Kampfhund Jason Williamson (links) und Raucher Andrew Fearn.

Foto: Rough Trade

Kunst muss nicht unbedingt dafür herhalten, dass man sich danach besser fühlt. Manchmal ist man auch schon froh, dass sie irgendwann vorbeigeht. Oft geht es bei Kunst um ein Gefühl der Erleichterung. Erlösung wäre ein zu großes Wort. Man ahnt ja schon recht früh im Leben, dass sich später einmal nichts zum Besseren wenden wird. Bei der Kunst des britischen Duos Sleaford Mods handelt es sich um eine musikalische und textliche Ausdrucksform, bei der man sich definitiv nicht wohlfühlt. Kurz gesagt, es zieht sich auf die Dauer ein wenig.

Jeder kennt solche Typen. Sie haben dir im Pub die ganze Nacht Gift und Galle ins Bier gespuckt, während sie dir dauernd auf die Schulter geklopft haben. Früher war alles besser, obwohl es damals auch schon ziemlich ... you know. Die Regierung, die Hackn, die fehlenden Perspektiven, alles wird immer teurer, der Fußballklub hat wieder verloren. Nag, nag, nag. Am nächsten Tag brummt der Schädel. Der Magen rumort. Er läuft etwas unrund. Oder sind das die Nachwirkungen der dumpfen Bässe aus der Jukebox? Egal, bitte ein Samarin.

Sleaford Mods

So muss man sich die Ausgangslage von Spare Ribs, dem mittlerweile siebten Album der Sleaford Mods, vorstellen. Während Jason Williamson, der physiognomisch einem Kampfhund immer ähnlicher wird, die Zähne fletscht, um dir während der nächsten knappen Stunde mit dem groben Akzent der britischen Midlands seine Welterklärungstiraden und seine pessimistische Einschätzung der Gesamtsituation als sprechsingender Amokläufer deklamierend um die Ohren zu hauen, hat der musikalische Direktor Andrew Fearn schon längst auf die Playtaste gedrückt.

Für heute ist sein Job erledigt. Er kann sich eine Sportzigarette anzünden und hinter dem schon etwas in Mitleidschaft gezogenen Laptop versuchen, beim Wackeln im Takt nicht umzufallen. Andrew Fearn erarbeitet die Musik wie schon bei allen Vorgängerarbeiten allein im Homeoffice und genießt es ab dann live, cool zu warten, bis es vorbei ist.

"What do you get for killing me?!"

Wuchtige Beats und knackige, einmal bohrende, einmal rumorende, aber unbedingt punkige Bassriffs und ein paar Soundeffekte reichen. Alles andere würde Jason Williamson während seines Vortrags nur stören. Dieses Mal geht es in musikalisch durchaus einmal – großes Wort! – geschmeidiger angelegten Stücken wie Mork ’n’ Mindy natürlich wieder um die Tristesse und das Elend in den sozialen Brennpunkten Großbritanniens. Mit der jungen Gastsängerin Billy Nomates, die in ihren eigenen Songs ein wenig an die frühe PJ Harvey erinnert, kommt so ein Verzweiflungsschrei im Duett auch gleich besser an.

Sleaford Mods

Weitere Gäste, die britische Anarchistin Lisa McKenzie und die australische Punksängerin Amy Taylor. Man wettert etwa in Nudge It gegen Hipster aus gutem Hause, die vorgeben, aus der Arbeiterklasse zu stammen. In Shortcummings geht es gegen Dominic Cummings, den ehemaligen Berater Boris Johnsons, und überhaupt den Brexit an sich: "What do you get for killing me?!" Ein wuchtiges Statement zur Lage.

Wer auch die zärtlichere Seite von Jason Williamson kennenlernen will: Auf dem Instagram-Account der Sleaford Mods gibt der Mann gern den erotischen Zuckerbäcker. Das ist mindestens gewöhnungsbedürftig. (Christian Schachinger, 14.1.2021)