Robert Seeber macht sich Sorgen um die Tourismusbetriebe.

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Wien – Es ist Mitte Jänner, und im Tourismus ist die Wintersaison wegen Corona de facto noch nicht angelaufen. "Wir haben den Lockdown, wir haben die Weihnachtsfeiertage gehabt – es hat sich nichts abgespielt", betonte der Branchensprecher in der Wirtschaftskammer Österreich, Robert Seeber, und drängte auf eine zügige Öffnung der Betriebe. Er hofft auf das Ende der behördlichen Schließungen am 24. Jänner.

"Es ist nichts anderes als ein kalkuliertes Risiko, wenn wir jetzt aufsperren – wir haben ja bewährte Präventions- und Hygienekonzepte und bieten flächendeckende Tests an", argumentierte der Obmann der WKO-Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft. "Wir müssen uns jetzt auf das Semester- und Ostergeschäft konzentrieren." Das gelte auch für den Städtetourismus und die Veranstalterbranche.

Abhängig von Infektionslage

Dem könnte allerdings die Infektionslage – vor allem die jüngste Ausbreitung der noch infektiöseren, britischen Mutationsvariante des Coronavirus – einen Strich durch die Rechnung machen. Der seit Mitte dieser Woche kolportierte Plan der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Lockdown in Deutschland bis Ostern zu verlängern, ist eine weitere Hiobsbotschaft für die ohnedies schon geknüppelte Branche. Denn aus dem nördlichen Nachbarland kommt normalerweise das Gros der Gäste in den heimischen Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen.

"Ohne den ausländischen Touristen geht es nicht – die großen Skigebiete in Westösterreich sind natürlich geprägt vom ausländischen Gast", räumte Seeber ein. Dort gebe es in diesem Winter "Ausfälle von über 90 Prozent". Es fehlen vor allem die Deutschen und die Niederländer. Österreichweit belaufe sich das Minus auf etwa 80 Prozent.

"Das verheißt für Österreich nichts Gutes, wenn sich um Österreich herum das Infektionsgeschehen so gestaltet", weiß Seeber. Doch auch Österreich selbst gilt als Risikogebiet und ist mit zahlreichen Reisewarnungen seitens anderer Länder konfrontiert. "Wenn tatsächlich nochmal ein Lockdown kommen sollte, würde ich mir von der Politik erwarten, dass es entsprechende zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen gibt", so der Branchensprecher. Sollten die Hotelschließungen über den 24. Jänner hinausgehen, "ist unsere Forderung ganz klar: Umsatzersatz für den Jänner – da werden wir mit dem Fixkostenzuschuss nicht mehr das Auslangen finden".

Umsatzeinbußen

Die bisherige Bilanz der Branche ist insgesamt ernüchternd, wie auch aus einer Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts Market hervorgeht, die Anfang Jänner durchgeführt wurde. Die Sorge um einen möglicherweise verlängerten Lockdown in Deutschland bis in den April ist darin also noch gar nicht abgebildet. Rund zwei Drittel der befragten Tourismusbetriebe rechnen für den heurigen Winter, zwischen Dezember und April, mit Umsatzeinbußen von "mindestens 50 Prozent" gegenüber dem Vorjahr. Der Rest erwartet sogar ein Minus von "mindestens 76 Prozent". Die aktuelle Stimmungslage betreffend Tourismus wurde unter rund 1.000 Österreichern und 500 Betrieben erhoben.

Die weitere Zukunft für das Geschäft ist düster: Für die verbleibenden Monate Jänner bis März sehen die Betriebe im Schnitt einer Auslastung von 30 Prozent entgegen. 42 Prozent der Befragten befürchten sogar, dass es lediglich "bis zu 10 Prozent" werden. "Von zehn Gästebetten ist da nur eines befüllt und neun stehen leer", verdeutlichte Market-Vorstand David Pfarrhofer bei der Präsentation der Umfrage. Die Auslastungs- und Umsatzerwartungen seien "katastrophal".

Nur ein Viertel der befragten Österreicher hat vor, heuer einen Winterurlaub zu machen. Vergangenes Jahr buchte den Angaben zufolge jeder Zweite. Die Kurzfristigkeit der Buchungen nimmt angesichts der Corona-Pandemie weiter zu, kostenloses Storno infolge einer geänderten Infektionslage wird erwartet und angereist wird individuell, mit dem Auto. 70 Prozent können sich auch das "Reintesten" vorstellen.

"Ich hoffe, wir bekommen möglichst schnell die Rückmeldung, dass wir jetzt öffnen, damit wir aus dem psychologischen Tief herauskommen", bekräftigte Seeber. "Wir müssen einfach raus aus dem Lockdown, dieses ewige Zusperren macht einen fertig, das geht auf die Psyche", sagte der Branchensprecher, der selbst eine Reihe von Gastronomiebetrieben in Linz führt. "Es sind 100.000 Einzelschicksale, die damit verbunden sind und es stehen viele mit dem Rücken zur Wand."

Strategie vermisst

Hoffnung spenden jedenfalls die Aussicht auf verfügbare Impfstoffe und die von der Regierung geplante Ausweitung der Corona-Tests. "Die Teststrategie ist ein wichtiger Überbrückungsschritt – es ist eine Hilfe", ist sich der Tourismusobmann sicher. "Das 'Reintesten' ist der richtige Ansatz – auch für Veranstaltungen, größere Gruppen und Formate mit größerer Teilnehmerzahl." Kritisch sieht Seeber allerdings die Pläne für die Gastronomie: "So wie es angedacht ist – Antigentests durchzuführen – ist es meines Erachtens nicht praktikabel", meinte er. "Ein Antigentest für einen Prosecco oder schnellen Kaffee", setzte er erklärend nach. Hier müsse man die Kirche im Dorf lassen.

Insgesamt vermissen die Unternehmer Eckpunkte einer Öffnungs-, Coronatest- und Impfstrategie seitens der Politik, also konkrete Rahmenbedingungen, an denen sie sich orientieren können, um vom "ewigen Stop-and-go und Stand-by" loszukommen. Doch die Regierung habe mit den Maßnahmen, die sie bereits getätigt habe, "eine gute Performance hingelegt". Ohne Unterstützungsmaßnahmen würde es viele Betriebe jetzt nicht mehr geben, so Pfarrhofer. Am meisten geholfen hätten der Umfrage zufolge der Umsatzersatz, gefolgt von Fixkostenzuschuss, Steuerstundungen, Härtefallfonds und Kurzarbeit.

Dieses Wochenende will die Regierung entscheiden, wie es mit dem harten Lockdown weitergeht, also welche Öffnungsschritte es ab dem 25. Jänner geben soll. Heute finden noch Gespräche mit den Landeshauptleuten und den Sozialpartnern statt. (APA, 15.1.2021)