Apps als Monitoring für mehr Gesundheit: Warum die Österreichische Gesundheitskasse zögerlich ist.

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Das Gesundheitssystem wird zunehmend digital, mehrere hunderttausend Apps versprechen gesundheitliche Vorteile für jene, die sie nutzen. Das Spektrum an Angeboten reicht von Pulsmessern oder Schrittzählern über digitale Erinnerungshilfen für die Einnahme von Medikamenten bis zu ärztlichen Diagnose-Tools, um etwa Melanome frühzeitig erkennen zu können. Manche sind gratis, je komplexer die Anwendung, desto eher ist für sie zu bezahlen.

In Österreich müssen Patienten zumindest einen Teil der Kosten selbst übernehmen. "Derzeit ist die alleinige Kostenübernahme von E-Health-Apps nicht im Leistungskatalog vorgesehen", heißt es vonseiten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Nach mehrmaligem Nachfragen kommt dann die Relativierung: "Wird die App jedoch im Rahmen eines Behandlungsgeschehens und somit als Teil einer Krankenbehandlung verwendet, so ist eine Abgeltung möglich." Ein Beispiel: Diabetes-Management, das nur in Kombination mit einer App funktionieren.

Mit Evidenz dahinter

Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) hat nun eine Studie veröffentlicht, die Kranken- und Gesundheitskassen eine Orientierung zur evidenzbasierten Beurteilung von Gesundheits-Apps bieten soll. Der Bericht zeigt, dass Länder wie Deutschland oder Großbritannien die Übernahme von Kosten für Gesundheits-Apps mitunter an den Nachweis ihrer Wirksamkeit koppeln. Die Entwickler digitaler Helferleins müssen je nach potenziellem Risiko den Nutzen ihrer Produkte mit Studien belegen. "In Österreich starten wir bei der Stunde Null", betont Studienleiterin Claudia Wild. Das heißt konkret: Es gibt noch keine Regelungen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit das öffentliche Gesundheitssystem etwaige Leistungen übernimmt.

Nicht unerheblich ist, wie riskant die Nutzung der Apps für die Gesundheit im schlimmsten Fall sein kann. "Zeigt der Schrittzähler zu wenig oder zu viele Schritte an, ist das weitgehend unproblematisch. Sollte aber eine App zur Kontrolle des Insulinspiegels fehlerhaft sein und dadurch zu viel Insulin zugeführt werden, kann das mitunter lebensgefährlich werden", gibt Claudia Wild zu bedenken. In solchen Fällen stellt sich auch die Frage, wer für die möglichen Schäden haftet. "Es ist derzeit völlig ungeregelt, ob Entwickler solcher Apps beziehungsweise der behandelnde Arzt zur Verantwortung gezogen werden können oder das Risiko gänzlich auf den Patienten abgewälzt wird", wie die Studienautorin betont.

Komplettes Neuland

Während für die Zulassung von Medikamenten ihre Wirksamkeit nachgewiesen werden muss und das Design beziehungsweise der Ablauf klinischer Studien streng überprüft wird, fehlt ein entsprechender Vorgang für Health-Apps derzeit komplett. "Weder national noch international gibt es abgestimmte und vereinheitlichte Kriterien, wie der Nutzen einer Health-App zu erheben und zu belegen ist", kritisiert Wild. In Europa gibt es aber zumindest zwei positive Ausnahmen: Deutschland und Großbritannien.

In Deutschland werden die Apps im Sinne der Medizinprodukteverordnung in Risikoklassen eingeteilt und ab Stufe IIb Nutzenbelege durch Studien verlangt. In dieser Kategorie sind medizinische Geräte wie Röntgenapparate, Blutbeutel, Defibrillatoren oder digitale Diabetesmanagementprogramme wie "mySugr" zu finden. Die deutschen Krankenkassen verlassen sich bei der Beurteilung und Einschätzung der Studien auf unabhängige Experten vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Kleiner Vorstoß

Laut AIHTA-Studie gilt die Vorgangsweise des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) ebenfalls als vorbildlich: Neben der Einteilung nach Risikoklassen werden hier auch konkrete Vorschläge für die Studiendesigns zur Überprüfung der Wirksamkeit gemacht. In Österreich wird der ÖGK zufolge "derzeit an einer Strategie gearbeitet, um Apps zu integrieren". Die gute Nachricht für die Entscheidungsträger: Eine Orientierungshilfe dafür gibt es mit der AIHTA-Studie bereits. (Günther Brandstetter, 13.1.2021)