Insgesamt 88 Einsatzkräfte waren im August nötig, um einen gelegten Brand im Bezirk Mistelbach unter Kontrolle zu bringen.

Foto: Freiwillige Feuerwehr Asparn an der Zaya

Korneuburg – Das ländliche Idyll in einem 2.000-Einwohner-Ort im niederösterreichischen Bezirk Mistelbach wurde in der Nacht auf den 5. August lautstark gestört. Gegen Mitternacht heulte die Feuerwehrsirene, da Alexander P. einen Stadl voller Heu angezündet hatte. 88 Feuerwehrmänner und -frauen waren über vier Stunden beschäftigt, die benachbarten Wirtschaftsgebäude und Obstbäume zu schützen. Das Motiv des 44-Jährigen laut Staatsanwalt: verschmähte Liebe.

Die hat den Unbescholtenen nicht nur wegen der Brandstiftung, sondern auch wegen "beharrlicher Verfolgung" – vulgo Stalking – ins Landesgericht Korneuburg vor einen Schöffensenat unter Vorsitz von Monika Zbiral gebracht. Denn in knapp zwei Monaten von Juni bis zum Tattag hat P. seiner 38 Jahre alten Angebeteten sieben SMS geschickt – und sie 231 Mal angerufen.

Nie richtig lesen und schreiben gelernt

Das auffallende Missverhältnis zwischen schriftlicher und mündlicher Kommunikation klärt sich bereits bei der Erhebung der Generalien: Der seit Dezember Arbeitslose hat die Sonderschule besucht und nach eigenen Angaben nie richtig lesen und schreiben gelernt. Zurechnungsfähig und selbstständig ist er aber durchaus, wie sich auch beim Gerichtsverfahren zeigt.

"Was ist passiert, warum ist es passiert?", will die Vorsitzende zu Beginn vom Angeklagten wissen. P. erzählt, dass er den Tatort kannte, da er für den Bauern Hackschnitzel geführt habe. Frau B., mit der er sich zusammen wähnte, wohnte nicht weit entfernt. Den Tathergang selbst erzählt er zunächst eher einsilbig: "Ich bin hingegangen, habe es angezündet, bin wieder gegangen."

Auf Nachfrage wird es detaillierter: Mit einem Feuerzeug, das der Nichtraucher ständig bei sich hatte, habe er an der südwestlichen Ecke der Scheune Stroh, das durch Löcher herausragte, angezündet. "Und wissen Sie, was passiert, wenn man Stroh anzündet?", fragt Zbiral sicherheitshalber nach. "Es brennt alles bis zum Dachstuhl", lautet die Antwort.

Stalking-Opfer zog mittlerweile weg

"Und warum haben Sie das gemacht?" – "Das weiß ich nicht", weicht P. aus. "Bei der Polizei haben Sie nach anfänglichem Leugnen gesagt, sie wollten Frau B. auf sich aufmerksam machen?" – "Ja", gibt der Angeklagte zu. "Die ist aber offenbar nicht aufmerksam geworden?", fragt die Vorsitzende. Wurde B. doch, wenngleich anders, als vom Angeklagten erhofft – am Ende war sie so verängstigt und genervt, dass sie aus dem Ort wegzog.

Das Verhältnis der beiden ist aber unklarer als gedacht – und kompliziert. Der besachwaltete jüngere Bruder des Angeklagten ist seit neun Jahren mit B.s 55-jähriger Mutter liiert. Die sagt als Zeugin, sie habe 20 Jahre lang keinen Kontakt mehr zur Tochter gehabt, als sie im Februar plötzlich wieder in den Ort zurückkehrte.

Mutter warnte Angeklagten vor Tochter

Einerseits will sie die beiden in den Wochen vor dem Feuer händchenhaltend auf der Straße gesehen haben. Andererseits kann sie zum Beziehungsstatus nichts sagen. "Ich habe keinen guten Draht zu meiner Tochter", gibt sie zu. Gewarnt habe sie P., mit dem sie freundschaftlich verbunden war, aber vor B.: "Ich habe ihm mehrmals gesagt, er soll die Finger von ihr lassen, sie hat einen Freund." Kurz darauf schildert die Zeugin den Hinweis an P. noch einmal, diesmal im Wortlaut: "Die is nix. Die hod eh an Hawara!" Und: "Di nutzt di nua aus!" P. habe das nicht gut aufgenommen, es sei zu einem bösen Streit gekommen.

B. selbst kann nicht befragt werden, sie liegt schwer erkrankt im Spital. Da unklar ist, wann sie wieder vernehmungsfähig ist, gibt sich Verteidiger Bernhard Schuller mit einer Verlesung von B.s Aussage vor der Polizei einverstanden. Die sagte nichts von einer Beziehung, erzählte aber, dass sie in den Tagen vor dem Brand schon zu ihrem Freund beziehungsweise einer Bekannten in Wien geflüchtet sei, um dem mitunter auch nachts um das Haus schleichenden Angeklagten zu entkommen.

"Mit Feuer schwanger gegangen"

Der Besitzer des abgebrannten Gebäudes zeigt sich überzeugt, dass der Angeklagte nicht spontan gehandelt habe. "A gewisse Affinität zum Feuer hat er, der Xandl", verrät der Landwirt. "Der is ja scho mit dem Feuer schwanger gegangen." Die Gattin des Zeugen hat P. in den Wochen vor der Tat immer wieder gefragt, wo Frau B. sei, und habe von "Beziehungsproblemen" gesprochen. Sie wollte sich aber nicht einmischen.

Ex post wurde ihr aber klar, warum P. in der Woche vor dem Brand darauf hinwies, dass es auf dem Betrieb schon öfters gebrannt habe und dass die Familie aufpassen solle. Vor allem ein Umstand führte aber rasch zu P. als Hauptverdächtigem: Er war während der Löscharbeiten nicht als Zuseher am Tatort. "Normalerweise ist er überall dabei", gibt die Zeugin zu Protokoll.

Staatsanwalt mit bedingter Haft zufrieden

Die Gefahr, die von P. ausgeht, schätzt aber auch der Staatsanwalt als gering ein. Er fordert lediglich eine bedingte Strafe und Bewährungshilfe. Die Anklagebehörde hatte P. auch nicht in Untersuchungshaft genommen, da sie durch den Wegzug von B. keine Tatbegehungsgefahr mehr sah. Verteidiger Schuller stimmt dem zu.

Der Senat kommt dem Wunsch nach kurzer Beratung nach: P. wird zu zwei Jahren bedingt verurteilt, zusätzlich wird ihm ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt. (Michael Möseneder, 13.1.2021)