Bei einer Sitzblockade von Klimaaktivisten kam es 2019 zu einem Polizeieinsatz, der stark kritisiert wurde.

Foto: Lukas Beck

Es ist bereits eineinhalb Jahre her. Trotzdem dürfte die Szene noch vielen in Erinnerung sein: Während einer Sitzblockade von Klimaaktivisten bei der Wiener Urania kommt es im Mai 2019 bei der Räumung durch die Exekutive zur Eskalation. Während ein Polizeibus anfährt, fixieren Polizeibeamte einen Demonstranten so am Boden, dass er mit dem Kopf knapp vor einem Autoreifen zum Liegen kommt. Im letzten Moment wird der am Boden fixierte Demonstrant noch weggezogen, ehe ihn der Bus überrollen kann.

Der Einsatz zog mehrere juristische Folgen nach sich. Auch dieser konkrete Fall wurde bereits vor Gericht verhandelt: Denn der betroffene Aktivist, Anselm Schindler, sah sich nach dem Vorfall selbst mit einem Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien konfrontiert. Ihm wurde vorgeworfen, sich aggressiv verhalten zu haben und sich nach der Auflösung der Versammlung nicht von dieser entfernt zu haben. Das Verwaltungsgericht Wien hat dieses Erkenntnis bereits im März des Vorjahres aufgehoben. Der Richter fand damals ungewöhnlich deutliche Worte: Er sprach davon, dass die "willkürliche Aggression" der Polizei "erschreckend" sei.

Vorwürfe

Schon vor dieser Entscheidung reichte Schindler Maßnahmenbeschwerde ein, der stattgegeben wurde. Das Verwaltungsgericht erkannte damals die Festnahme Schindlers und somit die gesamte Amtshandlung als rechtswidrig.

Nun könnte es in dieser Angelegenheit auch zu weiteren Konsequenzen kommen: Die Staatsanwaltschaft hat Ende November gegen einen Polizeibeamten einen Strafantrag wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit eingebracht. Das geht aus einer Anfragebeantwortung von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) an Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper hervor.

Prüfungen

Dem Beamten, dem Fahrer des Polizeibusses, wurde zuvor von der Staatsanwaltschaft eine Geldbuße im Rahmen einer Diversion angeboten, wie Anfang November bekannt wurde. Die Höhe der Buße wurde damals nicht bekanntgegeben, da dies Rückschlüsse auf die Höhe des Gehalts erlaubt hätte, wie es hieß. Der Betroffene habe das Recht, das Angebot auszuschlagen, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Deshalb solle nun ein Gericht darüber entscheiden.

Seitens der Landespolizeidirektion Wien hieß es, dass man zu laufenden Verfahren keinen Kommentar abgeben könne. Was disziplinarrechtliche Konsequenzen angehe, wurde seitens der Polizei in der Vergangenheit immer darauf verwiesen, dass man etwaige Verfahren abwarten wolle.

Auch gegen die beiden Beamten, die den Demonstranten am Boden fixierten, wurde ermittelt. In beiden Fällen wurden dem Justizministerium Berichtsvorhaben seitens der Staatsanwaltschaft übermittelt, die derzeit geprüft werden. Ihnen wird nicht nur Körperverletzung, sondern auch falsche Beweisaussage und Missbrauch der Amtsgewalt vorgeworfen.

Weitere Ermittlungen

Insgesamt wird gegen acht Beamte ermittelt, darunter auch wegen Verdachts der Körperverletzung. Zum Teil müssen noch zusätzliche Einvernahmen erfolgen.

Zudem sind die Ermittlungen im Falle eines anderen Demonstranten, der von vier Beamten am Boden fixiert wurde und dabei Faustschläge kassierte, abgeschlossen, eine Verfahrenserledigung wird "in absehbarer Zeit in Aussicht genommen", schreibt Zadić. Auch in diesem Fall ist ein möglicher Missbrauch der Amtsgewalt Thema. Das Landesverwaltungsgericht kam bereits zu dem Schluss, dass die vier involvierten Polizisten die Amtshandlung falsch dokumentiert haben. Es sei ein "anderes Bild der Ereignisse erzeugt worden", hieß es.

"Das Vorgehen gegen Demonstrierende im Rahmen der Klima-Demonstration war inakzeptabel. Gut, dass dieses Verhalten nun zu strafrechtlichen Konsequenzen führt", sagt Krisper. "Statt den Vorwürfen des Opfers gleich nach dem Vorfall objektiv und fair nachzugehen, wird das Opfer selbst angezeigt und damit eingeschüchtert", sagt Krisper. Demonstranten wurde in diesem Zusammenhang versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen.

Untersuchungsstelle geplant

"Glücklicherweise in den beiden Fällen ohne Erfolg. Ihnen kam zu Gute, dass es Videoaufnahmen gab – andere Opfer haben nicht dieses Glück im Unglück. Dieser Vorfall zeigt einmal mehr, wie wichtig eine unabhängige, effiziente Ermittlungsstelle für Beschwerden wegen Polizeigewalt ist", sagt Krisper.

Die Schaffung einer solchen Stelle ist laut dem türkis-grünen Regierungsprogramm auch vorgesehen. Sie soll auch von Amts wegen ermitteln können. Im Innenministerium firmiert das Projekt unter dem Namen "Unabhängige Untersuchungsstelle". Bereits im Herbst hieß es vonseiten der Grünen, dass man sich mit der ÖVP über die grundsätzliche Richtung, in die das Projekt gehen solle, einig geworden sei. Präsentiert wurde es noch nicht. (Vanessa Gaigg, 13.1.2021)