Tropische Regenwälder, aber auch die Nadelgehölze der gemäßigten Klimazonen entziehen der Atmosphäre viel Kohlenstoff. Das könnte sich mit den steigenden Temperaturen jedoch schon bald ändern.
Foto: imago images/Jan Eifert

Die Biosphäre abseits der Ozeane, die Gesamtheit aller Landpflanzen und Mikroorganismen, bildet gleichsam die Lunge unseres Planeten. Die terrestrischen Ökosysteme absorbieren Kohlendioxid und geben im Gegenzug Sauerstoff in die Atmosphäre ab. In unserem globalen Klimasystem spielen die Landökosysteme daher eine entscheidende Rolle: Sie nehmen rund 30 Prozent der menschengemachten CO2-Emissionen auf und fungieren so als wichtige Kohlenstoffsenke.

Mit den steigenden Temperaturen können diese Prozesse allerdings aus dem Lot geraten. Die schlimmste Folge wäre, dass die Biosphäre in ihrer Funktion als Kohlenstoffspeicher auf einen Kipppunkt zusteuert. Jenseits davon würden die Pflanzen mehr CO2 abgeben als aufnehmen. Eine aktuelle Studie kommt nun zu dem Schluss, dass dieser Moment deutlich näher liegt als bisher gedacht.

Temperaturabhängige Pflanzenatmung

Ein Grundpfeiler der weltweiten CO2-Bilanz ist die Photosynthese: Dabei nehmen die Pflanzen das Treibhausgas auf, speichern es als Biomasse und nehmen es so zunächst aus dem Kreislauf. Doch über ihre Atmung geben die Pflanzen auch Kohlendioxid an die Atmosphäre ab – der Ablauf dieser Vorgänge steht jeweils in engem Zusammenhang mit der vorherrschenden Temperatur.

Je wärmer es wird, desto schneller laufen die pflanzlichen Stoffwechselprozesse ab, was unter anderem dazu führt, dass auch mehr CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird – bis ein gewisser Schwellenwert erreicht ist, ab dem die Photosynthese-Leistung wieder zu sinken beginnt. Ist dieser Moment erreicht, atmen die Pflanzen der betroffenen Ökosysteme mehr CO2 ab, als sie über die Photosynthese speichern können.

Die Grafik illustriert den Temperaturkipppunkt, ab dem der Abbau der menschengemachten Kohlenstoffemissionen durch die Pflanzen zurückgeht.
Illustr.: Victor LeShyk, Katharyn Duffy

Kritischer Kipppunkt

Wann die globalen und regionalen Temperaturen die kritische Schwelle erreichen könnten, war bisher umstritten. Doch nun hat ein Team um Katharyn Duffy von der Northern Arizona University eine unerfreuliche Antwort gefunden: Die Forscher kamen im Fachjournal "Science Advances" zu dem Schluss, dass sich in einem Business-as-usual-Emissionsszenario ein großer Teil der Landökosysteme der Erde bis 2100 von Kohlenstoffsenken in Kohlenstoffquellen wandeln werden.

Besonders betroffen wären allerdings Biome, die aktuell den meisten Kohlenstoff speichern, insbesondere die tropischen Regenwälder und die borealen Nadelwälder. Diese könnten bereits bis zur Mitte des Jahrhunderts mehr als 45 Prozent ihrer Kohlenstoffsenken verlieren, wie aus der Analyse von Daten des globalen Messnetzwerkes Fluxnet, das den Austausch von Kohlendioxid, Wasserdampf und Energie zwischen Biosphäre und Atmosphäre erfasst, hervorgeht.

Die verschiedenen Arten von Pflanzen unterscheiden sich zwar in ihren Temperaturreaktionen, aber sie alle zeigen einen Rückgang der Photosynthese, wenn es zu warm wird, berichten die Forscher. Derzeit seien noch weniger als zehn Prozent der Landbiosphäre Temperaturen ausgesetzt, die über ihrem photosynthetischen Maximum liegen, doch das könne sich rasch ändern. "Besonders auffällig bei unseren Ergebnissen ist, dass die Temperaturoptima für die Photosynthese in allen Ökosystemen sehr niedrig lagen", sagte Vic Arcus, Biologe an der University of Waikato (Neuseeland) und Mitautor der Studie.

Skeptische Kollegen

Allerdings sind nicht alle Fachkollegen mit den Schlussfolgerungen von Duffys Team einverstanden. Die Studie gehe zwar von der bekannten und plausiblen Annahme aus, dass die Atmung – also der Kohlenstoffverlust – bei steigenden Temperaturen die Photosynthese "überholt", was sich auch in Klima-Kohlenstoffmodellen zeige. Allerdings nur, wenn der CO2-Düngeeffekt in dem Modell nicht eingerechnet wird, meint Markus Reichstein vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie, der nicht an der Arbeit beteiligt war.

"In der aktuellen Studie wird nun ein statistisches Modell verwendet, welches CO2 nicht einbezieht und dann in die Zukunft extrapoliert", so Reichstein. "Andere Faktoren außer Wasserverfügbarkeit wurden auch nicht berücksichtigt. Dies öffnet viele Möglichkeiten für Extrapolationsfehler." (Thomas Bergmayr, 14.1.2021)