Seit dem Beginn der Halbleiterelektronik in den 1940er- Jahren und der Entwicklung der Transistoren und Solarzellen, dominiert Silizium das Rennen um den besten Halbleiter aller Zeiten. Die Bausteine moderner Computerchips basieren zum Großteil auf Silizium, was wenig überraschend ist, da die Siliziumtechnologie in den letzten Jahren bis zur Perfektion weiterentwickelt wurde. Dennoch stößt Silizium langsam an seine Grenzen. Verbindungshalbleiter, die aus zwei oder mehr Elementen zusammengesetzt sind, wie zum Beispiel Galliumnitrid (GaN), übertreffen Silizium in puncto Geschwindigkeit, Lichtdetektion beziehungsweise -emission, und Spin-Transport, was Anwendungen wie 6G und selbstfahrende Autos ermöglichen werden.

Was ist ein Halbleiter?

Wie der Name schon sagt, können Halbleiter, ähnlich wie Metalle, Strom leiten. Der Vorteil liegt darin, dass bei Halbleitern die Leitfähigkeit von Strom nach Belieben bei der Herstellung eingestellt werden kann. Dies ermöglicht die sogenannte Bandlücke - aber was versteht man darunter? Nun, die Energiezustände - ob angeregt oder in Ruhe - die Elektronen in einem Halbleiterkristall einnehmen, können mit dem quantenmechanischen Bändermodell beschrieben werden. Bei Halbleitern und Isolatoren haben diese Energiebänder eine Lücke – das heißt, es gibt einen Energiebereich, in dem es für Elektronen keinen Platz gibt. Das kann man sich dann wie einen Fluss vorstellen: die Elektronen müssen diesen überqueren, um von ans andere Ufer zu gelangen und Strom leiten zu können. Bei Metallen gibt es diesen Fluss beziehungsweise diese Energielücke nicht.

Um die Leitfähigkeit zu ändern, wird der Halbleiter dotiert. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit einem auf dem Fluss fahrenden Ausflugsschiff, voll beladen mit Passagieren (Ladungsträgern). Die Ladungsträger können entweder Elektronen oder Löcher (also freie Plätze für die Elektronen) sein. Je mehr Passagiere sich auf dem Schiff befinden, umso leichter kann einer davon an das Flussufer gelangen und somit Strom leiten. Diese Dotierung wird durch die Beifügung von Fremdatomen erreicht.

Silizium und Galliumnitrid sind Halbleiter, das bedeutet, dass sie fast so gut Strom leiten können wie ein Metall, aber auch isolierend sein können.

Die Bandlücke als Fluss dargestellt und das Farbspektrum von auf GaN basierenden Leuchtdioden.
Grafik: A. Navarro-Quezada

GaN-basierte Leuchtdioden

Durch diese Bandlücke weisen Halbleiter außerdem noch eine zusätzliche Eigenschaft auf: Sie können leuchten. Die Elektronen benötigen Energie, um vom unteren (Valenzband - ruhe Zustand) ans obere (Leitungsband - angeregtem Zustand) Flussufer zu gelangen. Da Elektronen jedoch immer den Zustand der geringsten Energie bevorzugen - genau wie wir -, können sie spontan wieder in das Valenzband wechseln. Es gilt dabei das Prinzip der Energieerhaltung: es darf keine Energie verloren gehen. Die Elektronen geben die beim Übergang freigesetzte Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung ab - kurz gesagt: Es leuchtet. Die Farbe des Lichts hängt davon ab, wie groß die Energielücke ist. Somit ergibt die Breite des Flusses die Wellenlänge des Lichts.

Galliumnitrid hat eine Bandlücke von 3,4 Elektronenvolt (eV), was einer Wellenlänge von 360 Nanometern (nm; 0.00000036 m) entspricht, also ultraviolettes (UV) Licht. Gibt man jedoch zusätzlich Indium dazu, wird die Bandlücke kleiner und die Wellenlänge des emittierten Lichts größer – somit kann blaues und grünes Licht erzeugt werden.

Um die Aussendung des Lichts zu kontrollieren, kommen Leuchtdioden (LEDs) ins Spiel: dazu können rund um die leuchtende Halbleiterschicht zwei dotierte Schichten angebracht werden. Eine n-dotierte, also eine Schicht mit einem Überschuss an Elektronen, und eine p-dotierte, mit einem Mangel an Elektronen (oder einem Überschuss an Löchern). Durch das Anlegen von Strom treffen sich die Elektronen und Löcher in der Mitte und rekombinieren – also die Elektronen fallen in das „freie“ Loch. Dabei wird auch Licht ausgesendet. Je mehr Elektronen und Löcher durch die dotierten Schichten erzeugt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für die Lichtemission. Für die blaue LED aus GaN erhielten Isamu Akasaki und Hiroshi Amano 2014 den Nobelpreis für Physik.

Man kann die Bandlücke von GaN auch vergrößern, indem man Aluminium beifügt. Dadurch ist es zum Beispiel möglich, eine LED im tiefen ultravioletten (DUV) Bereich herzustellen. LEDs haben ein breites Anwendungsgebiet, da sie energiesparend und kostengünstig herzustellen sind. Zum Beispiel werden DUV-LEDs zur Desinfektion von Wasser verwendet, da eine Wellenlänge unter 280 nm die Bindungen von organischen Molekülen aufbrechen kann. Dies führt dazu, dass Viren und Bakterien inaktiv werden. GaN-basierte LEDs und Laser könnten auch für die Telekommunikation eingesetzt werden, da die Beifügung von Magnesium und Mangan gemeinsam eine Emission von infrarotem Licht bewirkt.

Silizium hat eine sehr kleine Bandlücke, kann jedoch nicht so einfach leuchten. Das liegt daran, dass der kürzeste Übergang nicht direkt ist, das heißt, dass die Elektronen zusätzlich Hilfe brauchen, um zur anderen Uferseite zu gelangen, wie zum Beispiel durch den Stoß eines „fliegenden“ Fisches, wie im Bild dargestellt. Daher ist es sehr schwierig, Silizium zum Leuchten zu bringen.

Im Labor hergestellte GaN-basierte blaue LED.
Foto: A. Navarro-Quezada

Mehr als nur leuchten

Galliumnitrid kann aber weit mehr als nur leuchten. Es ist robust und ungiftig, was Anwendungen in verschiedensten Umgebungen ermöglicht, die vom Weltraum bis in die Medizin reichen. Durch die zusätzliche Zugabe von Übergangsmetallatomen, wie Mangan oder Eisen, kann GaN zu einem magnetischen Halbleiter werden.

Während sich die Manganatome in GaN bis zu einer Konzentration von zehn Prozent homogen verteilen lassen, haben Eisenatome eine sehr viel geringere Solubilitätsgrenze, ähnlich wie zu viel Zucker in Wasser. Dabei bilden die Eisenatome gemeinsam mit dem Stickstoff im GaN kleine magnetische Nanokristalle, die zwischen fünf und 30 nm groß sind. Die Größe, Form, Kristallstruktur und Anzahl dieser Nanokristalle können nach Belieben während der Herstellung geändert werden, was zu unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften führt. Die Richtung der internen Magnetfelder der Nanokristalle kann durch ein externes Magnetfeld geschaltet werden, und so werden potentielle Anwendungen in Speichermedien ermöglicht.

ScienceSlamAustria

Im österreichischen Science-Slam-Finale 2020 - siehe Video - haben wir demonstriert, wie vielfältig GaN sein kann.

Wieso hat dann Galliumnitrid Silizium noch nicht überholt?

Das liegt zum Teil daran, dass GaN-basierte Bauteile großteils auf Saphir-Substraten hergestellt werden, und Saphir ist ein Isolator. Außerdem ist die Gitterkonstante – also der Abstand zwischen zwei Atomen im Kristall – dieser beiden Materialien sehr unterschiedlich, wodurch viele Defekte im Kristall entstehen. Diese Defekte sind Störstellen und somit nachteilig für die Stromleitung und Lichtemission. Interessanterweise sind die GaN-basierten Bauteile, die in der Hochleistungselektronik verwendet werden, auf Silizium gewachsen. Das zeigt, dass zwischen diesen beiden Materialien zwar ein ewiger Wettkampf für den besten Halbleiter aller Zeiten herrschen wird, sie sich jedoch so gut ergänzen, dass sie besser gemeinsam als getrennt angewendet werden können.

Andererseits können GaN-basierte Transistoren noch nicht mit jenen aus Silizium mithalten. Jedoch wird diese Herausforderung in den letzten Jahren stark erforscht und es ist nur eine Frage der Zeit, bis GaN auch diese Hürde schafft. Es wird erwartet, dass GaN in Kombination mit Supraleitern wie Niob-Nitrid, oder dünnen zweidimensionalen Schichten, noch eine Menge interessante Anwendungen hervorbringen und unerforschte Gebiete der Physik im Bereich der Quanten-Materialien erschließen wird. (Andrea Navarro-Quezada, Anna Spindlberger, 26.1.2021)

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