Ein unterernährtes Kind in einem Krankenhaus in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa: Die internationale Hilfe könnte bald ausbleiben.

Foto: EPA/YAHYA ARHAB

Nur geringe Erfolgsaussichten haben Appelle wie jener am Donnerstag von Mark Lowcock an die scheidende US-Regierung, ihre Entscheidung zu revidieren, die jemenitischen Ansarallah – besser bekannt als Huthi-Rebellen – doch nicht auf gleich zwei US-Terrorlisten zu setzen, als "Foreign Terrorist Organization" und als "Specially Designated Global Terrorist"-Gruppe. Die Zahlen Lowcocks, des Chefs des Uno-Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), sind dramatisch: Etwa 50.000 Menschen im Kriegsland Jemen sind bereits von einer echten Hungersnot betroffen – viele von ihnen werden sterben –, 16 Millionen leiden an Hunger, fünf Millionen sind nur einen Schritt entfernt davon.

Die Huthis kontrollieren etwa ein Drittel des jemenitischen Territoriums mit etwa 20 Millionen Einwohnern, unter anderem die Hauptstadt Sanaa – fast sechs Jahre nachdem eine saudisch-geführte Militärkoalition gegen sie in den Krieg eingetreten ist. Die Huthis, ursprünglich Rebellen mit lokaler Bedeutung im Norden Jemens, übernahmen Sanaa im Herbst 2014, im März 2015 drohten sie auch den gesamten Süden des Jemen, inklusive Aden, zu überrennen.

Über die Huthis lässt sich kein gutes Wort verlieren: Sie sind eine fanatisierte islamistische Verbrecherbande, die "Tod den Juden" in ihrem Banner trägt und die eigene Bevölkerung terrorisiert. Als international oder global agierende Terrororganisation sind sie nicht in Erscheinung getreten. Saudi-Arabien sieht das naturgemäß anders: Regelmäßig beschießen die Huthis saudisches Territorium mit Raketen – wobei jedoch auch der saudische Krieg im Jemen hauptsächlich aus der Luft geführt wird und viel zu viele zivile Ziele getroffen werden.

Keine Ausnahmen

"Gegen den Rat praktisch aller, die im humanitären, wirtschaftlichen und diplomatischen Bereich zu Jemen arbeiten", so schreibt die International Crisis Group (CG), erfolge der US-Schritt, der am Tag vor der Angelobung Joe Bidens in Kraft treten soll. Damit wird das von den Huthis gehaltene Gebiet praktisch isoliert. Auch im US-Kongress gibt es kritische Stimmen, denn Ausnahmen und Lizenzen für in Jemen tätige Hilfsorganisationen, aber auch für den Import von Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Gütern durch den Privatsektor wurden noch nicht ausgearbeitet. Das ist umso erstaunlicher, als die Listung der Huthis als Terrororganisation ein Projekt ist, an dem das US-Außenministerium bereits lange arbeitet.

Die Entscheidung dürfte zwei Hauptstoßrichtungen haben: Erstens hinterlässt man einmal mehr der antretenden Biden-Regierung Fakten, die ihr den Start und die Aufnahme einer eigenen politischen Linie erschweren. US-Außenminister Mike Pompeo schießt derzeit in hoher Geschwindigkeit neue Maßnahmen aus dem State Department, die sein Nachfolger, Anthony Blinken, erst einmal in den Griff bekommen muss. Eine Organisation wie die Huthis von der Terrorliste wieder herunterzunehmen ist politisch heikel. Washington wird sich also vor allem damit beschäftigen müssen, die humanitären Folgen abzumildern.

Zweitens – und vor allem – sind die neuen Maßnahmen gegen die Huthis auch Teil der "Maximum Pressure"-Politik der Trump-Regierung gegen den Iran. Sie hat ja nicht die erwünschten Resultate erzielt, nun sollen noch ein paar Pflöcke eingeschlagen werden.

Sanktionsmaschinerie

Neue Sanktionen gegen iranische Organisationen und Personen, aber auch gegen mit dem Iran assoziierte Organisationen und Personen im Irak sind an der Tagesordnung. Pompeo hat auch argumentativ die Schlagzahl erhöht, so vergleicht er neuerdings das Verhältnis Teherans mit Al-Kaida mit jenem, das Afghanistan unter den Taliban zur Terrororganisation Osama bin Ladens hatte: eine operative Terrorkoalition. Oder im Fall des irakischen schiitischen Milizenführers Abdul-Aziz al-Mohammadawi (alias Abu Fadak): US-Sanktionen gegen ihn sind nachvollziehbar, die US-Behauptung, dass er mit dem "Islamischen Staat" im Irak zusammengearbeitet haben soll, nicht.

In den Kontext des Drucks auf den Iran gehören auch die ungewöhnlich starken israelischen Luftangriffe in gleich zwei syrischen Städten, Deir al-Zor und Bukamal, Letztere an der Grenze zum Irak. Dabei sollen unter anderem Lagerhäuser getroffen worden sein, in der die iranischen Revolutionsgarden beziehungsweise schiitische Milizen Raketen untergebracht hatten. Der Iran soll daran gehindert werden, die US-Transitionen zu nützen, sich noch mehr in Syrien festzusetzen. Der erhöhte israelische Druck ist auch in Beirut zu fühlen, das immer wieder von israelischen Kampfjets und Drohnen überflogen wird.

Anzeichen, dass der Iran Wirkung zeigt, gibt es bisher nicht. Auch dass sich die jemenitischen Huthis von Teheran distanzieren und einlenken könnten, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil, die Abhängigkeit wird weiter wachsen. Und eine Revolte der erschöpften Bevölkerung gegen die Huthis ist auch nicht zu erwarten.

Das Jemen-Mantra

Das Vertrauen der Menschen in den Huthi-Gebieten in die völlig von Saudi-Arabien abhängige international anerkannte Regierung von Abd Rabbo Mansur Hadi ist ebenfalls gering. Wie ein Mantra wird seit Jahren wiederholt, dass ohne die Einbindung der Huthis beziehungsweise der Zaiditen – der religiösen Gruppe, der sie angehören und die mindestens 30 Prozent der jemenitischen Bevölkerung ausmacht – keine Beendigung des Kriegs möglich ist. (Gudrun Harrer, 15.1.2021)