Schwer ist es, keine Satire zu schreiben, stellte der römische Satiriker Juvenal angesichts der von ihm kritisierten Zustände vor fast 2.000 Jahren fest. Schaut man sich aber an, was bisweilen unter dem Deckmantel "Satire" veröffentlicht wird, so wird auch klar, dass es umgekehrt gar nicht leicht ist, eine Satire zu schreiben – vorausgesetzt, man will das überhaupt, und nicht bloß einfach beschimpfen. Wie dies etwa ein "freiheitlicher Patriot" tat, als er zu einem Foto der damaligen Grünen-Chefin Eva Glawischnig den Text postete: "Schutzsuchende müssen das Recht haben, auf Mädchen loszugehen! Alles andere wäre rassistisch Flüchtlingen gegenüber – Ihr kann diese Aussage zugetraut werden."

Zwei Gerichte, zwei Sichtweisen: wegen übler Nachrede freigesprochen (Argument: "Satire", "ironischer Kommentar", vom OGH in der Folge als verfehlt bezeichnet, der aber den Freispruch nicht mehr abändern konnte), im Verfahren wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild (im Zusammenhang mit dem Text) aber verurteilt (für diese Herabsetzung lag kein ausreichendes Tatsachensubstrat vor, die Äußerung war menschenverachtend und rassistisch).

Böhmermanns Gedicht

Schlagzeilen machte der Satiriker Jan Böhmermann mit seinem Erdoğan-Gedicht, in dem es über den türkischen Präsidenten unter anderem hieß: "Er ist der Mann, der Mädchen schlägt, und dabei Gummimasken trägt. Am liebsten mag er Ziegen ficken, und Minderheiten unterdrücken, Kurden treten, Christen hauen, und dabei Kinderpornos schauen", weiter ging es mit "Fellatio mit hundert Schafen", "Präsident mit kleinem Schwanz", "schwul, pervers, verlaust und zoophil".

Erdoğan beantragte eine einstweilige Verfügung, letztlich wurden 18 von 24 Zeilen verboten. Die Staatsanwaltschaft Hamburg nahm zunächst Ermittlungen wegen der damals noch geltenden Strafbestimmungen für Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter auf, stellte diese dann jedoch ein, da eine Karikatur oder Satire keine Beleidigung sei, sofern "die Überzeichnung menschlicher Schwächen keine ernsthafte Herabwürdigung der Person" enthalte. Na ja. Konnte man wohl auch anders sehen, Ungustl hin oder her. Was ist denn nun Satire?

"Satire ist eine Form des künstlerischen Ausdrucks und der gesellschaftlichen Kommentierung, welche durch die sie charakterisierende Übertreibung und Verzerrung der Realität naturgemäß darauf abzielt zu provozieren und zu bewegen. Satirische Beiträge können eine wichtige Rolle für den freien Diskurs von Fragen von allgemeinem Interesse spielen, ohne den es keine demokratische Gesellschaft gäbe." So definiert es der Menschenrechtsgerichtshof (EGMR).

Böhmermann selbst hatte erklärt: "Ich habe versucht, meinen Zuschauern anhand einer knapp vierminütigen satirischen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst und Meinungsfreiheit schert." Ich konnte allerdings nicht sehen, wo hier der Kontext gewesen wäre, aus dem man eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik des türkischen Präsidenten erkennen hätte können. So meinte auch der BGH-Richter Thomas Fischer – allerdings als Kolumnist und nicht in der Richterrobe: "Weder ging es um politische Gewalttaten noch um Korruption noch um Völkermord noch um dessen Leugnung noch um Rechtsbeugung, Nötigung oder Menschenrechtsverbrechen. Es ging ums Ficken hilfloser Ziegen. Damit verfehlte unser Komiker schon im Ansatz jene Ebene, die er angeblich meinte, und derer er sich rühmt."

Böhmermanns Gedicht sorgte sogar für politischen Zwist zwischen Deutschland und der Türkei.
Foto: APA/dpa/Sven Hoppe

Ist das Satire?

Wäre die Juristerei eine Naturwissenschaft, täten sich die Richter leichter. So aber geht es oft um Wertungen – Wertungen des Gesetzgebers, die das Gericht im Einzelfall nachvollziehen muss. Machen wir einen kleinen Test. Wie würden Sie die folgenden Fälle beurteilen:

Eine Parodie auf die Jägermeister-Werbung: "Ich trinke Jägermeister, weil mein Dealer zur Zeit im Knast sitzt", mit dem Bild eines Kindes, das sich genüsslich ein Stamperl Kräuterlikör einschenkt.

Im Nationalratswahlkampf 1995 plakatierte die SPÖ ein Bild des Bundeskanzlers Vranitzky, dessen Text mit den Worten begann: "Ich werde dafür sorgen, daß …". Ein politisches Magazin persiflierte diese Werbung, indem es dieses Erscheinungsbild der Plakate, einschließlich Vranitzky-Foto, kopierte, aber einen anderen Text einsetzte: "Ich werde dafür sorgen, daß mir niemand meine Fünf-Millionen-Pension wegnimmt. Meine Hobbys sind sehr teuer. Ich reise gern. Auch meine Frau stellt hohe Ansprüche an mich. Sparen ist ja gut und schön. Aber man muß dabei sozial gerecht vorgehen. Daher werde ich nicht zulassen, daß ich mir das Golfspielen nicht mehr leisten kann."

"Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden. Das ist der ORF", wobei das äußere Erscheinungsbild der damals laufenden ORF-Werbung übernommen wurde, mit dem Bild von Armin Wolf, in dessen Hände allerdings ein Pinocchio-Bild eingeblendet wurde.

Und?

Zu Beispiel 1: Das war in den 1980er-Jahren, und die Richterin kannte kein Pardon mit der Satire-Zeitschrift "Pardon": Kritik dürfe nicht so weit gehen, dass der Klägerin (der Jägermeister-Produzentin) diffamierende Handlungsweisen und Äußerungen unterschoben werden. Heute würde das wohl anders beurteilt werden.

Zu Beispiel 2: Vranitzky klagte wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild – letztlich erfolglos. Das Bild selbst war nicht entstellend; von der Zeitschrift war bekannt, dass sie der SPÖ nicht nahesteht, es sich also nicht um ein Inserat der SPÖ handeln konnte, sondern um eine Persiflage der SPÖ-Wahlwerbung. Als Spitzenkandidat musste Vranitzky sich diese Art der Kritik seiner Wahlkampfaussagen gefallen lassen.

Zu Beispiel 3: Das Posting war 2018 auf der Facebook-Seite von H.-C. Strache erschienen. Der ORF griff zum einfachsten Mittel, dem Urheberrecht – schließlich gehörte ihm das Foto von Armin Wolf. Er ging aber auch (erfolgreich) medienrechtlich gegen Strache vor, denn das war schlicht üble Nachrede und keine Satire (auch wenn es einen für den ORF durchaus peinlichen Anlassfall gab, bei dem ein Redakteur ein Interview verfälschend zusammengeschnitten hatte). (Thomas Höhne, 14.1.2021)