Sachbeschädigung, aufgenommen am Freitag, 1. Jänner 2021, im Bereich Reumannplatz in Wien.

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Dass es zum Jahreswechsel immer wieder zu polizeilich relevanten Vorfällen kommt, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Doch mehrere Faktoren spielten zusammen, dass die heurige Silvester-Randale in Favoriten für großes mediales und politisches Aufsehen sorgte: Es gab neben Sachschäden auch Angriffe auf Polizeibeamte, Involvierte – offenbar vor allem Jugendliche – sollen während der Aktion "Allahu akbar" gerufen haben, und das Ganze trug sich in Favoriten zu – einem Bezirk, auf den seit Monaten wegen vorhergehender Ausschreitungen die Scheinwerfer gerichtet sind. Seitens der Exekutive hieß es nach den Ausschreitungen, dass man verstärkt in Favoriten patrouilliere.

Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl lud als Reaktion auf die Vorfälle zu einem Sicherheitsgipfel, der Dienstagnachmittag stattfand. Geladen waren Vertreter der Stadt wie auch Deradikalisierungsexperten. Auch der Bezirksvorsteher Marcus Franz (SPÖ) nahm teil.

Fünf Personen in U-Haft

Dort wurden auch die bisherigen Ermittlungsergebnisse des Landeskriminalamts Wien präsentiert. Laut diesen gab es bei den Straftaten in der Silvesternacht "keine religiös oder politisch motivierten Tendenzen". Vielmehr wurden diese von Personen "mit gesteigerter krimineller Energie verübt", heißt es seitens der Polizei.

Insgesamt wurden 16 Personen, darunter die drei Rädelsführer, ausgeforscht. Fünf davon wurden festgenommen und in Untersuchungshaft genommen.

Es brauche einen "generellen gesellschaftspolitischen Kraftakt aller Akteure, um gemeinsam das harmonische und sichere Leben in unserer Stadt zu gewährleisten", heißt es vonseiten der Polizei. Künftig solle es seitens der Stadt Wien ein Pilotprojekt zur "noch engeren Vernetzung von Jugend-, Sozial- und Polizeiarbeit in Favoriten" geben. Die Polizeipräsenz solle zudem ausgebaut werden.

Und: Das Ziel, für "Ruhe und Sicherheit" zu sorgen, solle auch durch "die Installation einer stationären Videoanlage" auf dem Reumannplatz erreicht werden. Über die Forderung nach Videoüberwachung wurde bereits im Vorfeld diskutiert. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bezeichnete dies als denkbaren Weg. Seitens der Neos hieß es, unter "Einhaltung des Datenschutzes" sei das unter den gegebenen Umständen in Ordnung.

Zusammenhang offen

Offen bleibt vorerst, ob es einen personellen oder sonstigen Zusammenhang in irgendeiner Form zwischen den Vorfällen im Sommer (türkische Rechtsextreme griffen kurdische und linke Aktivisten an), jenen im Herbst (Randale in der Antonskirche) und jenen zu Silvester gibt.

"Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren", hieß es dazu seitens der Wiener Landespolizeidirektion am Montag. Zur Frage, ob von konkreten Vereinen oder Moscheen im islamistischen und türkisch-nationalistischen Milieu eine Gefahr ausgehe, könne man aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben.

Kritik von Franz

Bezirksvorsteher Franz zeigte sich nicht sonderlich zufrieden mit den Ergebnissen: "Der Gipfel war leider eine PR-Inszenierung. Es hat keine befriedigende Lösung für die nachhaltige Sicherheit der Favoritner und Favoritnerinnen gegeben. Auf die Forderung nach mehr Polizeiplanstellen für Favoriten wurden nicht eingegangen", heißt es in einem Statement, das dem STANDARD vorliegt.

Da die Vorfälle von Juni 2020 und die Ereignisse in der Antonskirche noch nicht restlos aufgeklärt seien, könne man noch nicht über den richtigen Lösungsansatz befinden: "Gibt es verbindende Elemente, oder sind es nur verwahrloste Jugendliche, die mit einem sozialen Angebot wieder auf die richtige Spur gebracht werden können?"

Forderung nach mehr Polizei

Seitens des Bezirks gibt es jedenfalls den Wunsch nach mehr Polizeiplanstellen sowie der Einführung sogenannter Kontaktbeamter, die Kontakt zur betreffenden jugendlichen Szene aufbauen. Auch die Neos fordern mehr Polizeibeamte für Favoriten.

Beamte der "Gemeinsam sicher"-Initiative, sogenannte Grätzl-Polizisten, stünden schon "in regelmäßigem Kontakt mit betreffenden Stellen und Bürgern", heißt es dazu von der Wiener Polizei. Zudem könne man mit den "vorhandenen Ressourcen die polizeiliche Grund- und Bedarfsversorgung in voller Hinsicht" gewährleisten. "Natürlich freut sich jede Polizei / jeder Bezirk über Personalzuwachs", heißt es weiter. Das Innenministerium habe auch zusätzliche Stellen geplant. Davon werde Wien sicher profitieren. Für die Sicherheit sei jedenfalls gesorgt.

Kritik von Opposition

Für Integrationsagenden zuständig ist seit der Bildung der neuen rot-pinken Koalition der Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos). Dort will man künftig verstärkt auf Bildung setzen: Es sei wichtig, im Kindergarten und der Schule anzusetzen und Radikalisierungen zu stoppen, heißt es aus Wiederkehrs Büro. Dieses Jahr soll deshalb ein Schwerpunkt gesetzt werden, wo "Eltern mehr in die Pflicht" genommen werden sollen. Der Austausch zwischen Eltern und Schule solle verbessert werden, etwa durch zusätzliche Elterngespräche oder den Elternsprechtag.

Nächste Woche wolle man zudem Neuerungen beim Netzwerk für Deradikalisierung vorstellen. Die Arbeit solle "intensiviert werden".

Für die Wiener ÖVP ist es "kein Zufall", dass solche Ausschreitungen in Favoriten passierten. Die Oppositionspartei kündigte eine Beantragung einer Sondersitzung des Bezirksparlaments an. Die FPÖ sieht im Sicherheitsgipfel eine "reine Farce". (Vanessa Gaigg, 12.1.2021)