Ab 1849 bis zu seinem Tod bewohnte Franz Grillparzer als "Zimmerherr" zwei Zimmer mit separatem Eingang in der geräumigen Wohnung der drei Schwestern Fröhlich im 4. Stock des Hauses Spiegelgasse 21 in der Inneren Stadt. Aus dieser Zeit stammt das der Nachwelt überlieferte Bild des grantigen alten Hofrats. Kaum zu glauben, dass dieser Hagestolz, der sich in der Novelle "Der arme Spielmann" einen "leidenschaftlichen Liebhaber der Menschen" nennt, ein besonders leidenschaftlicher Liebhaber des weiblichen Teils der Menschheit war. Er wurde von den schönsten und gescheitesten Frauen seiner Zeit umschwärmt. Auch im Alter verließen sie ihn nicht und besuchten den alten Herrn immer noch gerne, was ihn zum Verfassen eines selbstironischen Verses anregte:

Die Ähnlichkeit, die ich mit Christus habe:

die Weiber kommen zu meinem Grabe.

Nun, nicht nur zu seinem Grabe kamen die "Weiber", sie waren schon seit seiner Jugend gekommen. Von dreien dieser Frauen wird hier berichtet.

Charlotte

Der am 15. Jänner 1791 geborene Grillparzer begann schon als Jugendlicher zu schreiben, seine beiden ersten aufgeführten Stücke, "Die Ahnfrau" (1816) und "Sappho" (1818), waren beachtliche Erfolge, die ihn auch außerhalb Österreichs bekannt machten. In den frühen Zwanzigerjahren begann er mit der Arbeit an der Trilogie "Das goldene Vlies". Zur Gestaltung der Medea hatte ihn Charlotte von Paumgartten, die Frau seines Cousins, inspiriert, mit der ihn ein Liebesverhältnis verband. Sie hatten einander schon lange gekannt, aber als der Funke übersprang, war sie bereits verheiratet und Mutter. Seine Leidenschaft drückt er – wie sollte es anders sein – lyrisch aus:

Auf die Hände küsst die Achtung,

Freundschaft auf die offne Stirn,

auf die Wange Wohlgefallen,

sel´ge Liebe auf den Mund;

aufs geschloßne Aug die Sehnsucht,

in die hohle Hand Verlangen,

Arm und Nacken die Begierde:

Überall sonst die Raserei!

Diese heftige Liebschaft wurde jäh beendet, als die Mutter Grillparzers 1819 in einem Anfall von Schwermut Suizid beging. Mit ihr hatte er nach dem Tod des Vaters zusammengelebt, sie bezeichnete er immer als seinen Schutzengel. Eine tiefe Depression überfiel ihn, auf den Rat des Arztes hin trat er zur Ablenkung eine Reise nach Italien an. Als er nach halbjähriger Abwesenheit zurückkam, wollte er die Arbeit am "Goldenen Vlies" fortführen, aber es fehlte ihm der Antrieb. Erst als er die Beziehung zu Charlotte wieder aufnahm, wurde das Drama fertig. Medea ist eine seiner stärksten Frauenfiguren, Jason dagegen als Schwächling gezeichnet. Die Premiere der Trilogie, besonders Medea, wurde 1821 ein großer Erfolg.

Grillparzer litt unter der Beziehung zu Charlotte: einerseits, weil er den Cousin betrog, andrerseits, weil er die Geliebte mit ihm teilen musste. Seine niedergedrückte Stimmung verstärkte sich, als sich der Premierenerfolg des Vlieses nicht wiederholte. Vielleicht gab er Charlotte die Schuld, vielleicht hatte er schon Kathi kennengelernt, jedenfalls brach er abrupt mit Charlotte.

Leb wohl, Geliebte! Ich muß scheiden;

Es treibt mich fort in Angst und Qual,

fort von der Wohnstatt meiner Freuden,

fort von dem Weibe meiner Wahl

Er sah sie erst sechs Jahre später auf ihrem Sterbebett wieder. In seinem Tagebuch klagte er sich an, an ihrem Tod mitschuldig zu sein, bemerkte aber gleichzeitig, dass ihn das Ganze seelisch nicht sonderlich angreife. "Es sind zwei Seelen in mir. Die eine ist empört, daß die andere unempfindlich ist."

Kathi

1820 oder 1821 traf Grillparzer im Palais Caprara-Geymüller die Schwestern Fröhlich. Drei von ihnen waren Sängerinnen, die mit Gesangsvorträgen und Musikunterricht ihren Lebensunterhalt verdienten, in die vierte, Katharina "Kathi", eine hübsche 20-Jährige, verliebte sich Grillparzer, und sie betete ihn an. Besonders ihre Augen hatten es ihm angetan:

Wo ich bin, fern und nah,

stehen zwei Augen da,

dunkelhell,

blitzesschnell,

schimmernd wie Felsenquell,

schattenumkränzt.

Sie wurden von der tratschsüchtigen Wiener Gesellschaft genau beobachtet und galten als ideales Paar, sie verkehrten gemeinsam in den schöngeistigen Kreisen des Biedermeier, dem Franz Schubert, Moritz von Schwind, Eduard von Bauernfeld und viele andere Künstler angehörten. Grillparzer schrieb in dieser Zeit "König Ottokars Glück und Ende", er verewigte Kathi in einer Szene, in der sie sich König Rudolf als "Katharina Fröhlich, Bürgerkind aus Wien" vorstellt.

Sie versuchte immer, ihm alles recht zu machen, dennoch fand er sie nach einer Zeit rechthaberisch. Er nahm für sich in Anspruch, mit anderen Frauen zu poussieren, plagte sie aber – grundlos – mit seiner Eifersucht, die ihn immer wieder überfiel und die er seinen Dämon nannte: "Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft."

Kathi Fröhlich, 23-jährig, 1823.
Foto: Public Domain

Die Verlobung hielt nicht. Grillparzer graute vor dem Gedanken, dass jemand unaufgefordert in sein Zimmer kommen könnte, und vollends vor der Vorstellung, dass man sich womöglich voreinander waschen würde. Er zog sich zurück, die "unempfindliche Seele" behielt die Oberhand. 1822 schrieb er ihr: "Leb wohl, liebe Kathi und erinnere dich manchmal dessen, der auch dich nie vergessen wird." Sie wurde sehr häufig erinnert, da sie auch weiterhin gesellschaftlich in Verbindung blieben. Doch Kathi war eine ausdauernde Liebende, und letztendlich entging er zwar der Ehe mit ihr, nahm aber ihre Fürsorge in Anspruch.

Marie

Der Himmel läßt in Tropfen sich hernieder,

Die Erde wallt in Düften ihm entgegen

Und, weich ausbreitend ihre matten Glieder,

Empfängt ihr Schoß den zeugungswarmen Regen.

Dieses Gedicht entstand aus der Begegnung mit Marie Smolk-Smolenitz. 1823 zog Grillparzer in eine Wohnung in der Ballgasse 4 und lernte die im gegenüber liegenden Haus wohnende Fünfzehnjährige kennen. Der wesentlich ältere Grillparzer stürzte sich mit der üblichen Leidenschaft in diese neue Liebe, allerdings war er nicht ihr einziger Verehrer. Jahrelang dauerte das Verhältnis, auch nachdem Marie seinen Freund, den Maler Moritz Daffinger, geheiratet hatte, hörte es nicht auf. Die Konstellation der Affäre mit Charlotte Paumgartten wiederholte sich.

Die Dreiecksbeziehung blieb nicht verborgen, und die Wiener Tratscheria, die natürlich alles aufmerksam verfolgte, war überzeugt, dass das Kind aus dieser Ehe die Tochter des Dichters war. Grillparzer war von Marie besessen, er sah in ihr das "Weib als solches", und seine Rahel aus der "Jüdin von Toledo" trägt viele ihrer Züge.

Erst in den frühen Dreißigerjahren – es gab andere Liebhaber, und in der Ehe der Daffingers kriselte es – endete diese leidenschaftlichste und langlebigste unter Grillparzers Liebesbeziehungen.

Marie Smolk-Daffinger, 19-jährig, 1827.
Foto: Public Domain

Und wieder Kathi

1849 zog er in die Spiegelgasse zur den Schwestern Fröhlich. Bequem lebte Grillparzer sein eigenes Leben weiter, Kathi, die "ewige Braut", und ihre beiden unverheirateten Schwestern umsorgten ihn und nahmen ihm die alltäglichen Dinge ab. Er unternahm weiterhin Reisen und Kuren, bis er nach einem Unfall in seinen Siebzigern das Zimmer immer seltener verließ. Seine Besucherinnen, unter ihnen die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach und die Journalistin Betti Paoli, schwärmten von den anregenden Gesprächen und seinen oft scharfzüngigen Bemerkungen.

Grillparzer 50-jährig 1841, man beachte das Flinserl im linken Ohr!
Foto: Public Domain

Das rauschende Fest zum 80. Geburtstag Franz Grillparzers am 15. Jänner 1871 wurde vom Journalisten- und Schriftstellerverein Concordia, dessen Ehrenmitglied er war, ausgerichtet, der Jubilar mit Anerkennungen überschüttet und als österreichischer Nationaldichter gerühmt. Ein Jahr später starb er am 21. Jänner 1872 in der Wohnung der Schwestern Fröhlich, die er als seine Erbinnen eingesetzt hatte. Er wurde auf dem Währinger Friedhof begraben und nach dessen Auflassung in ein Ehrengrab auf dem Hietzinger Friedhof umgebettet.

Zum Schluss die gute Nachricht: Im 1. Bezirk ist die Grillparzerstraße nach dem Dichter benannt, am Ort seiner Geburt, Bauernmarkt Nr. 10, steht heute der Grillparzerhof. 1889 wurde ein Grillparzer-Denkmal von Carl Kundmann und Rudolf Weyr im Volksgarten enthüllt.

Die Schwestern Fröhlich übergaben den kompletten Nachlass Grillparzers der Stadt Wien. Sein Wohnzimmer in der Spiegelgasse wurde mit den Originalmöbeln im Wien-Museum nachgestaltet und wird hoffentlich nach der Neueröffnung des Museums wieder zu besichtigen sein.

Franz Grillparzers berufliche Wirkungsstätte, das Hofkammerarchiv in der Inneren Stadt, Johannesgasse 6, beherbergt heute das Literaturmuseum. Sein Arbeitszimmer, in dem er viele seiner Werke schrieb, ist dort unverändert erhalten. (Friederike Kraus, 15.1.2021)