"Na, mir is eh nix passiert, aber der Kombi ist Schrott!" Kurt (Name natürlich geändert) hat die Front bei einer Kreuzung ein bisserl zu weit rausgehalten, und der Erste im Querverkehr hat entweder vehement auf seiner Vorfahrt bestanden, die dann auch ein jähes Ende nahm, oder war grad anderweitig so beschäftigt, dass keine Kapazitäten zum Ausweichen und/oder Bremsen da waren. Und jetzt braucht der Kurt einen neuen Kombi. 20.000 Euro soll er maximal kosten. Marke wurscht. Er soll nur so lange halten, wie der Alte es getan hätte, wäre nicht das blöde Hoppala gewesen.

Gut, bei dem Auto braucht man nicht lange überlegen: Ab in die Presse!
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"Was ist denn hin beim Auto?", wollt ich wissen. "Totalschaden." – "Ja, aber was is hin? Rahmen verzogen oder Blech verbogen und Scheinwerfer verstellt?" – "Keine Ahnung. Totalschaden."

Totalschaden heißt nicht gleich Presse

Es ist gelebte Praxis, dass die meisten nach dem Urteil "Totalschaden" gar nicht einmal daran denken, den Schaden richten zu lassen. Dabei heißt das ja eigentlich nur, dass die Reparatur mehr Geld kosten würde, als das Auto wert ist. Und da liegt die Krux.

Was für die meisten ein Schrottplatz ist, ist für Schrauber eine riesige Schatzkiste.
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Den Wert eines Autos rechnet sich, wenn es sich so wie hier um einen zsammghauten, schon mehrere Jahre alten Kombi mit mehr als 100.000 Kilometern handelt, der Mechaniker Pi mal Daumen mit einem Aug auf die Eurotax-Liste aus. Kommt die ähnlich präzise Überschlagsrechnung der Reparatur in die Nähe des Betrages, heißt es schnell "Totalschaden". Die Rechnung funktioniert fast immer, manchmal kommt sogar noch was auf der Schadenseite dazu, was auf den ersten Blick noch gar nicht ersichtlich war.

Was muss sein, was kann man sich sparen?

Der Wert, den Mechaniker, Sachverständige oder Gebrauchtwagenhändler für ein Auto angeben, hat aber genau gar nichts mit dem zu tun, den einem ein Fahrzeug selbst wert ist. Nicht selten schätzen Autobesitzer den Wert ihrer Kraxen weitaus höher ein, als sie am freien Markt dafür bekommen würden. Wer den Fleck selber in den Beifahrersitz gemacht hat und schon fünf Jahre damit lebt, den stört er nicht. Genauso wie der Kratzer auf der Stoßstange, der in der Felge oder dass die elektronische Sitzverstellung ein bisserl Fingerspitzengefühl braucht. Wenn man einen Wagen kauft, spielt das sehr wohl eine Rolle, eine, die den Preis drücken kann.

Ein großer Hagelschaden ist wirtschaftlich ein Desaster – in Wirklichkeit fährt der Wagen aber meist keinen Deut schlechter. Allein zum Angeben taugt die Kiste dann nicht mehr.
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Wenn der Kombi vom Kurt jetzt vor dem Unfall einen Wert von rund 8.000 Euro hatte und die Reparatur 9.000 Euro kostet, dann ist die Rechnung im ersten Augenblick eine einfache. Vor allem dann, wenn einem der Mechaniker auch noch den Vorschlag macht, einem das Wrack um einen 1.000er abzukaufen und man hat a Ruh.

Geht die Rechnung auf?

Ist der Schaden jetzt aber einer, den man noch richten kann, dann sollte man sich ein paar Minuten Zeit nehmen und sich fragen, was einem das Auto selber wert ist. Will man es eh schon längst loswerden, dann weg damit. Rahmen verzogen, dann weg damit. Tut es einem um das Fahrzeug aber wirklich leid, dann sollte man sich vor Augen führen, dass 9.000 Euro für die Reparatur immer noch weniger als die 20.000 für einen anderen Wagen sind – oder 21.000, wenn man das Geld fürs Wrack auch gleich investiert.

Ein Streifschuss ist bei einem alten Auto schnell einmal das Todesurteil. Muss es aber gar nicht sein. Wenn der Rahmen nix hat und man zwei Türen von einer anderen Leiche findet, womöglich in der gleichen Farbe, dann ist der Schaden ein Klax.
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Doch damit nicht genug. Es müssen nicht immer Originalersatzteile sein. Gerade bei einem alten Auto tun es oft Nachbauzeug, das deutlich günstiger ist, oder auch Ersatzteile von einem schon stillgelegten Fahrzeug. Ein Kotflügel vom gleichen Auto mit einem Heckschuss kostet im Vergleich zum Neuteil samt Lackierung schon fast nichts mehr. Und wenn man dann auch noch einen Teilespender findet, der die gleiche Farbe hat, kann man sich das Lackieren gleich ganz schenken. Ein Ausstellungsstück wird die alte Schüssel sowieso nimmer. Lässt man dann auch noch die Reparaturen aus, die eh nur optische Schminke sind, dann geht sich die Reparatur gleich um viel, viel weniger als 9.000 Euro aus.

Totalschäden schnell weiterverklopfen

Das wissen natürlich auch die Mechaniker – und jene, die hinterm Haus auch ein Gebrauchtwagengeschäft haben, rechnen die kleine Reparatur gleich mit und haben schon im Hinterkopf, um welchen Preis sie den Wagen dann weiterverklopfen können. Grad jetzt, zu Corona-Zeiten, steigen die Gebrauchtwagenpreise eh, und wer schnell ein günstiges und gebrauchtes Auto haben will, ist mit ein wenig Glück nicht sehr wählerisch, nicht top-informiert und auch nicht heikel.

Totalschaden. Wenn man hier einen alten, runtergerockten 911 Targa sieht. Er stand fast 40 Jahre in einer Garage ohne Tore, mit einer Plastikplane bedeckt in den USA.
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Böse Unterstellung? Ach, wenn Sie wüssten. Nachdem ich mein erstes Motorrad fertig um die Erd und in ein anderes Auto gehaut habe – das wäre jetzt eine eigene Geschichte, die aber nix zur Sache tut –, hat mir meine damalige Werkstatt, noch bevor ich wieder halbwegs allein auf allen vieren aufs Klo krallen konnte, das Wrack der Maschine um ein paar Hunderter abgenommen, eine Handvoll der noch brauchbaren Teile behalten, den Rest entsorgt. Wie nett von ihnen.

Entsprechend groß hab ich im folgenden Frühjahr geschaut, als mich – ich bin grad vom neuen Motorradl gestiegen – die Polizei anrief und fragte, wie es mir ginge, in welchem Krankenhaus ich den liegen würde. Man fand mein Motorrad – um einen Baum gewickelt und voller Blutspuren. Könne nicht sein, sagte ich, das Motorrad steht neben mir. Und dann liest mir der Beamte mein altes Kennzeichen vor – das alte Prüfpickerl war noch auf der Gabel, von der ich sicher war, dass sie entsorgt sein müsste. Die Werkstatt hat das Motorrad ums kleine Geld wieder aufgebaut und einen potenziellen Kunden samt blauen Nummern damit auf Probefahrt geschickt.

Ein Sammler in den USA kaufte den Wagen und erkannte: Hinter dem räudigen Scheunenfund steckt nämlich der erste in Deutschland ausgelieferte Porsche 911 S Targa. Drei Jahre dauerte die Restaurierung in der Porsche-Classic-Werkstatt.
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Aber man muss ja nicht unbedingt auf einen der Pülcher treffen, die einen mit einem Totalschaden so hemmungslos über den Tisch ziehen. Auch anderen kann man mit so einem feinen Totalschaden eine Freude machen. Denn für jene, die ein wenig am Auto schrauben können und sich nicht davor scheuen, gilt die Rechnung, dass ein Wrack günstig zu erstehen ist und selber mit günstigen Ersatzteilen billig gerichtet ist. Viele Hobbyschrauber suchen sogar gezielt nach diesen Autos. Die dann oft im halben Duzend als Ersatzteilspender im Hof stehen. Wenn Sie also das nächste Mal fünf Leichen des gleichen Autos hinter einem Haus sehen, dann haben Sie vermutlich jemanden gefunden, der das Motto "Schrauben statt Verschrotten" schon seit Jahren lebt. (Guido Gluschitsch, 18.1.2021)