Weder Wetter noch Gegner meinten es in Kiel gut mit den Bayern.

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Nach dem Pokal-Out gegen den Zweitligisten Holstein Kiel wirkten die Kicker des FC Bayern wie die Markenbotschafter des Jahres 2020: verlorene Blicke, hängende Schultern, das alles im Kieler Schneegestöber. "Das Ausscheiden ist brutal, das muss man erst einmal sacken lassen", sagte Thomas Müller. "Es ist sicherlich nicht gerade die beste Phase des FC Bayern." Der Flügelspieler ließ sich in seiner Frustration sogar auf ein Wortgefecht mit der ARD-Reporterin ein, für das er sich am nächsten Morgen entschuldigte.

Kiels Kapitän Hauke Wahl hatte den norddeutschen Außenseiter mit dem 2:2 in der 95. Minute in die Verlängerung gerettet, im Elferschießen verschoss Marc Roca den vorentscheidenden Penalty. So bekam Fin Bartels vom Punkt die Gelegenheit, sein persönliches Bayern-Trauma auszuradieren. Der langjährige Werder-Kicker hatte davor in zwölf Partien gegen den Serienmeister null Punkte und eine Tordifferenz von 4:43 gesammelt. An diesem Mittwochabend triumphierte der 33-Jährige, schickte Manuel Neuer in die falsche Ecke. 6:5 im Elferschießen, die Kieler kippten in Ekstase, mimten die Markenbotschafter des Jahres 2022, wie wir es uns erhoffen.

Bayern im Tief

Für Bayern war es nach dem 2:3 gegen Borussia Mönchengladbach bereits die zweite Niederlage 2021, eine mehr als im ganzen Jahr 2020. Der Rekordmeister hatte dabei sogar noch ein wenig Glück – Serge Gnabrys Treffer zum 1:0 hätte wegen Abseits nicht zählen dürfen, auch das Foul vor Leroy Sanés perfektem Freistoß zum 2:1 hätte wohl nicht jeder Referee gepfiffen.

Anhänger von aussagelosen Statistiken könnten Bayerns Blamage im DFB-Pokal ja als gutes Zeichen sehen: Als die Münchner zum letzten Mal in der zweiten Runde des Pokals scheiterten, schlossen sie die Saison als deutscher Meister und Champions-League-Sieger ab. Aber Bayern war 2020 Triple-, je nach Inklusion fragwürdiger Bewerbe wie dem Uefa-Supercup sogar Quadruple-, Quintuple- oder Sextuple-Champion. Da macht ein Scheitern im Pokal schon unglücklich.

Hoch und weit bringt Sicherheit

Gegen die Bayern Tore zu schießen, ist seit Monaten erschreckend simpel, wenn auch nicht immer einfach. Die Mannschaft steht hoch, fährt aber wie die gesamte Konkurrenz angesichts des dichten Spielplans weniger intensives Pressing. So gehen sich schon mal ein, zwei befreiende Kurzpässe aus – und dann der lange Ball in die endlosen Weiten zwischen der letzten Verteidigungslinie und Goalie Neuer. Bartels hatte beim 1:1 genug Grün vor sich, um eine halbe Rinderherde mit Futter zu versorgen – und so viel Vorsprung, dass ihn auch der wirklich flotte Bouna Sarr nicht mehr einholte. "Es kommt mir so vor, als ob der Code so langsam entschlüsselt wird", sagte ARD-Experte Bastian Schweinsteiger. Trainer Hansi Flick widersprach, er monierte: "Wir müssen die zentrale Mitte besser absichern, das war eindeutig so abgesprochen."

Kiels Fans veranstalteten vor dem Stadion ein Hupkonzert, zündeten Feuerwerke. "Das war ein Erlebnis, an das wir alle noch lange denken werden", sagte Trainer Ole Werner. Der 32-Jährige hatte sich schon im Vorfeld kämpferisch gegeben und betont, er habe "eine Idee, wie Räume für uns entstehen könnten". Das Ergebnis gibt ihm Recht – und seine Idee werden Bayerns nächste Gegner kopieren. (Martin Schauhuber, 14.1.2021)