Als Ernst Marischka, Regisseur und Drehbuchautor der Sissi-Trilogie, in den frühen 50ern das Team für sein großangelegtes Projekt zusammenstellte, war für Experimente nicht die richtige Zeit. So verpflichtete er vor allem bewährte Fachkräfte wie die legendäre Kostümbildnerin Gerda Iro-Gottstein (1906–2004), besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Gerdago. Von ihr stammen z. B. die Kleider aus Willi Forsts Maskerade mit Paula Wessely oder aus dem Hans-Moser-Klassiker Hallo Dienstmann.

"Die Gerdago hat den Sissi-Stil sehr ,verrüscht‘. Wenn man wo ein Rüscherl anbringen hat können, dann hat sie das gemacht. Wo ich drei Rüschen hingetan hätte, hat sie fünf hingetan. Aber das war halt der Stil der 50er-Jahre", erinnert sich die Kostümbildner-Doyenne Uli Fessler (Kronprinz Rudolf, La Bohème), die in ihrer Anfangszeit selber noch in der legendären Wiener Kostümwerkstatt Lambert Hofer Seite an Seite mit der Sissi-Designerin gearbeitet hat. Dort sind fast alle der Sissi-Kostüme entstanden.

Lambert Hofer, Kostümverleih und Kostümwerkstatt seit 1862, ist nach wie vor eine Wiener Institution, mittlerweile in vierter Generation geführt von Peter Hofer. Von hier stammen nicht nur Sissis Kleider, sondern fast die gesamte Ausstattung der Filme, inklusive die der Statisterie. "Wir haben in unserem Lager in Wien-Simmering einen gesicherten Raum, da werden die besonders wertvollen Kleider in speziellen Kleidersäcken aufbewahrt und nur für Ausstellungen herausgeholt."

Uniformjacken im Lager von Lambert Hofer.
Foto: Gini Brenner

Und extra für mich. "Wir haben die ältesten Schneiderpuppen genommen, die wir haben", erzählt Modistin Anita Pescosta, die mich mit enormem Fachwissen durch den riesigen Bauch der Kostümwerkstatt führt, "aber sogar die sind ein bisschen zu groß. Die Romy Schneider war wirklich sehr schmal damals."

Tee statt Grind

Ein besonderes Highlight ist das "Mulatschag-Kleid": ein weißer Tülltraum, den Romy Schneider in einer Filmszene im dritten Teil, Schicksalsjahre einer Kaiserin, trägt, in der sie den ungarischen Oberstleutnant Andrássy weiter einkocht. Spannend ist hier besonders die Materialwahl: Kurz nach Kriegsende war hochwertige Meterware knapp, es mangelte an Rohstoffen wie Verarbeitungsbetrieben. "Also wurde alles verwendet, was verfügbar war", erzählt Fessler. So wie beim Rock des Mulatschag-Kleides, bei dem auf meterweise Synthetiktüll in wochenlanger Handarbeit die teuersten Stickereien appliziert wurden. Fessler: "So was könnte man sich heute nicht mehr leisten. Aber genau dadurch, dass diese Stickereien auf diesen Stoffen appliziert wurden, sind sie heute überhaupt noch erhalten. Der Nylonstoff ist unkaputtbar."

Foto: Gini Brenner

Dass das prächtige Kleid mit den Strassapplikationen in ungarischen Nationalfarben auf dem Foto leicht vergilbt wirkt, liegt übrigens nicht am Grind der Jahrzehnte, sondern war durchaus gewollt: Reines Weiß konnten die Kameras der Zeit nicht verarbeiten, daher wurden die Stoffe für die Kostüme auf das sogenannte "Filmweiß" umgefärbt – oft mit Schwarztee, das war billig und brachte genau den gewünschten Farbton.

Rüschen, Nylontüll und teuerste Stickereien: das "Mulatschag-Kleid" aus "Sissi", Teil drei. Manche der Kleider wurden mit Schwarztee eingefärbt.
Foto: Gini Brenner

Seidenkleider

Bis heute greifen zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen auf Lambert Hofers riesigen Fundus zurück, der auf etwa 5.000 Quadratmetern auf vier Geschoßen gelagert wird. Wenn man für Mode auch nur das Geringste übrig hat, dann wird einem beim Rundgang zwischen Tausenden Laufmetern Seide, Wolle, Baumwolle und Synthetik ganz wurlert ums Herz – ein Schlaraffenland aus Material und Farbe. Auf den Kleiderbügeln in den endlos langen Gängen finden sich immer wieder Schätze aus der Filmgeschichte: "Das ist übrigens die Jacke von David Bennent aus Die Blechtrommel", sagt Frau Pescosta, als ich bei einem erstaunlich klein geschnittenen Uniformteil innehalte.

Ein Traum aus Material: Lager von Lambert Hofer.
Foto: Gini Brenner

Und das Geschäft mit dem Kostümverleih läuft nach wie vor? "Wegen Corona ist es natürlich ruhiger. Aber wir sind ja eine der wenigen Werkstätten, in denen noch große Mengen an historischen Kostümen vorhanden sind." Außerdem ist die Werkstatt für jeden Kundenwunsch zu haben: "Wir fertigen natürlich auch nach wie vor Kleidung an, auch für Privatpersonen."

Überhaupt, in der Ballsaison! Wie berechnet sich da der Preis? "Ganz klar nach Material und Arbeitszeit. Es ist ja alles Handarbeit. Aber so um 1.000 Euro sind Sie dabei, wenn’s nichts zu Aufwendiges ist." (Gini Brenner, 12.1.2021)