Das Modell verwendet ausschließlich Parameter, die ohnehin erhoben werden.

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Neue Erkenntnisse zur Vorhersage von Covid-19-Verläufen könnten die Gesundheitssysteme entlasten. Mediziner der Med-Uni Wien, der Wiener Klinik Favoriten, der Med-Uni Innsbruck, der Johannes-Kepler-Universität Linz und des Karolinska-Instituts in Stockholm haben ein mathematisches Modell entwickelt, das Patienten mit einem erwarteten günstigen Krankheitsverlauf identifiziert. Diese dürften so früher als bisher üblich aus Spitälern entlassen werden.

Spitalsärzte können ab sofort die bei ihren Patienten erhobenen Parameter in einen frei verfügbaren Online-Rechner eingeben und haben damit ein Werkzeug, das ihre Entscheidung über den Zeitpunkt einer möglichen Entlassung wesentlich unterstützt.

Das dem Tool zugrunde liegende mathematische Modell wurde von Stefan Heber vom Institut für Physiologie am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der Med-Uni Wien entwickelt. Es beruht auf wiederholten Messungen des Entzündungsmarkers "C-reaktives Protein", des die Nierenfunktion widerspiegelnden Markers "Kreatinin" sowie der Anzahl der Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut.

Kritische Phase

Während der Covid-19-Pandemie gehe es einerseits um die optimale individuelle Patientenversorgung, während andererseits ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems verhindert werden müsse, erläuterte die Med-Uni Wien in einer Aussendung. Oft komme es erst nach sieben bis zehn Tagen Krankheitsdauer zu einer drastischen Verschlechterung des Verlaufs. Um diese Phase zu berücksichtigen, würden Patienten auch bei einem vergleichsweise milden Krankheitsbild erst nach längerer Aufenthaltsdauer aus dem Krankenhaus entlassen, hieß es weiter. Die Behandlung von Covid-19 Patienten binde Ressourcen, die für andere hospitalisierte Personen dringend benötigt werden.

Das Modell wurde von einem Team von Wissenschaftern der Med-Uni Wien unter der Leitung von Alice Assinger vom Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie entwickelt und hat eine hohe Treffsicherheit. Das Besondere dieses Modells ist, dass es ausschließlich auf ohnehin in der klinischen Routine erhobenen Parametern beruht und somit keine technisch aufwendigen zusätzlichen Laborbestimmungen notwendig sind.

Verschiedene Parameter

Aus Ableitungen der Verläufe der erhobenen Parameter innerhalb der ersten vier Krankenhausaufenthaltstage kann zusammen mit zusätzlichen Parametern wie etwa dem Alter der Patienten sowie der Information zur Körpertemperatur bei Spitalsaufnahme ein günstiger Krankheitsverlauf vorhergesagt werden. "Dies funktioniert unabhängig davon, wie lange die Symptome vor Aufnahme ins Spital schon angedauert haben", erläuterte Heber.

Für die Entwicklung dieses ACCP-Tools (Age + C-reactive Protein + Creatinine + Platelet) wurden die Daten von 441 Patienten aus drei verschiedenen Zentren herangezogen und das entwickelte Modell anschließend anhand der Daten von 553 Patienten von drei weiteren unabhängigen Kohorten validiert.

"Wichtig für uns war, das ACCP-Tool möglichst rasch für die Anwendung in der klinischen Routine zur Verfügung zu stellen. Das Tool sollte dazu beitragen, die angespannte Situation des österreichischen Gesundheitssystems zu entlasten, bis eine adäquate Durchimpfungsrate der Bevölkerung erreicht ist", so Heber. (APA, red, 11.1.2021)