Wie sieht er aus? Wie schaut er drein? Und vor allem: Was wird er aussagen? Am Montag wartet um 10:30 Uhr im Saal 106 des Wiener Straflandesgericht alles auf "Willi".

Wieder ein Prozesstag ohne Ergebnis: Die grüne Klubobfrau Maurer, hier mit Anwältin Windhager, Bierwirt und dessen Anwalt Hollaender, ist enttäuscht, dass sich ihr Verfahren wegen übler Nachrede so hinzieht.
Foto: Matthias Cremer

Der Bierwirt und Ankläger ist da, ebenso die Beklagte grüne Klubobfrau Sigrid Maurer sowie Richter, Anwälte und eine Schar an Medienleuten. Trotz ständig offener Fenster an diesem kalten Wintertag wegen der Corona-Pandemie ist die Stimmung im Saal aufgekratzt – wegen "Willi", dem einzig geladenen Zeugen für heute.

Doch schon wenige Minuten, nachdem Richter Hartwig Handsur die Verhandlung wiedereröffnet hat, platzt diese Botschaft in den Prozess hinein: "Willi" hat beim Landesgericht angerufen und wissen lassen, er könne wegen einer Krankheit nicht kommen.

Bangen und Hoffen

Was nun folgt, sind eineinhalb zähe Stunden zwischen Bangen und Hoffen, dass "Willi" doch noch auftaucht – und sie zeigen auch auf, wie der Rechtsstaat angesichts womöglich völlig unwilliger Zeugen an seine Grenze gerät.

Rückblick: Beim letzten Prozesstag im September 2020 hatte der Bierwirt völlig überraschend ein Bekennerschreiben seines Kunden und Freundes "Willi" vorgelegt, dass er es war, der die vulgären Privatnachrichten von Mai 2018 von dessen Account an die Grüne Sigrid Maurer, mittlerweile Klubobfrau, via Facebook abgesetzt habe. Seit sie die erhaltenen Obszönitäten samt Identität des Bierwirts geoutet hat, muss sich Maurer mit Prozessen wegen übler Nachrede und Co herumschlagen. Denn der Lokalbesitzer will die Botschaften nicht versandt haben, Gäste im Lokal hätten Zugang zu seinem PC gehabt. Was "Willi" betrifft, machte der Bierwirt bisher nur vage Angaben: Er sei um die 50, wohne in der Stromstraße.

In ihren Eingangsstatements wiederholen die Anwälte deshalb zunächst ihre jeweilige Rechtsansicht. Bierwirt-Advokat Adrian Hollaender pocht darauf, dass Maurer nach der öffentlichen Anprangerung seines Mandanten den Beweis zu erbringen habe, dass er die inkriminierten Zeilen tatsächlich verfasst hat. Maurer-Verteidigerin Maria Windhager erinnert daran, dass das Wiener Oberlandesgericht bei der Aufhebung des Ersturteils festgehalten habe, dass der Privatankläger nicht schlüssig habe darstellen können, dass er die obszönen Nachrichten eben nicht verfasst habe. Für sie ergibt sich dadurch, dass auch der Bierwirt "beweispflichtig" sei.

Kein Amtsarzt verfügbar

Kurz vor 10 Uhr unterbricht der Richter die Verhandlung für eine Viertelstunde – zur "Überprüfung des Krankenstands" von "Willi". Von einer Polizeiwachstube in der Nähe seiner Adresse werden Beamte losgeschickt. Auch einen Amtsarzt will Handsur noch aufbieten, um "Herrn W." eventuell vorführen zu lassen, für den Fall, dass er simuliert. Doch ohne Erfolg. Deswegen sollen die Polizisten "eine laienhafte Überprüfung" vornehmen, ob "Willi" wirklich krank ist. Aber auch das kann dauern.

Ab 11:15 Uhr prallen die verschiedenen Rechtsansichten der Streitparteien wegen eines Nebenschauplatzes der Causa "Bierwirt gegen Maurer" aneinander, weil die Politikerin ihren Privatankläger einst gegenüber einem Dritten als "Arschloch" bezeichnet hat – was bisher am Bezirksgericht Josefstadt verhandelt wurde.

Um 11:30 Uhr läutet das Telefon neben dem Richter. "Hallo, grüß Gott!", sagt der und lauscht. Dann teilt er dem Gerichtssaal mit, was die "polizeiliche Nachschau" bei "Willi" ergeben hat: "Die Tür sei nicht geöffnet worden. In der Wohnung sei es ruhig gewesen." "Eine Vorführung scheidet" für Handsur "somit aus", deswegen müsse erneut vertagt werden, erklärt er. Immerhin: Der Richter verhängt über "Willi" eine Buße in der Höhe von 400 Euro.

Fragwürdiges Schreiben

Maurers Anwältin Windhager beantragt noch die Verlesung eines Briefes, den der Bierwirt am 17.9.2020 dem Richter geschrieben habe. Darin soll davon die Schreibe sein, dass Maurer ihre Vorwürfe gegen ihn nicht beweisen könne, und: Daher sei sie "gefickt". Für Windhager zeigt sich damit, dass solche Worte seiner "laufenden Ausdrucksweise" entsprechen – und wohl nicht von "Willi" stammen.

Doch zur Verlesung dieser Zeilen kommt es nicht mehr. Ebenso wenig zu einer weiteren Befragung des Bierwirts, eine Aussage zu dem "Willi"-Wirbel schmettert Anwalt Hollaender erfolgreich ab – weil es nichts Verwertbares mehr auszusagen gebe.

Zuletzt wird um einen neuen Prozesstermin gerungen. Nach einigem Hin und Her wird es der 17. Februar. Obwohl für Maurer an dem Tag der Ministerrat anstünde, erklärt sie: Natürlich werde sie anwesend sein. (Nina Weißensteiner, 11.1.2021)

Zum Nachschauen: Diskussion mit Sigrid Maurer zur Causa: