Ein Schnappschuss unter Freunden: Malcolm X drückt den Auslöser, Cassius Clay posiert mit Sam Cooke und Jim Brown in "One Night in Miami".

Foto: Amazon/Patti Peret

Im renommierten Copacabana öffnet die samtweiche Stimme von Sam Cooke (Leslie Odom Jr.) keines der Herzen. Das Publikum des Clubs ist weiß, blasiert und mindestens ressentimentgeladen. Es betrachtet den schwarzen Soulstar als Eindringling und wendet sich ab, und bei so viel offener Ablehnung nimmt dann auch Cookes Auftritt Schaden. Er wirkt wenig souverän, stolpert über den Mikroständer.

Ruhm und Popularität mögen Türen öffnen, über rassistische Schranken helfen sie nicht hinweg. Das macht Regina King zu Beginn ihres Spielfilmdebüts One Night in Miami noch in einer weiteren Szene deutlich. Footballstar Jim Brown (Aldis Hodge) besucht einen Familienfreund (Beau Bridges) in Georgia, der ihm auf der Terrasse bei Limonade jede Hilfe zusichert. Ins Haus hinein lässt er ihn aber nicht.

Amazon Prime Video

Beide Szenen sind in der Adaption von Kemp Powers’ gefeiertem Theaterstück eigentlich nur die Ouvertüre für eine Innenperspektive: Es geht um Fragen schwarzer Identität, darum, ob man das System von innen bekämpfen kann oder ob die Freiheit nur in offener Konfrontation verwirklicht werden kann.

Powers, der auch am jüngsten Pixar-Film Soul mitgeschrieben hat, wählte für das Setting einen historischen Moment. Es ist der 25. Februar 1964, als der Box-Champion Cassius Clay, Bürgerrechtler Malcolm X sowie Cook und Brown in einem Motel in Miami Beach zusammenkommen. Stattgefunden hat das Treffen zwar wirklich, aber die Handlung ist reine Spekulation. Sie bietet Gelegenheit, vier Stars, Vorbilder in Sachen Repräsentationspolitik, rhetorisch aufeinander loszulassen. Ein Boxkampf, wenn man so will, in dem in jeder Ecke ein Gegner sitzt, der Titel am Ende aber allen gehören soll.

Regina King hat 2019 für ihre Darstellung der resoluten Mutter in If Beale Street Could Talk einen Oscar gewonnen, Regieerfahrungen hat sie davor schon bei TV-Serien gesammelt. Für One Night in Miami zeigt sie sich als Actress-Directress, die ihre beiden Talente zusammenführt, wenn sie den kammerspielhaften Ursprung der Vorlage unterstreicht. Die zurückhaltende Regie ist vor allem auf die vier souveränen Darsteller ausgerichtet, die sich im eleganten Schuss-Gegenschuss-Rhythmus eine Nacht lang gegenseitig überzeugen wollen. Sie politisieren, provozieren einander, geraten in Streit und ziehen doch am gleichen Strang, weil sie sich alle gegen Diskriminierung und Rassengewalt aufzulehnen versuchen.

Ein weicherer Malcolm X

Wer genau hinschaut, kann jedoch schon in der Besetzung der Rollen eine Interpretation erkennen. Malcolm X, den politisch Militantesten der Runde, dessen kampflustiger Begriff von den "weißen Teufeln" öfters genannt wird, spielt Kingsley Ben-Adir, ein geschmeidiger Schauspieler, der auch schon Barack Obama verkörpert hat. Auch wenn er sich mit selbstgerechter Inbrunst in Rage reden kann, wirkt er doch weitaus weniger dominant, ja fast ein wenig bieder im Vergleich zu Denzel Washingtons charismatischem Porträt des Aktivisten in Spike Lees Biopic von 1992.

Die Nuancierung ist jedoch schlüssig, da Malcolm X hier mehr aus der Defensive agiert. Er hat den übermütigen Cassius Clay (Eli Goree), der schon einmal wie ein Kind auf den Motelbetten hüpft, zum Übertritt in den Islam gewinnen können – kein ganz selbstloser Schritt, da er sich gerade von Elijah Muhammad, dem Führer der Nation of Islam, zu emanzipieren beginnt. Bruchlinien treten aber auch an anderer Stelle hervor, vor allem Sam Cooke wird von Malcolm X als Star einer von Weißen dominierten Musikindustrie kritisiert und als "tanzender Affe" rassistisch verspottet.

Der Brite Kingsley Ben-Adir als Malcom X.
Foto: Patti Perret

Kings Inszenierung fächert diese widersprüchlichen Haltungen auf, sie schlägt sich jedoch auf keine Seite. Das macht den Film umso zeitgenössischer, denn viele dieser Fragen von Selbstermächtigung sind weiterhin akut. Nicht zuletzt dann, wenn sie die Unterhaltungsindustrie selbst betreffen: Cooke verteidigt seine unpolitischen Soulballaden etwa damit, dass seine Hits zu ökonomischer Unabhängigkeit beigetragen hätten. Doch keiner gesteht alles ein, immer bleibt ein Rest, den man vielleicht aus Eitelkeit unterschlägt. Dylans Protestsong Blowin’ in the Wind, gibt Cooke später zu, hätte er gerne selbst geschrieben.

Geschäftsmodell oder nicht, Kultur von Schwarzen hat eine politische Verantwortung, solange die dominante Kultur Machtverhältnisse reproduziert. Regina King weiß das selbst nur zu gut, deshalb strebt One Night in Miami auch keiner versöhnlichen Auflösung zu. Hier bleiben die Divergenzen eines aufwühlenden Abends bestehen, aber keiner der vier verlässt ihn ganz unverändert, und jeder trägt seinen Anteil zu einer besseren Zukunft bei. (Dominik Kamalzadeh, 14.1.2021)