Oscarpreisträger, Schönling und Texaner aus Überzeugung: Matthew McConaughey hat zum 50er eine Bio geschrieben – nicht ganz so wie in "Beach Bum".

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Eine Alarmanlage im Kopf – so könnte man es bezeichnen. Ein feuchter Traum, der immer dann wiederkehrt, wenn das eigene Leben einer trügerischen Monotonie verfällt und etwas im Unbewussten an das große Abenteuer da draußen erinnert. Mehrmals erzählt der US-Schauspieler Matthew McConaughey in seiner Biografie Greenlights von demselben Traum. Er treibt auf dem Rücken im Amazonas, vorbei an afrikanischen Indigenen, friedvoll umringt von Schlangen und Piranhas. Und dann kommt er.

Weil der Amazonas nicht in Afrika fließt, bieten sich gleich zwei Anlässe für ausgedehnte Reisen an. Auf beiden wagt sich McConaughey tief in den Dschungel hinein, um durch Erweckungserlebnisse, sei es durch Schmetterlinge oder einen Wrestlingkampf, geläutert zurückzukehren und seiner Karriere eine Richtungsänderung zu verpassen.

Wem dieses Lebensprinzip schon ein wenig esoterisch erscheint, dem sei gesagt: Es lässt sich überbieten. Denn auch von Jim Carrey gibt es jetzt ein Buch, das ins Innere des US-Stars blicken lässt. Und es sieht dort gar nicht gut aus. Wie als Anspielung auf Billy Wilders Hollywood-Film-noir Sunset Boulevard treibt er, einen Toten mimend, im eigenen Pool, wenn er nicht gerade auf seinem Fernseher obskure Netflix-Dokus schaut, die nahtlos in die Wirklichkeit des nicht mehr ganz so begehrten Komikers übergehen.

Memoiren und Falschinformationen ist so etwas wie "The Jim Carrey Show", in Variation auf einen seiner berühmtesten Parts: ein satirischer Roman, den der Komiker gemeinsam mit dem US-Autor Dana Vachon geschrieben hat. Eine surreale Meta-Bio, da Carrey, wie er in der New York Times lakonisch meinte, nichts langweiliger fand, als über seine eigene Laufbahn zu brüten.

Glückskeks und Abenteuer

Allerdings lässt sich auch McConaugheys Buch Greenlights nur schwer als konventionelle Biografie bezeichnen. Mit "Bumperstickers" durchsetzt – Post-its, welche die in den USA beliebten Sprüchlein auf Stoßstangen imitieren –, erinnert es mehr an ein verspieltes Tagebuch, in dem sich Lebensweisheiten, wie man sie aus chinesischen Glückskeksen kennt, mit Gedichten und Abenteuern aus der Laufbahn des Oscarpreisträgers abwechseln.

McConaugheys Karriere in Hollywood ist reich an Hakenschlägen. Der aus Texas stammende Südstaaten-Sonnyboy hatte in Richard Linklaters Generationsporträt Dazed and Confused seinen ersten Auftritt, wurde Anfang 2000 als Rom-Com-Beau zur Erfolgsmarke, ehe er sich zum wagemutigen Method-Actor wandelte, der für die Darstellung eines Aidskranken in Dallas Buyers Club über 20 Kilos abspeckte.

Doch Greenlights ist kein Hollywood-Insider-Buch, sondern mehr der Lebensratgeber eines Stars, der uns gut gelaunt davon überzeugen will, wie er dem System widerstehen konnte. "Grünlicht", also freie Fahrt bei den Ampeln, gewährt ihm sein Glaube, dass man auch gegenüber dem "Unausweichlichen" ein Maß an Unabhängigkeit bewahren kann. Man muss sich nur anpassen können, elastisch reagieren.

"Blue Collar Kid"

Sympathisch bleibt er dabei alleweil. Als "blue collar kid", das unter einem Vater aufwuchs, der noch an fragwürdigen Initiationsritualen festhielt, ist er bis heute seiner Herkunft verbunden. Liberale Imperative klingen für ihn schal. In seiner Verteidigung eines ländlichen Amerikas, in dem Werte hochgehalten und Widersprüche ausagiert werden, aber der Respekt gegenüber anderen ebenso wichtig ist, widersetzt sich Greenlights dem aktuellen Bild eines klar gespaltenen Landes.

Selbst wenn man nackt und eingeraucht beim Bongo-Spielen von der Polizei abgeführt wird, muss man wieder bei der Vordertür hinausgehen. McConaughey singt ein Lied auf den Individualismus, auf die Freiheit, sich selbst ein Bild zu machen. Den Airstream, einen Edel-Aluminium-Wohnwagen, mit dem er wie ein Vagabund auf den Straßen lebte, nennt er sein ideales Büro. In einer kleinen Bar in Montana, bei einer Runde von trinkfreudigen Aussteigern, spürt er das Herz des Landes auf. Und dann wird er noch glücklicher Vater.

Liest man Carreys Memoiren, ist man sofort überzeugt, dass er damit die gesündere Wahl getroffen hat. In einer atemlosen Prosa, die auf Deutsch etwas sperrig wirkt, erzählen sie von seinem Comebackversuch – allerdings ausgerechnet mit einem Biopic über Mao! Und das ist noch der verständlichste Teil der Handlung, in der der legendäre Rodney Dangerfield, ein Idol von Carrey, als Nashorn wiederkehrt, eine Marilyn-Monroe-Wiedergängerin sich kurz an der Libido des Komikers erfreuen kann oder sich Nicolas Cages Wahn einer Alien-Invasion zu bewahrheiten scheint.

Carrey beschert Hollywood eine wie unter Drogen geschriebene Untergangsvision, die jedoch den nicht ganz so kleinen Makel hat, dass man selbst davon ausgeschlossen bleibt. Am gelungensten sind paradoxerweise manche aufrichtig empfundene Momente: eine Erinnerung daran, wie er die schwerkranke Mutter als Kind zum Lachen bringen wollte, oder eine Ode auf Chaplin: "Er war über das Nichts hinweg Rollschuh mit verbundenen Augen gefahren." (Dominik Kamalzadeh, 15.1.2021)