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"Das geht so nicht, Familien brauchen mehr Unterstützung!" Auf einen solchen Ausruf aus einem Familienministerium wartete man 2020 vergeblich.

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Gerade nach dem Jahr 2020 ist die Optik ärgerlich. Die Familienagenden müssen– jetzt, wo mit Martin Kocher ein neuer Arbeitsminister antrat – schnell woandershin. Kocher ist Ökonom, mit Familienpolitik hatte er beruflich bisher nichts am Hut. Deshalb wird er auch nicht Familienminister. Das ist eigentlich nur logisch. Oder?

Na ja, nicht ganz. Denn insbesondere bei Familien- und Frauenpolitik scheint es die weitverbreitete Annahme zu sein, dass es dafür keine Expertise und schon gar kein eigenes Ministerium brauche. Jedenfalls mussten "Familie und Jugend" rasch woanders unterkommen. Obdach fanden sie bei Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP). In Grunde hat Raab mit Frauen und Integration schon zwei riesige und schwierige Themenfelder. Muss man da wirklich noch Familienpolitik reinquetschen?

Familienpolitik muss wichtiger werden

Und wie steht es eigentlich um die in den letzten Tagen so viel zitierte Expertise? Bei Familien- und Frauenpolitik ist diese offensichtlich vernachlässigbar. Die vormalige Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hatte weder in ihrer Ausbildung noch in ihrer beruflichen Laufbahn irgendetwas mit Familienpolitik zu tun. Ebenso wenig Susanne Raab. Und das sollte uns mindestens so stören, wie es jetzt alle großartig finden, dass jemand das Arbeitsministerium übernimmt, der sich auskennt. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Gerade bei Themenfeldern wie Frauen- und Familienpolitik, um die harte ideologischen Kämpfe toben.

Dass gerade jetzt in der Corona-Krise mit den Familienagenden so schnoddrig umgegangen wird, ist deplatziert. Im vergangenen Jahr war die Organisation der Familienarbeit, der Kinderbetreuung und des Unterrichts besonders oft und besonders lange völlig unklar. Das ist kein Zufall. Familie wird viel zu wenig als etwas betrachtet, das in vielen Aspekten vom Staat unterstützt werden muss. Läuft etwas aus dem Ruder (für das Jahr 2020 ist das die Untertreibung des Jahrhunderts), sind Familien auf sich allein gestellt. Das haben Eltern 2020 bitter erfahren müssen: Ungewissheit, ob Homeschooling nötig ist oder die Schulen öffnen, Kindergartenleiter*innen, die selbst lange nicht wussten, wie tun – und diese Unsicherheit letztlich an Eltern weitgeben mussten.

Klarheit bei allem, was institutionalisierte Einrichtungen für Kinder betrifft, scheint keine Priorität zu haben. Gerade in diesen Tagen sind Eltern von Schulkindern wieder völlig im Ungewissen, ob der Präsenzunterricht erst nach den Semesterferien wieder losgeht oder womöglich doch am 18. Jänner. Es geht also wieder um Wochen! Wochen, in denen sie für ihre Kinder auch Lehrer*innen sein müssen.

Und das bringt uns direkt zum Arbeitsmarkt. Dort sind Männer und Frauen nicht präsent, wenn sie – noch dazu oft kurzfristig – den ganzen Tag ihre Kinder betreuen und unterrichten müssen. Die Kombination aus Arbeits- und Familienministerium war also keine schlechte. Wir alle müssen unbezahlte und bezahlte Arbeit leisten, beide Formen von Arbeit beeinflussen einander. Wer viel Familienarbeit leistet, wird in den meisten Fällen weniger Lohnarbeit leisten können.

Keine Zeit zum Aufschrei

Die unentgeltliche Familienarbeit wird bekanntlich zu einem größeren Teil von Frauen geleistet. Deshalb wäre es das Optimum, die Vereinbarkeit von bezahlter und unbezahlter Arbeit in einem Arbeitsministerium zu bearbeiten. Und deshalb ist es mehr als nur suboptimal, es mit dem Frauenministerium zusammenzuspannen. Familien- und Frauenpolitik haben viele Schnittflächen, das stimmt. Doch wir müssen die Herausforderungen und die ökonomischen Nachteile, die Elternschaft mit sich bringt, endlich fair auf alle Schultern verteilen. Wir müssen die Assoziationskette zwischen "Vereinbarkeit" und "Frauen" endlich sprengen.

Vereinbarkeit darf nicht mehr das Problem von Frauen sein, sondern eines von Arbeitgeber*innen ebenso wie von Vätern sowie des Staat. Deshalb muss Familienpolitik endlich wichtig genommen werden und jene vertreten, die jetzt nur schlichtweg keine Zeit haben, um aufzuschreien. (Beate Hausbichler, 13.1.2020)