Barbara Köhler, aus Sachsen stammend, studierte einst in Leipzig: Sie verband in ihrem Werk Wohlklang mit feministischer Kritik.

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Ihr Misstrauen gegenüber jeder Form von Großsprecherei verlieh Barbara Köhlers Texten den unüberhörbar skeptischen, gelegentlich bitteren Grundton. "Aber uns ist kein Schnabel gewachsen:", beginnt, unbarmherzig, dabei voller Schwung, der Zweizeiler "Vogelbild" aus Köhlers Gedichtband "Blue Box" (1995). Des Rätsels grausame Lösung folgt sofort: "wir reden, wie uns der Mund gestopft wurde."

Von der Knebelung durch Sprache handelt das Werk der ostdeutschen Autorin durchgängig. In der DDR absolvierte sie die symbolträchtige Ausbildung zur "Facharbeiterin für textile Flächenherstellung": Diese Kompetenz wurde ihr symbolisch hoch angerechnet, als sie Jahre später, etwa als Poetikdozentin in Wien (2016), das Textgewebe von Homers "Odyssee" unter die Lupe nahm. Köhler verwies mit Gespür für Verballhornungen und sprachliche Überbelichtungen auf das Schicksal Penelopes, die durch das allnächtliche Auftrennen des Brautgewandes sich der Zudringlichkeit durch die Freier erwehrt.

Im Widerspiel von Text und Textil demonstrierte Köhler ihr Modell dichterischer Praxis. Auf verspielte Weise feministisch, räumte sie sich selbst als "beobachtender Teil im System" das Mandat für Widerworte ein. Ihre Gedichte, Texte, Mobiles (etwa in "Wittgensteins Nichte", 1999) glichen Ortserkundungen, manchmal Verlustanzeigen: mit ihren "Wortgeschöpfen" als "Nichtmein".

Sogar zur Übermalung der inkriminierten Fassade an der Berliner Alice Salomon Hochschule trug sie etwas bei. Ihre temporäre Eugen-Gomringer-Korrektur – der alte Text schimmerte durch – war gewitzt: "WÜNSCHEN SIE IHNEN / BON DIA GOOD LUCK". Jetzt ist Barbara Köhler nach längerem Leiden 61-jährig in Duisburg gestorben. (Ronald Pohl, 11.1.2021)