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Foto: Dado Ruvic / REUTERS

Die Aufregung ist groß: Seit Tagen sieht sich Whatsapp-Betreiber Facebook im Zentrum eines regelrechten Empörungssturms. Auslöser waren neue Nutzungsbedingungen, mit denen sich Facebook vermeintlich einen erweiterten Zugriff auf die Whatsapp-Daten sichert. Da hilft es nur wenig, dass der Softwarehersteller immer wieder betont, dass sich in Europa – dank schärferer Datenschutzgesetze – in dieser Hinsicht gar nichts ändert. Für viele Nutzer scheint dies schlicht jener Tropfen gewesen zu sein, der das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ganz auf die Wahrung der Privatsphäre ausgelegte Whatsapp-Konkurrenten wie Signal erleben derzeit jedenfalls einen rasanten Nutzerzuwachs.

Widerspruch

In dieser Situation versucht es Facebook mit einem Gang in die Offensive – auch wenn dieser etwas seltsam ausfällt. In einem Social-Media-Posting tritt man angeblich kursierenden Gerüchten entgegen, dass Facebook die Nachrichten der Nutzer mitlese. Das sei nämlich dank der verwendeten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gar nicht möglich. Eine Aussage, die fachlich richtig ist, zugleich aber am Kern der aktuellen Diskussion vorbeigeht. Immerhin stand dieser Punkt ohnehin außer Frage. Die Kritik entzündete sich immer an anderen Daten, also etwa Informationen über die eigenen Identität oder die Kontakte im Adressbuch, Details zu genutzten Bezahldiensten oder auch zum eigenen Smartphone.

Doch auch in dieser Hinsicht versucht Facebook nun zu kalmieren: So sammle man generell keine Daten darüber, wer mit wem kommuniziere. Teilten die Nutzer ihren exakten Standort mit anderen, habe man ebenfalls keinerlei Einblick. Und selbst die Inhalte des Adressbuchs würden zumindest nicht mit Facebook geteilt. Dass Letztere von Whatsapp selbst erfasst werden, bestreitet man hingegen nicht.

Schon länger zugestimmt

Womit Facebook allerdings recht hat: Die neuen Nutzungsbedingungen ändern an all den Whatsapp-Datensammlungen tatsächlich wenig – und zwar auch außerhalb der EU. Denn genaugenommen hat man sich die Erlaubnis für den Zugriff auf die Whatsapp-Daten schon vor Jahren gesichert – mit einer Änderung der Nutzungsbedingungen im Jahr 2016. Damals hatten die User 30 Tage lang Zeit, einen "Opt-out" vorzunehmen, also dieser Regelung zu widersprechen. Wer das damals getan hat, dessen Daten werden auch tatsächlich weiterhin nicht an Facebook durchgereicht. Alle, die diese Frist verpasst oder erst später ein Konto angemeldet haben, haben in dieser Hinsicht hingegen Pech gehabt.

Diese Datenweitergabe hatte übrigens schon damals für Diskussionen gesorgt. Immerhin hatte der Softwarehersteller noch 2014, also parallel zum Kauf von Whatsapp, versichert, dass man nicht vorhabe, diese Dienste miteinander zu verschränken. Dabei wurde gar jene Behauptung aufgestellt, die Facebook später eine dreistellige Millionenstrafe der EU bescheren sollte, nämlich dass dies technisch gar nicht möglich sei. Dieses Versprechen spielte einst eine entscheidende Rolle in der Zustimmung der europäischen Regulatoren.

Gleichzeitig müssen sich die Behörden retrospektiv den Vorwurf gefallen lassen, naiv agiert zu haben. So hatten schon damals zahlreiche Beobachter betont, dass es absurd sei, zu glauben, dass Facebook einen 19 Milliarden Dollar schweren Kauf nicht früher oder später gewinnbringend mit anderen Diensten integrieren werde.

Freude bei Signal

Die Konkurrenz nimmt die aktuelle Diskussion jedenfalls erfreut zur Kenntnis. So betont Brian Acton, Vorsitzender der Signal Foundation, gegenüber Techcrunch, dass die Downloadzahlen des eigenen, ganz auf Sicherheit und Privatsphäre ausgelegten Messengers derzeit regelrecht explodieren würden. So stehe Signal derzeit in 40 Ländern an der Spitze des Download-Rankings von Apples App Store.

Acton verfolgt die Situation wohl auch mit einer gewissen persönlichen Befriedigung. Immerhin ist er gleichzeitig auch einer der Mitgründer von Whatsapp, und hat Facebook nach einem Zerwürfnis über Datenschutzfragen und die Monetarisierung des Messengers 2017 den Rücken gekehrt. Einen Teil des durch den Verkauf von Whatsapp erhaltenen Gelds steckte er wenige Monate später in die Entwicklung von Signal. Seitdem wird diese von einer nicht auf Profit ausgerichteten Stiftung getragen.

Dass die aktuelle Aufregung angesichts der Faktenlage nicht ganz gerechtfertigt sein mag, ist dabei auch Acton klar: "Der kleinste aller Auslöser hat nun eine riesige Folge", formuliert er es selbst. Das ändert aber nichts daran, dass es erfreulich sei, dass die Nutzer nun verstärkt über Datenschutzfragen diskutieren und sich infolgedessen nach Alternativen zu Whatsapp umsehen.

Dass sie da als Erstes bei Signal landen, ist nicht ganz überraschend. Immerhin empfiehlt nicht nur NSA-Whistleblower Edward Snowden die App schon länger, auch Tesla-Gründer Elon Musk und Twitter-Chef Jack Dorsey hatten unlängst zum Einsatz von Signal geraten. Vor allem aber zeigen direkte Vergleiche, dass Signal tatsächlich erheblich weniger Daten sammelt, als es Whatsapp tut – und generell jedes Feature mit einem Fokus auf Datensparsamkeit entwickelt wird.

Auch andere profitieren

Signal mag derzeit der Hauptprofiteur der Situation sein, gleichzeitig erfreuen sich aber auch andere Messenger eines deutlich gesteigerten Interesses, darunter das aus der Schweiz stammende Threema. Bei Telegram spricht man gar von 25 Millionen neuen Nutzern innerhalb von gerade einmal 72 Stunden.

All das zeigt nicht zuletzt eine tatsächliche Vertrauenskrise in Bezug auf Whatsapp, auf das der schlechte Ruf von Facebook zunehmend abzufärben scheint. Sorgen um einen raschen Absturz muss sich der Hersteller wohl trotzdem nicht machen: Mit weltweit mehr als zwei Milliarden Nutzern hat man genügend Polster, um selbst ein paar hundert Millionen wechselnde User verkraften zu können. (Andreas Proschofsky, 13.01.2021)