Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) am Dienstag, 23. Juni 2020, im Rahmen einer Pressekonferenz zum Thema "Aktuelles zu Standort und Beschäftigung" im Bundeskanzleramt in Wien. Zwei Tage später wurde eine Arbeit publiziert, gegen die nun Vorwürfe im Raum stehen.

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Immer mehr Vorwürfe werden gegen die ehemalige Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) laut. Aktuell berichtet der sogenannte Plagiatsjäger Stefan Weber auf seinem "Blog für wissenschaftliche Redlichkeit" von einem wissenschaftlichen Paper, das Mitte April, also zu Beginn der Coronavirus-Krise, eingereicht und während Aschbachers Amtszeit als Ministerin publiziert wurde. Es soll sich als "nahezu komplett paraphrasiertes Plagiat einer Internetquelle" erweisen.

Aschbacher selbst trat nach Plagiatsvorwürfen wegen ihrer Diplom- und ihrer Dissertationsarbeit zurück, betont aber, stets gründlich gearbeitet zu haben. Sie weist die Vorwürfe zurück und gab an, zurückzutreten, um ihre Familie zu schützen.

Ministeriumsadresse auf Seite eins

Das Paper, um das es nun geht, wurde laut Titelblatt am 15. April 2020 eingereicht, 13 Tage später wurde es akzeptiert und im Juni publiziert. Als Korrespondenzadresse für Aschbacher – eine von drei Autoren und Autorinnen der Arbeit – ist das Arbeitsministerium angegeben. Das Ministerium reagierte bislang nicht auf eine Anfrage des STANDARD von Dienstagvormittag. Auch von den ehemaligen Pressesprechern Aschbachers kam noch keine Rückmeldung, die ÖVP-Pressestelle will sich dazu nicht äußern.

Über Spannung und Kreativität

Das Original, das plagiiert worden sein soll, ist über ein digitales Archiv noch abrufbar. Darin heißt es etwa: "Dieser Konflikt wird zur Quelle für Spannung, Kreativität und den wachsenden Wunsch, sich weiterzuentwickeln." In der Arbeit, die Aschbacher und Kollegen in einem Research-Paper der Faculty of Materials, Science und Technology der Technischen Universität Bratislava publizierten, heißt es: "Der bereits erwähnte Konflikt ruft die Quellen Spannung und Kreativität hervor. Daraus ergibt sich der Wunsch, sich ständig weiterzuentwickeln." Die Originalquelle wird im Literaturverzeichnis unter "Internetquellen und übriges Informationsmaterial" angeführt, der Link führt allerdings zu einer Fehlermeldung.

Einer der beiden Co-Autoren des Papers, es trägt den Titel "Managertypen aus theoretischer Sicht", ist Aschbachers Dissertationsvater an der Technischen Universität Bratislava, an der Aschbacher auch ihr Doktoratsstudium abschloss. Verwiesen wird in der Kurzarbeit unter anderem auch auf eine Publikation des zweiten Co-Autors mit dem Titel: "Mitarbeitermotivation anhand der Winterbereifung".

Reihe an Vorwürfen und mehrere Prüfungen

Erst am Montag wurde nach Recherchen des STANDARD bekannt, dass es neben den Plagiatsvorwürfen auch Zweifel am Forschungsmaterial in Aschbachers Dissertation gibt. So sollen acht Führungskräfte von innovativen Unternehmen interviewt worden sein. Ein Unternehmenschef glaubt jedoch nicht, dass ein solches Interview in seinem Haus geführt worden sei. Ein anderes Interview hingegen wurde vermutlich geführt, der Interviewte ist jedoch bereits pensioniert und daher nicht erreichbar, gibt der Unternehmenschef an.

Der einzig Interviewte, der in der Arbeit namentlich genannt wird, ist der Coach und Unternehmensplaner Manfred Winterheller. Er gibt an, dass das Interview von Aschbacher geführt wurde. Winterheller hatte bei einem Event Philipp Maderthaner zu Gast, gibt dieser auf seiner Website an. Maderthaner, auch der "Kanzlermacher" genannt, arbeitete in der Vergangenheit als ÖVP-Berater, in einem Interview gab er an, Winterheller sei sein Mentor.

Die Dissertation Aschbachers wurde in der Slowakei abgegeben, auch gegen ihre Diplomarbeit an der FH Wiener Neustadt stehen Vorwürfe im Raum. Die Arbeit wurde 2006 eingereicht und mit "sehr Gut" bewertet. Das Kollegium der FH Wiener Neustadt trat am Montag zusammen, um ein Prüfverfahren zur Causa Aschbacher einzuleiten. Die slowakische Uni will die Dissertation ebenfalls prüfen. (elas, mue, 12.1.2021)