In seinem 1976 veröffentlichten Buch "Das egoistische Gen" ("The Selfish Gene") verlagerte der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins den evolutionären Wettstreit von den Ebenen der Arten oder Individuen auf eine noch grundlegendere: die der Gene. Von neuen Erkenntnissen zu "egoistischen" Genen berichten Wiener Forscher im Fachmagazin "Current Biology".

Gift und Gegengift

"Es ist ein Krieg zwischen egoistischen Genen, wobei die Individuen ins Kreuzfeuer geraten", sagt Alejandro Burga vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Egoistische Gene sind Regionen auf dem Erbgut, die sich nur selber vermehren wollen, und schädlich für das Individuum sein können.

Sie treten manchmal paarweise auf, und zwar in Form von zwei Genen eines Gifts (Toxins) und des zugehörigen Gegengifts (Antidots). "Erben die Nachkommen nur das Toxin-Gen, wird die Entwicklung des Embryos gestoppt", so die Forscher: "Nur Embryonen, die auch das Antidot-Element erben, können sich gesund entwickeln". Damit sichern sich die eigennützigen Pärchen ihr Überleben und werden in einer Population verbreitet. Dies geschieht auf Kosten des Wirtes, denn nur drei Viertel der Nachkommen erben das Antidot-Element, die anderen fallen dem Toxin zum Opfer.

Bisher waren nur einzelne Toxin-Antidot-Pärchen bekannt, die zufällig entdeckt wurden. Die Forscher um Burga suchten sie gezielt in Fadenwürmern und fanden fünf Paare bei der Art Caenorhabditis tropicalis und ein zusätzliches beim nahe verwandten Caenorhabditis briggsae. Sie kommen also häufiger vor als gedacht, so Burga.

Verzögerung der Fortpflanzungsfähigkeit

Die Forscher konnten bei einigen Gift-Gegengift-Paaren beobachten, dass sie die Embryonalentwicklung ihres Wirtes nicht stören, sondern erst in einem späteren Entwicklungsstadium zuschlagen und alle Organismen töten, die kein Gegengift-Gen tragen. Bei anderen verzögerte das Genpärchen nur die Geschlechtsreife. "Auch dieser Trick scheint auszureichen, damit sich die egoistischen Gen-Elemente in der Population ausbreiten können."

Manchmal waren auf Erbgutteilen gleichen Ursprungs (homologen Chromosomen) unterschiedliche Toxin-Antitoxin-Pärchen zu finden. "Es gibt somit nicht nur einen Konflikt zwischen den egoistischen Elementen und dem Individuum, sondern auch von egoistischen Elementen, die sich gegenseitig bekämpfen", erklärte Burga. Beim Kampf der egoistischen Gen-Paare würde auch der Wirt geschädigt. (APA, red, 13. 1. 2021)