Dieses Virus ist eine Qual. Für uns alle. Jeden Tag aufs Neue. Und wir haben es gründlich satt, nun wieder einmal von der Politik zu hören, dass die nächsten Wochen entscheidend sein werden. Diese Ansage kennen wir seit März 2020, und man möchte ihr am liebsten keinen Glauben mehr schenken. Doch es steht zu fürchten, dass sie auch dieses Mal ihre Berechtigung hat.

Schuld daran sind die neuen Mutationen, die noch einmal völlig neue Dynamik ins Infektionsgeschehen bringen. Dabei hat es im Dezember zunächst noch recht gut ausgesehen: Die Infektionszahlen gingen auch in Österreich endlich wieder nach unten, auch wenn sie immer noch auf hohem Niveau stagnieren. Doch insbesondere die Zulassung der hochwirksamen Impfungen gegen Covid-19 in der EU und die halbwegs zügige Auslieferung der Vakzine haben das vielbeschworene Licht am Ende des Tunnels näher rücken lassen.

Doch durch die Entdeckung der britische Virusvariante B.1.1.7 und ihre rasante Ausbreitung ist dieser helle Hoffnungsschimmer wieder etwas weiter in die Ferne gerückt. Der horrende Anstieg der Infektionszahlen in Großbritannien und Irland, der zumindest zum Teil auf die nachweislich höhere Infektiosität dieser Mutante zurückzuführen sind, lässt solche Szenarien auch für andere Länder erwarten.

Die Politik muss nun Maßnahmen treffen, ohne genau zu wissen wie groß die Bedrohung ist, die von der neuen Mutation ausgeht.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Vom Beginn der Pandemie stammt ein Satz des deutschen Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas, der angesichts der aktuellen Lage ebenfalls nichts an Gültigkeit verloren hat: "So viel Wissen über unser Nichtwissen und über den Zwang, unter Unsicherheit handeln und leben zu müssen, gab es noch nie." Tatsächlich tappen wir bei der Einschätzung des konkreten Risikos und der daraus abzuleitenden Maßnahmen – um bei der Tunnelmetapher zu bleiben – wieder einmal fast so sehr im Dunkeln wie am Beginn der Pandemie.

Unvollständige Information

Wir wissen nämlich nicht, wie sehr sich die Variante in Österreich und anderen europäischen Ländern schon ausgebreitet hat. Und wir haben im Übrigen auch keine Ahnung, ob nicht noch andere, womöglich noch gefährlichere Mutanten bereits irgendwo im Umlauf sind. Dass die höhere Ansteckungsrate von B.1.1.7 in Großbritannien auffiel, konnte fast nur dort passieren, weil man auf der Insel mehr Virusgenome sequenziert als in jedem anderen Land der Welt.

Insbesondere die Politik ist in dieser Situation nicht zu beneiden. Denn sie muss einmal mehr mit unvollständiger Information – im konkreten Fall über die Mutante B.1.1.7 – konkrete Entscheidungen treffen. Bestimmte Maßnahmen sollten aber auch in dieser ungewissen Lage selbstverständlich sein: Die Impfungen als einziger direkter Weg zum Ende des Tunnels müssen so schnell wie nur irgendmöglich durchgeführt werden, um der Mutante möglichst wenig Chance auf Verbreitung zu geben. Die Anstrengungen zur Sequenzierung des Virus sind zu vervielfachen, um – wie zu Beginn der Pandemie durch das Testen – einen besseren Überblick über das Infektionsgeschehen zu haben.

Alle anderen Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionsraten sollten so gut wie nur möglich beibehalten werden, ergänzt um sinnvolle Nachjustierungen – egal ob es nun um noch regelmäßigere Tests geht oder um mehr FFP2-Masken.

Ich weiß, wir können es schon nicht mehr hören: Aber es kommt wirklich auf die nächsten Wochen an. (Klaus Taschwer, 13.1.2021)