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Durch die Verbrennung von Eisenpulver wird Wärmeenergie frei, die genutzt werden kann. Eisenpulver könnte künftig als nachhaltiger Energiespeicher fungieren,

Foto: Picturedesk.com / PhotoResearchers / Charles D. Winters

Wasserstoff wird vielfach als Wundermittel der Energiewende gehandelt. Erzeugt mittels klimafreundlichen Stroms, kann der Energieträger transportiert und gelagert werden, um ihn genau dann zu nutzen, wenn Bedarf besteht. Doch das Gas ist leicht flüchtig und entzündlich, was den Umgang erschwert.

Eine Alternative könnte Eisen sein. Mehrere Forscherteams ergründen, wie das Allerweltselement – es ist das vierthäufigste auf der Erde – zur Energiespeicherung genutzt werden könnte. Erste Versuche, darunter in einer Brauerei, sind vielversprechend. Am Ende könnte es gar den Kohlekraftwerken eine Renaissance ermöglichen, allerdings als klimafreundliche Variante.

"Iron fuel", wie es in der internationalen Fachsprache genannt wird, basiert auf zwei wichtigen chemischen Reaktionen, der Oxidation und der Reduktion. Ersteres ist nichts anderes als Verbrennung: Eisenpulver wird mit Sauerstoff gemischt und entzündet. Im Gegensatz zu einem einzelnen Eisenklumpen haben die unzähligen Partikel des Pulvers eine viel größere Oberfläche, auf der die Reaktion stabil ablaufen kann. Dabei wird viel Wärme frei, die genutzt werden kann.

Kreislauf

Übrig bleibt Eisenoxid, also Rost. Um daraus wieder frische Eisenpartikel zu machen, ist die Reduktion erforderlich. Dazu wird Wasserstoff durch das Eisenoxid geleitet. Er reagiert mit den Sauerstoffatomen im Eisenoxid und verbindet sich mit ihnen zu Wasser. Übrig bleibt Eisenpulver, das erneut verbrannt werden kann.

Wird der Wasserstoff mithilfe klimafreundlich erzeugten Stroms hergestellt, entsteht ein Kreislauf, bei dem das Eisenpulver als Energiespeicher fungiert. Auf diese Weise könnte der Strom- und Wärmebedarf im großen Stil gedeckt werden, ohne fossile Rohstoffe einzusetzen, hat Jeffrey Bergthorson von der McGill University in Montreal 2018 in einem Fachartikel vorgerechnet – obgleich noch viele Detailfragen zu klären sind.

Wärme fürs Bierbrauen

Daran arbeiten Forscher sowie das studentische Team Solid der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden. Nach etlichen Labortests haben sie Ende Oktober die erste Anlage in industrieller Umgebung gestartet: in der Bavaria Brauerei in Lieshout.

Beim Brauen wird viel Wärme benötigt, diese kommt nun auch aus der Verbrennung von Eisen. Es handle sich um ein feines Pulver, die Körnchen sind im Schnitt nur 40 Mikrometer groß, berichtet Sofie Scheij vom Team Solid. "Es wird als Schüttgut gelagert und lässt sich einfach handhaben." Ein Vorteil gegenüber vielen anderen Energiespeichern.

Die Anlage verbraucht rund 60 Kilogramm Eisen pro Stunde und liefert bis zu 100 Kilowatt Wärmeenergie. "Wir wollen die Leistung weiter steigern und planen eine Anlage mit einem Megawatt", sagt Scheij. In vier Jahren will das Team die Zehn-Megawatt-Grenze überschreiten. "Außerdem wollen wir vom experimentellen Aufbau wegkommen und eine Anlage designen, die sich vermarkten lässt."

Wirkungsgrad bei rund 40 Prozent

"Die Technologie ist vielversprechend und in jedem Fall wert, sie genauer zu erforschen", sagt Uwe Riedel, der das Institut für CO2-arme Industrieprozesse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) leitet. Der Wirkungsgrad, der laut Bergthorsons Kalkulationen bei rund 40 Prozent liegt, dürfte in der Praxis zwar nicht erreicht werden, sagt der DLR-Forscher. "Aber um 35 Prozent könnten möglich sein."

In der Welt der Erneuerbaren, wo für eine stabile Energieversorgung mehr Umwandlungsschritte nötig sind, sei das ein recht guter Wert. "Außerdem zeigt sich, dass nicht unbedingt der Wirkungsgrad darüber entscheidet, ob sich eine Technologie durchsetzt, sondern eher die Kosten." Die seien bei Eisen voraussichtlich geringer. Während Wasserstoff spezielle Druckbehälter und Kühltechnik erfordere, könne Eisenpulver in Big Bags transportiert werden, sagt Riedel.

Gefahr einer Staubexplosion

Der Wissenschafter hält den Eisenzyklus für grundsätzlich machbar, weist aber darauf hin, dass auch hier auf Sicherheit zu achten ist. Zum einen betrifft es die Verbrennung des feinen Materials. Die große Oberfläche der vielen Partikel ist dafür günstig, sie erhöht aber auch die Gefahr einer Staubexplosion, wenn eine Zündquelle in der Nähe ist.

Die zweite Gefahrenstelle ist der Wasserstoff, der für die Reduktion benötigt wird. Er kann mit Sauerstoff reagieren. "Wasserstoff wird für viele Anwendungen in der Energiewende benötigt, den sicheren Umgang damit müssen wir ohnehin beherrschen und werden es auch", gibt sich Riedel optimistisch. Es sei an der Zeit, den Energiespeicher Eisen – beziehungsweise Metalle allgemein – und dessen Potenzial genauer zu ergründen, sagt er.

Eisenfeuerung für Energiemix

Dazu haben die Technische Universität Darmstadt, die Universität Mainz, das DLR sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) einen Forschungsantrag beim Land Hessen gestellt. "Neben den Ingenieurwissenschaften beziehen wir auch die Natur-, Politik- und Wirtschaftswissenschaften mit ein", sagt Christian Hasse von der TU Darmstadt, einer der führenden Forscher des Vorhabens.

Das Konsortium denkt international: Die Reduktion des Eisenoxids, also das Aufladen des Speichers, sollte in südlichen Ländern erfolgen. Dort kann wesentlich mehr Solarstrom erzeugt werden, der dann per Elektrolyse Wasser aufspaltet und so den benötigten Wasserstoff bereitstellt. Anstatt nach Wegen zu suchen, wie das gefährliche Gas nach Europa kommt, wird es vor Ort verwendet und nur das Eisen wird verschifft.

"Iron fuel"

Den Forschergruppen, die an "iron fuel" arbeiten, geht es nicht nur um Wärme für eine Brauerei oder ähnliche Betriebe. Ziel ist es, die Technologie so weit zu entwickeln, dass sie eines Tages in heutigen Kohlekraftwerken genutzt werden kann, um wetterunabhängig und bedarfsgerecht Strom zu produzieren – ergänzend zu erneuerbaren Energiequellen.

Wissenschafter wie Hasse und Riedel sind überzeugt, dass der künftigen Energieversorgung ein solcher Mix guttäte und man keine Technologie von vornherein ausschließen sollte, um den Ausstieg aus fossilen Rohstoffen zu erreichen. Dies haben Energieforscher um Andreas Dreizler von der TU Darmstadt, kürzlich in einem Positionspapier eingefordert.

"Thermochemische Energieumwandlungstechnologien (Verbrennungstechnologien) sind erwiesenermaßen zuverlässig und robust", heißt es da. "Durch die weitere Nutzung von Gasturbinen in der Stromwirtschaft lassen sich bewährte Anlagen für die Energiewende nutzen und die Nachteile eines disruptiven Technologiewechsels vermeiden." Dies erhöhe die Versorgungssicherheit und halte die Kosten für die Systemtransformation überschaubar.

Sollten sich die Versprechungen der Technologie erfüllen, könnten also bald Öltanker von Eisenfrachtern abgelöst werden – die womöglich selbst durch die Verbrennung von Eisenpulver angetrieben werden. Auch daran wird bereits geforscht. (Ralf Nestler, 17.1.2021)