Häufig ist unklar, wie viele Lebensmittel bereits auf den Feldern verloren gehen. Vor allem in Entwicklungsländern fehlt es häufig an Logistik und Infrastruktur.

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Würden alle Lebensmittel, die auf dem Müll landen, allein in einem Land produziert werden, wäre das Land in etwa so groß wie Kanada und Indien zusammen und hinter den USA und China der drittgrößte CO2-Sünder, zeigen Daten der Welternährungsorganisation (FAO). 28 Prozent der globalen landwirtschaftlichen Fläche sind für Lebensmittelabfälle reserviert, verursachen dabei rund acht Prozent der globalen CO2-Emissionen und kosten Länder weltweit jedes Jahr mehr als eine Billion Dollar.

Schon seit Jahren versuchen Länder gegen diese Verschwendung vorzugehen: mit Strafen, Verboten, Anreizen und neuen Technologien. Menschen, die in Restaurants zu viel bestellen, sollen draufzahlen, Supermärkte, die Lebensmittel wegwerfen, drohen Strafen, und Familien mit mehr Abfall sollen auch mehr fürs Recycling zahlen. Daneben versprechen neue Technologien, mehr Daten zu sammeln, um damit Abfälle zu vermeiden. Welche Strategie hat Erfolg?

Wo der Müll herkommt

Wer Abfälle vermeiden will, sollte zuerst wissen, wo sie entstehen. Laut FAO sind die größten Lebensmittelverschwender pro Kopf die USA, Belgien und Kanada. Aber auch in den wachsenden Industrienationen Asiens steigt die Lebensmittelverschwendung. In Entwicklungsländern ist die Pro-Kopf-Verschwendung meist nur ein Bruchteil davon.

Nicht immer sind die Haushalte schuld: Laut FAO entsteht in Entwicklungsländern schon ein Großteil der Abfälle, bevor das Essen überhaupt beim Kunden ankommt. Das Problem seien meist schlechte Lagerung und fehlende Infrastruktur. In Industrienationen falle der Großteil des Mülls tatsächlich bei den Konsumenten an.

China: Restaurantkunden müssen Strafe zahlen

Besondere Beachtung hat die Lebensmittelverschwendung in den letzten Monaten in der Volksrepublik China erfahren. Um die jährlich mehr als 35 Millionen Tonnen Essensabfälle zu reduzieren und einer Nahrungsmittelknappheit vorzubeugen, will das Land all jene bestrafen, die beim Restaurantbesuch Essen auf ihren Tellern übrig lassen. Ein neues Gesetz soll es Restaurantbesitzern erlauben, Strafen für Kunden zu erheben, die sich zu viel bestellt haben. Es soll jedoch größtenteils möglich sein, sich das Essen einpacken zu lassen. Umgekehrt sollen Restaurants mehr als 1.000 Euro Strafe zahlen, wenn sie etwa All-you-can-eat-Buffets anbieten, die Kunden dazu verleiten, sich zu viel auf die Teller aufzuladen.

Auch Werbungen im Fernsehen und im Internet zu "Viel-ess-Angeboten" wurden bereits verboten. In der Aktion "Operation leere Teller" verbannte die Regierung die berühmten Mok-Banger-Streams, in denen Menschen zu sehen sind, die übergroße Portionen an Essen verschlingen. Die Regierung fordert größere Gruppen an Restaurantkunden zudem dazu auf, nicht für jeden Gast ein eigenes Gericht zu bestellen, sondern diese in der Gruppe aufzuteilen.

Auch Schilder in Restaurants sollen Gäste daran erinnern, weniger Essen zu verschwenden.
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Nicht alle Bürger des Landes begrüßen die neuen Maßnahmen, einige befürchten eine Ausweitung der Überwachung. Laut Berichten staatlicher Medien führte eine Bezirksverwaltung der Stadt Harbin in der Provinz Heilongjiang ein "Enthüllungssystem" für Lebensmittelabfälle ein. In Kantinen von Regierungsgebäuden wurden neben den Mistkübeln Überwachungskameras installiert. Jene Mitarbeiter, die dabei erwischt wurden, mehr als dreimal Essen weggeworfen zu haben, sollen öffentlich bloßgestellt werden. Auch wegen des öffentlichen Widerstands in einigen anderen Städten rechnen einige Experten damit, dass die Maßnahmen der Regierung zur Reduktion von Lebensmittelabfällen letzten Endes nicht sehr langlebig sein könnten.

Frankreich: Supermärkte in der Pflicht

Laut dem Food Sustainability Index, einer Studie, die regelmäßig mehr als 60 Länder anhand ihrer Lebensmittelverschwendung bewertet, gehört Frankreich weltweit zu den Vorreitern bei der Abfallvermeidung. Seit 2016 dürfen Supermärkte kein unverkauftes Essen wegwerfen, sondern müssen dieses an gemeinnützige Einrichtungen spenden. Restaurants, Hotels und Catering-Betriebe müssen ihren Abfall recyceln, um daraus Biogas herzustellen.

Mit der sogenannten Agrarökologiestrategie will die Regierung zudem die Landwirtschaft nachhaltiger gestalten. Bis 2025 sollen sich alle Betriebe der Strategie verschrieben haben, die statt Monokultur auf Fruchtfolge setzt, um so die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhöhen und den Einsatz von Kunstdünger zu reduzieren.

Die Strategien scheinen erfolgversprechend: Pro Kopf und Jahr fallen in Frankreich mittlerweile rund 67 Kilogramm an Essensabfällen an. Zum Vergleich: In den USA sind es 95 Kilogramm, in Belgien 87 und in Österreich rund 74 Kilogramm. Allerdings geben einige Experten zu bedenken, dass Frankreich vor allem seine Transport- und Lagerinfrastruktur ausweiten müsste, damit die überschüssigen Lebensmittel auch wirklich in guter Qualität bei den Organisationen ankommen.

Südkorea: Hightech-Mistkübel

Südkorea gehörte einst zu den größten Lebensmittelverschwendern Asiens. Schuld daran war für einige Experten auch eine kulturelle Essegewohnheit: Für gewöhnlich wird im Restaurant neben dem Hauptgang eine große Anzahl an Beilagengerichten bestellt, genannt Banchan, die allerdings häufig übrig gelassen werden.

Seit einigen Jahren konnte das Land die Verschwendung sukzessive reduzieren – zumindest wenn man den öffentlichen Zahlen glaubt. Experten im Land führen den Erfolg auf eine Strategie aus dem Jahr 2013 zurück: Haushalte wurden dazu verpflichtet, umso mehr Geld fürs Recycling zu zahlen, je mehr Abfälle sie daheim verbrauchen. In der Hauptstadt Seoul und anderen Städten des Landes müssen Einwohner ihre Lebensmittelabfälle in speziellen Containern entsorgen, die nur mit einem gültigen Ausweis benutzt werden können. Der Container wiegt und speichert die Menge an weggeworfenen Lebensmitteln. Am Ende des Monats erhalten die Einwohner eine Rechnung über die gesamte Menge des Mülls. Alternativ können Haushalte in biologisch abbaubare Müllsäcke investieren, das Geld kommt dem Recycling zugute.

Vor allem die vielen Beilagen werden immer wieder übrig gelassen, so die Kritik.
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In dem Land werden heute 95 Prozent des Lebensmittelabfalls als Biogas oder Tierfutter wiederverwertet. Auch die Zahl urbaner Landwirtschaftsbetriebe ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die kleinen Betriebe werden von der Regierung besonders in der Gründungsphase unterstützt und sollen die Menschen in der Stadt zusammenbringen.

Österreich: Handel oder Haushalte verpflichten?

Unter den Industrienationen steigt Österreich laut dem Food Sustainability Index eher durchschnittlich aus, was die Abfallvermeidung betrifft. Im Vergleich zu Entwicklungsländern ist die Verschwendung hierzulande sogar um ein Vielfaches höher.

Die Hälfte der Lebensmittelabfälle fällt in den Haushalten an, rund fünf Prozent verursacht laut Handelsverband der Handel. Während das Klimaschutzministerium auf stärkere Pflichten im Handel drängt – ähnlich wie es in Frankreich schon der Fall ist –, sieht die Wirtschaftskammer vor allem die Privathaushalte in der Pflicht. Supermärkte können bis jetzt auf freiwilliger Basis unverkauftes, aber noch genießbares Essen an Sozialeinrichtungen weitergeben.

Für Experten spricht nichts dagegen, beide Bereiche stärker in die Pflicht zu nehmen. Ohnehin hat sich die Regierung im Rahmen der UN-Nachhaltigkeitsziele verpflichtet, Lebensmittelabfälle im Handel und in Haushalten bis 2030 um fünfzig Prozent zu reduzieren.

Wie viel Abfall in der Landwirtschaft anfällt, lässt sich nach wie vor nicht eindeutig mit Zahlen und Daten belegen. Auch hier braucht es laut Umweltschutzorganisationen vor allem eine bessere Datenlage und mehr Studien. (Jakob Pallinger, 21.1.2021)