Gerade mit Ausbruch der Pandemie seien Zahnärztinnen und Zahnärzte im Wesentlichen auf sich selbst gestellt gewesen.

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Die Welt in der Wiener Zahnärztekammer mit rund 1.500 Mitgliedern könnte demnächst anders als gewohnt aussehen. Und möglicherweise Vorbild werden für weitere Entwicklungen im Kammersystem. Wenn die Liste Novum 21 ihre Unterstützungserklärungen zum Wahlantritt zusammenbringt und den Drive ihrer Anliegen durchhält – plus dafür Wähler findet.

Das Wahlprogramm titelt jedenfalls mit Modernisierung und arbeitet in zwölf Punkten ab, was nicht schwer zu erklären ist. Zunächst monetär: Der gestaffelt mit bis zu 3500 Euro jährlich anfallende Kammerbeitrag soll gesenkt werden. Als Vorbild wird etwa München genannt, wo diese Umlage 1500 Euro betrage. Zudem sollen die verpflichtenden Beiträge in das Kammerpensionssystem, den Wohlfahrtsfonds, die jährlich bis zu 30.000 Euro betragen, runter. Summierte Vermögenswerte um eine Milliarde Euro sehen die beiden Listen-Ersten Marius Romanin und Britta Rüscher als nicht nötig oder gerechtfertigt an. Die Kammerumlage jedenfalls könnte die relativ junge Kammer, abgespalten von der Ärztekammer, selbst regeln.

Fehlende Transparenz

Die grundsätzliche Kritik richtet sich gegen die "mangelnden" Serviceleistungen der Standesvertretung. Gerade mit Ausbruch der Pandemie seien Zahnärztinnen und Zahnärzte im Wesentlichen auf sich selbst gestellt gewesen, nicht nur bezüglich der Hardware (Schutzausrüstung), sondern auch in allen kommunikativen Fragen. Britta Rüscher formuliert das mit "Modernisierungsbedarf", sie will eine Serviceplattform gestalten. "Viel Papier, viele Wege", beschreibt sie das, was für sie nicht passt. Transparenz fehle. Strukturell für die Zahnheilkunde sieht Novum 21 auch einiges im Argen. Es fehlten klare Prozesse für Arbeit und Kooperation, so hätten etwa Kassenärzte kaum eine Möglichkeit, wirklich miteinander zu arbeiten und Praxisgemeinschaften zu gründen, respektive scheiterten am Anstellungsverbot von Kolleginnen und Kollegen.

Da bringt Marius Romanin die mangelnde Familienfreundlichkeit ins Spiel. Zahnärztinnen würden oft bis zur Entbindung ordinieren und bereits wieder wenige Tage danach, weil der Ordinationsbetrieb sonst nicht finanziell aufrechtzuerhalten sei. Es gebe auch aus dem wohldotierten Wohlfahrtsfonds keine angemessene Unterstützung, die als Kostenersatz dienen könne.

Diverse Standesvertretung

Sprengen will Novum 21 die Standesvertretung keinesfalls, wie die Liste betont – es brauche eine Standesvertretung für Zahnärzte. Aber eine "diverse" und eine "moderne". Allerdings ist der Angriff auf Bestehendes, wenn schon nicht als frontal, dann doch zumindest als 360-Grad-Angriff zu bezeichnen. Denn der geortete Reformbedarf erstreckt sich bis hin zu nicht angemessenen Fortbildungsangeboten. Romanin: "Das betrifft auch die Spezialisierung – heute muss man mehr in einem kleineren Bereich wissen und können." Da habe Novum 21 auch und vor allem junge Kolleginnen und Kollegen im Auge, die viel mehr Hilfestellungen benötigen würden.

Aktuell hat Novum 21 (als Verein gegründet) eine privat zusammen gebrachte Wahlkampfkasse. Ob sie bis zu den Wahlen im späten Frühling zuversichtlich sind? Rüscher: "Gute Zahnmedizin ist eine Teamleistung, gute Standesvertretung ebenso." Seit einigen Tagen wirbt Novum 21 intensiv um Mitstreitende. Und das Feedback? Guter Response für die Anliegen, sagen die Listen-Ersten. Allerdings scheint die Lust am Mitwirken aktuell nicht riesig. "Viele Kollegen" hätten Angst vor Repressalien, berichtet die Liste. Welche das sein könnten? Etwa Schwierigkeiten beim Erlangen von Kassenverträgen, erklärt Rüscher. (Karin Bauer, 20.1.2021)