwierigkeiten, streamten doch zahlreiche der Eindringlinge wie Evans ihre Vergehen selbst ins Internet. Am Sonntagabend berichtete die "New York Times", dass das FBI auch einen Mann festgenommen habe, der Kabelbinder ins Kapitol mitgebracht habe. Laut Ryan McCarthy, dem Secretary of the Army, wird in insgesamt 25 Fällen wegen Inlandsterrorismus ermittelt.

Einflussnahme in Georgia

Unterdessen soll Trump Berichten zufolge im Bundesstaat Georgia in einem weiteren Fall versucht haben, das Wahlergebnis zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Schon vor den Senatswahlen in Georgia vergangene Woche war bekannt geworden, dass Trump den für die Wahlen im Bundesstaat zuständigen Staatssekretär Brad Raffensperger per Telefon aufgefordert hatte, "Stimmen zu finden". Wie die Washington Post am Wochenende berichtete, hat auch sein für die Überprüfung der eingereichten Beschwerden zuständiger Chefermittler einen Anruf von Trump erhalten. Bereits Mitte Dezember soll er diesen aufgefordert haben, Beweise für Wahlbetrug zu finden, um so ein "Nationalheld" zu werden. (Michael Vosatka, 10.1.2021)