Nach einem teils schleppenden Start wird nun quer durch Europa gegen Corona geimpft – hier in Spanien. Die Furcht vor Virenmutationen stachelt den Ehrgeiz an.

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Wien/London – In Großbritannien, wo sich eine im Vergleich zum Ursprungserreger infektiösere Coronavirus-Mutation verbreitet, sollen so viele Menschen wie möglich so schnell wie möglich geimpft werden – und zwar fürs Erste nur ein- statt, wie von Experten vorgesehen, zweimal. Diese zweite Impfung soll erst in drei Monaten folgen. Es gehe aufgrund der Notsituation um den raschen Erwerb einer Grundimmunität von möglichst vielen Menschen, begründet das die Regierung. Ist eine solche Änderung der Impfordnung auch in Österreich denkbar?

Nur einmal impfen

Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass Großbritannien auch in dieser Frage wieder einmal einen Sonderweg beschreitet. Sowohl die US-amerikanische FDA wie auch die Ständige Impfkommission (Stiko) Deutschlands raten davon ab. Zum einen liegen für die beiden in der EU zugelassenen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna nur Daten vor, wenn die zweite Impfung zwischen drei und sechs Wochen nach der ersten erfolgte. Zum anderen erhöhe man bei einem längeren Zeitraum zwischen den beiden Impfungen theoretisch das Risiko, dass sich das Virus in noch nicht ausreichend immunisierten Personen gegen die Immunantwort immunisiert, gibt der Virologe und Impfstoffforscher Florian Krammer zu bedenken.

Beginn des Schutzes

Wissenschafter gehen davon aus, dass zehn bis 14 Tage nach der ersten Impfung mit einem der beiden zugelassenen Vakzinen von Biontech/ Pfizer oder Moderna ein Schutz von über 90 Prozent gegen eine schwere Covid-19-Infektion aufgebaut sein sollte. Man weiß aber nicht, wie lange dieser Schutz nach nur einer Dosis der mRNA-Impfstoffe anhält.

Grundsätzlich sollten sich auch geimpfte Personen vorerst noch an die Schutzmaßnahmen halten. Erstens bieten die Impfungen keinen 100-prozentigen Schutz, zweitens ist noch nicht klar, ob und wie sehr Geimpfte bei einer asymptomatischen Infektion Viren absondern können. Daten zu dieser wichtigen Frage werden freilich noch im Jänner erwartet.

Zum Astra-Zeneca-Vakzin

Der von der Uni Oxford und der schwedisch-britischen Firma Astra Zeneca entwickelte Impfstoff soll nun doch schon im Jänner auch in der EU zugelassen werden. Diesem Vakzin mit der Bezeichnung ChAdOx1 (oder kürzer: AZD1222) wird bei der globalen Bekämpfung der Corona-Pandemie eine Schlüsselrolle zukommen. Auch in Österreich sollen größere Mengen dieses Vakzins verimpft werden.

Die Wirksamkeit von AZD1222 beträgt nach den bisher vorliegenden Studien rund 70 Prozent und damit weniger als die rund 95 Prozent der mRNA-Vakzine. Ende Dezember kündigte Astra-Zeneca-Chef Pascal Soriot an, dass man aber eine Verabreichungsformel gefunden habe, die eine ähnlich hohe Wirksamkeit von rund 95 Prozent verspreche. Diese Studie ist aber noch nicht publiziert.

Wie gut ATD1222 genau wirke, könne nur im Vergleich mit den anderen Impfstoffen unter gleich angelegten Untersuchungssettings eruiert werden, sagt die Leiterin der Abteilung Impfwesen im Gesundheitsministerium, Maria Paulke-Korinek. Diese Settings gebe es bisher nicht. "Wenn ein Impfstoff eine europäische Zulassung bekommt, so können wir aber jedenfalls sicher sein, dass dieser hocheffektiv und sicher ist", sagt sie.

Impfungen und Mutationen

Laut einer vom US-Arzneimittelhersteller Pfizer durchgeführten Studie schützt der in Kooperation mit der deutschen Firma Biontech produzierte Impfstoff auch gegen die in Großbritannien und Südafrika grassierenden Coronavirus-Mutationen. Antikörper aus dem Blut von 20 geimpften Menschen wirkten zu 95 Prozent gegen 16 Mutationen.

Ob weitere Veränderungen am Viruserbgut die zugelassenen Vakzine unwirksam machen können, ist unklar – aber etwa laut dem Berliner Virologen Christian Drosten unwahrscheinlich. Dazu bräuchte es noch sehr viel stärkere Mutationen, die freilich nicht auszuschließen sind.

Genesene immunisieren

Eine weitere Frage, die sich bei der Impfstoffverteilung stellt, ist jene, ob auch Personen nach überstandener Infektion geimpft werden sollten. Zwar liegen nun neue Daten vor, dass die natürliche Immunabwehr nach einer Infektion vermutlich zumindest acht Monate anhält. Dennoch sollten sich wohl auch jene Menschen impfen lassen, die bereits infiziert waren. Von Florian Krammer kommt dazu eine neue Überlegung: Er geht davon aus, dass die Genesenen eigentlich nur noch einen "Booster", also nur die zweite Impfung, bräuchten. Aber bevor man das praktiziert, müsse man auch dazu Daten haben.

Laut Paulke-Korinek aus dem Gesundheitsministerium kann eine Impfung nach einer Infektion für maximal drei Monate ab Nachweis nach hinten verschoben werden.

Werbung für Impfung

Laut Umfragen ist in Österreich nur ein Viertel der Bevölkerung entschlossen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, ein weiteres Viertel ist strikt dagegen, rund die Hälfte unentschlossen. Um die Impfung populärer zu machen, starten die Bundesregierung und das Rote Kreuz die Initiative "Österreich impft". Im Jahr 2020 sei das Virus immer einen Schritt voraus gewesen, sagte der Infektiologe Herwig Kollaritsch am Montag bei deren Präsentation. Mit der Impfung würden die Karten jedoch neu gemischt werden. (Irene Brickner, Klaus Taschwer, 12.1.2021)