Der ehemalige "Krone"-Kolumnist Richard Nimmerrichter 2011 inmitten seiner Kunstsammlung, die er dem Land Niederösterreich vermacht.

Foto: Foltin Windrich/Wirtschaftsblatt

Still ist es geworden rund um den ehemaligen Krone-Kolumnisten Richard Nimmerrichter, der zu Silvester 100 Jahre alt wurde. Den 80er hatte er mit einer Regierungsdelegation gefeiert, beim 90er waren noch Bauchtänzerinnen zugegen. Mitten in einer Pandemie blieb es beim Empfang einer Delegation seiner einstigen beruflichen Heimat.

Das Interview, in dem "die legendäre Stimme des Volkes" Bilanz zog, erschien am vierten Adventwochenende und gewährte den Lesern einen Blick in sein mit Kunstwerken förmlich tapeziertes Wohnzimmer. An die 120 Werke nennt Herr Nimmerrichter, der Kunstsammler, sein Eigen und offenbart damit eine andere, weniger geläufige Seite des Journalisten.

Empörung und Ergötzen

Als "Staberl" hatte er fast vier Jahrzehnte polemisiert und provoziert, sich dabei auch gerne rassistischer, fremdenfeindlicher oder antisemitischer Klischees bedient. Seine Kolumnen lieferten Stoff für Debatten, die einst am Stammtisch tobten und nun auf Social-Media-Kanälen ausgetragen werden.

Als volksnahen Beobachter, dem es genüge, sich aus dem Parterre seiner bodenständigen Überzeugungen zu lehnen, um die Weltlage zu beurteilen, beschrieb ihn die Literaturkritikerin und Publizistin Sigrid Löffler und nannte ihn "Hausmaster’s Voice".

Seine Zündeleien sorgten für Empörung und hielten zeitgleich eine Leserschaft bei Laune, die sich an seinen Brüskierungen ergötzte: "Habe ich den Hitler überlebt, werde ich auch den Präsidenten Gross von der Israelitischen Kultusgemeinde überleben."

Brachialkolumnist

Dass er auch den gezielten Massenmord der Nationalsozialisten verharmloste, sei erwähnt. Die Mehrheit der jüdischen Opfer sei – weil technisch unmöglich – nicht vergast, sondern "verhungert oder erschlagen worden", durch "Fleckfieber, Ruhr und Typhus umgekommen, erfroren oder an Entkräftung verstorben", resümierte der Brachialkolumnist 1992.

Als Nazi will er sich nicht bezeichnen lassen. Wer ihn in dieses Eck stelle, den bekämpfe er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, betont er im Gespräch mit dem STANDARD: "Bis zum heutigen Tag habe ich keine stärkere Emotion gehabt, als den Hass auf das Hitler-System". Eine thematisch zugehörige und sture Gesinnung lässt sich jedoch bei einem Problemfall in seiner Kunstsammlung nicht leugnen.

Als Kunstsammler gibt Nimmerrichter eher idyllischen Motiven des 19. Jahrhunderts den Vorzug: Werke aus der Zeit des Biedermeiers, namentlich von Rudolf und Jakob von Alt – oder auch von Friedrich Gauermann. Von Letzterem stellte Nimmerrichter für eine Gauermann-Retrospektive in der Kunsthalle Krems 2001 vier Gemälde als Leihgaben zur Verfügung.

Ein erwiesener Fall von Raubkunst: Friedrich Gauermanns "Rinder und Schafe am Wasser" (1859). Nimmerrichter hat das Gemälde 1994 auf einer Auktion erworben.
Foto: Repro Katalog 2001

Darunter jenes mit dem beschreibenden Titel Rinder und Schafe am Wasser von 1859, das noch 1938 in der Sammlung von Albert und Ella Benbassat beheimatet war. Der aus Rumänien gebürtige Bankier besaß zwei Miethäuser in Wien, eine Villa in Baden sowie eine respektable Kunstsammlung. Nach ihrer verfolgungsbedingten Flucht wurden die Vermögenswerte des Paares arisiert. Die Kunstwerke waren 1939 versteigert worden: im Dorotheum, wo besagtes Gauermann-Gemälde 55 Jahre später neuerlich im Auktionsangebot stand und es Richard Nimmerrichter im April 1994 erwarb.

Das Gastspiel in Krems bescherte ihm Post von einem Anwalt, der im Namen seines Mandanten eine Rückgabe verlangte. Eine Aufforderung, für die "Staberl" keine moralische Berechtigung sieht. Er habe "Verständnis für jüdische Opfer Hitlers", nicht aber "für die Söhne und schon gar nicht für die Enkel". Die "dritte Generation will Geld lukrieren", erklärte er 2006 im Profil-Interview.

Keine Rückgabe

Theoretisch könnte sich der Problemfall quasi von selbst lösen, da Nimmerrichter seine Sammlung dem Land Niederösterreich vermachen wird, wie jetzt öffentlich wurde. "Eine Schenkung auf den Todesfall", wenngleich es noch keine schriftliche Vereinbarung gebe, bestätigt Hermann Dikowitsch, der Leiter der zuständigen Kulturabteilung. Er wertet die Kollektion "von unglaublicher Qualität" als "tolle Erweiterung" für den Landesbestand. Provenienzforschung werde es selbstverständlich geben und allenfalls auch Restitutionen, zu denen man aufgrund des Kunstrückgabegesetzes verpflichtet ist.

Praktisch wird das im Falle des als Raubkunst erwiesenen Gauermann-Bildes aber nicht stattfinden. Denn Richard Nimmerrichter hat das Gemälde längst verschenkt, an einen Arzt, der ihn mal behandelte, wie er auf aktuelle Anfrage erklärt. (Olga Kronsteiner, 12.1.2021)