Der Kugelblitz ist ein sagenumwobenes und geheimnisvolles Naturphänomen. Physiker sind sich nicht so recht einig darüber, wie man ihn erklären kann, ob es ihn - über die Sinneseindrücke allfälliger Zeugen hinaus - überhaupt gibt. Er ist jedenfalls sehr, sehr selten und von daher muss es ein wahrer Glücksgriff gewesen sein seitens des burgenländischen Homöopathieherstellers Remedia. Die haben tatsächlich einen Kugelblitz eingefangen, ihn vermutlich lege artis "potenziert", auf Globuli aufgetragen, in Fläschchen gefüllt und im Webshop feilgeboten. Kugelblitz-Zäpfchen gab es auf Anfrage auch, das brennt vermutlich etwas, frage nicht!  

Und plötzlich war er wieder weg, der Kugelblitz als Arznei

Nachdem ich die Sache mit dem Kugelblitz in einem Tweet in guter Laune im Oktober des Vorjahres thematisierte, verschwand die homöopathische Medizin aus dem Webshop. Insofern wage ich zu behaupten: eine Zeile von mir wirkt nachweislich mehr als alle 6.500 (!) im Remedia-Webshop gelisteten Mittelchen zusammen. Eine Anfrage an Remedia, wie man die Substanz Kugelblitz den eingefangen habe und warum sie plötzlich aus dem Bauchladen verschwunden ist (Haltbarkeit?) blieb seitens des Unternehmens aus Eisenstadt unbeantwortet.  

Hundescheiße, aber nicht irgendeine

Hinter dem Unternehmen Remedia, einem Tochterunternehmen der Salvator-Apotheke in Eisenstadt, und deren umfangreichem Portfolio, steht der Pharmazeut Robert Müntz. Er ist auf der ganzen Welt unterwegs, "um Grundstoffe für neue homöopathische Arzneien zu suchen und individuelle Arzneiwünsche seiner weltweit 60.000 Kunden zu erfüllen." Über die Abenteuer beim Sammeln von allerlei Substanzen für tolle Medizinen berichtet der Apotheker in seinem Buch "Fledermäuse melken am Amazonas."

Und bei der Fledermausmilch endet unsere Fantasie noch lange nicht, der gute Geschmack indes schon. Denn bis vor einiger Zeit fand man in der Kollektion von Remedia auch diese Arznei: Excrementum caninum, auf Deutsch: Hundekot. Natürlich nicht irgendeines Hundes, die Produktbeschreibung auf der Remedia-Webseite ging da sehr ins Detail: "Kot eines mit Kuhpansen gefütterten Mischlingshundes (Mutter Schäferhündin, Vater Mischling aus ungarischem Schäferhund und Setter)." Allerdings dürfte in dem Fall nicht Müntz selbst beherzt in einem Park in die Wiese gegriffen haben, als Hersteller der Ursubstanz wird, sieht man vom Verdauungstrakt des Vierbeiners ab, das Unternehmen Helios in London angeführt. Dort ist die arzneiliche Hundescheiße aber mittlerweile auch verschwunden, im Produktkatalog finden wir nur noch den Kot der indischen Python. 

Die ungewöhnlichsten Essenzen finden die Homöopathiker.
Foto: REUTERS/Eric Gaillard

Arzneimittelprüfung - die meinen das ernst

Der liebe Gott ist leider mit seinen Prüfungen für unseren Geschmack noch nicht zu Ende. Denn es gibt in der Tat "Arzneimittelprüfungen" zur Substanz Hundekot. Dabei testen kühne, aber gesunde Probanden die jeweils stark verdünnte Sache. Was auch immer ihnen bei der Testung einer Substanz als Ungemach begegnet: In der wirren Umkehrschublogik der Homöopathen sind all das die Indikationen, bei denen einem Kranken mit dem Mittel geholfen werden könne. In den 90er-Jahren haben die beiden deutschen Homöopathen Hans Eberle und Friedrich Ritzer den Hundekot genauer unter die Lupe genommen: "Durch die Beendigung von lähmender Fremdbesetzung, von Mißbrauch und eigener Bequemlichkeit führt Ex-can. zum Finden des Eigenen".

Eher neu scheint eine g'schmackige Präsentation des Homöopathienetzwerks Basel, samt weniger schöner Bilder diverser Hundehaufen. Ich muss Sie vorab enttäuschen: das ist keine Satire, die meinen das ernst. Falls Ihnen jetzt graust. Die Homöopathen empfehlen im Fall von Ekel als Medikation den Hauch der Herbstzeitlose. Falls es Ihnen jetzt gelingt, mit dem Gedanken an die Blume den Gedanken an Hundekot zu verdrängen, kann keiner mehr sagen, Homöopathie wirke nicht. (Christian Kreil, 22.1.2021)

Christian Kreil bloggt seit drei Jahren rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Am 15. Februar erscheint sein Buch "Fakemedizin".