Parler ist offline.

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Am Ende ging es dann schnell. Nachdem Google und Apple über das Wochenende Parler aus ihren App Stores geworfen hatten, folgte der finale Schlag von Amazon: Am Montagvormittag wurde Parler aus der Cloud der Amazon Web Services geworfen. Der Kurznachrichtendienst ist seitdem nicht mehr erreichbar. Und daran dürfte sich so schnell auch nichts ändern.

Komplette Blockade

Gab sich Parler-Chef John Matze vor wenigen Tagen noch kämpferisch, scheint nun Resignation eingetreten zu sein. In einem aktuellen Interview mit Fox News beklagte er jedenfalls, dass Parler von sämtlichen Partnern auf einmal fallen gelassen wurde, der Bann also weit über Apple, Amazon und Google hinausgeht. "Jeder Anbieter, vom Textnachrichtendienst bis zum E-Mail-Provider unserer Anwälte, hat uns am selben Tag hinausgeworfen."

Kein Anschluss unter dieser Nummer.
Screenshot: Redaktion

Eine Entwicklung, die angesichts der Ereignisse der vergangenen Tage nicht ganz überraschend kommt, spielte Parler doch eine wichtige Rolle bei der Kommunikation der Angreifer auf das US-Kapitol. Gleichzeitig weigerten sich die Betreiber lange, selbst offene Gewalt- und Mordaufrufe zu entfernen – dies mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit. Gerade angesichts dessen, dass auf Parler bereits wieder zu einem neuen Sturm auf die Inauguration von Joe Biden zum nächsten US-Präsidenten aufgerufen wurde, entschlossen sich die IT-Riesen nun also zum Handeln.

Hintergrund

Parler ist im Jahr 2018 mit dem Anspruch angetreten, eine Diskussionsplattform für Vertreter einer uneingeschränkten Form der Meinungsfreiheit zu bieten. In der Realität tummelten sich hier recht schnell vor allem User aus dem rechtsextremen Eck, die für ihre Aussagen von Twitter verbannt worden waren. In den vergangenen Monaten kamen hierzu aber zunehmend auch stramm rechtskonservative Vertreter der republikanischen Partei wie der texanische Senator Ted Cruz. Einen weiteren Boom bescherte die finanzielle Unterstützung durch Rebekah Mercer, Tochter des Hedgefonds-Milliardärs Robert Mercer.

Wohl für länger offline

All das könnte nun aber sein Ende gefunden haben, die weitere Zukunft sieht jedenfalls nicht gerade rosig aus. Hatte Parler-Chef Matze noch vor einigen Tagen von einem Ausfall von mindestens einer Woche gesprochen, halten Experten diese Schätzung für äußerst optimistisch. Das liegt einerseits an technischen Hürden. Eine Plattform, die vollständig mit den Amazon Web Services integriert ist, stellt man nicht so schnell auf neue Beine. Zumal andere Cloud-Anbieter wie Google oder Microsoft sich hüten werden, auch nur in die Nähe von Parler zu kommen.

Der Aufbau eigener Rechenzentren wäre aber wiederum ein äußerst kostspieliger und langwieriger Akt – vor allem für einen Service, bei dem es keinen klaren Pfad zu einer Monetarisierung gibt. Selbst das wesentlich weniger umstrittene Twitter kämpft bis heute mit einem funktionstüchtigen Geschäftsmodell. Ein Ausweichen ins Ausland würde wiederum alle möglichen rechtlichen Fragen nach sich ziehen. Selbst wenn man ignoriert, dass wohl auch hier viele Anbieter eine Kooperation ablehnen würden. Bliebe noch ein Gang zu chinesischen oder russischen Providern – spätestens hier wäre dann aber wohl der Punkt gekommen, wo sich die Finanziers verabschieden.

Datensammlung für die Nachwelt

Als wäre das alles noch nicht schlimm genug für die Betreiber, ist Hackern offenbar in den letzten Stunden noch ein großer Coup gelungen: Sie haben es geschafft, millionenfach neue Konten mit bei Parler anzulegen. Mit deren Hilfe konnten sie dann unbemerkt sämtliche Daten abgreifen – angeblich inklusive bereits gelöschter Postings. Dies ist insofern relevant, da Parler nach dem Sturm auf das Kapitol rasch einige der Beiträge entfernt hat. Wie sich nun herausstellt, wurden diese aber nur als "gelöscht" markiert, verblieben aber auf den Servern.

Der Vorfall nährt auch grundlegende Zweifel an den technischen Fähigkeiten der Parler-Betreiber. Immerhin war das massenhafte Abgreifen sämtlicher Postings nur deswegen so einfach, weil diese mit durchnummerierten IDs aufgerufen werden konnten – anstatt sie mit Zufallswerten zu versehen, wie es sicherer wäre. Auch an Originalfotos samt Metadaten ist man über diese schlecht gesicherten Schnittstellen gekommen, etwas das ebenfalls nicht möglich sein sollte. Die Angreifer betonen dabei, dass man diese Informationen archivieren will, um sie der Öffentlichkeit und damit auch den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung zu stellen.

Dass all das überhaupt möglich war, dürfte übrigens ebenfalls am Rückzug eines langjährigen Geschäftspartners liegen. So hatte Twilio, dessen Software zur Authentifizierung der Nutzer verwendet wurde, Parler bereits einige Stunden vor dem Aus durch Amazon seine Dienste abgedreht. Dadurch war es dann erst möglich, unbemerkt neue Konten in großer Zahl anzulegen. (Andreas Proschofsky, 11.1.2021)