Bei früheren Corona-Demonstrationen trugen die Teilnehmer weder Masken noch hielten sie Abstände ein.

Foto: Christian Fischer

Am Samstag könnte es zur bisher größten Demonstration von Corona-Leugnern und Maßnahmenkritikern kommen. Die Wiener Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Angezeigt und nicht untersagt wurden laut Behörde vier Demonstrationen, zu denen sich die Anmelder 25.000 Teilnehmer erhoffen, acht "Sternenmärsche" auf verschiedenen Routen sowie eine Gegendemo.

Wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung festhielt, traten rechtsextreme Gruppierungen von Anfang an als "offene Förderer und Unterstützer dieser Protestszene" auf und organisieren selbst Kundgebungen – auch das direkte Umfeld des mehrfach verurteilten Neonazi Gottfried Küssel. Das Innenministerium sprach zuletzt von einem "bundesweit identen Kreis von Anmeldern" und von organisiertem "Demotourismus". Tausende sollen auch dieses Wochenende, teils mit Bussen aus den Bundesländern, zur Kundgebung nach Wien kommen. Doch woher kommen sie ideologisch, und wo waren sie bisher aktiv?

Die Ärzte

In der Szene besonders gefeiert werden Ärzte, die den wissenschaftlichen Konsens als Verschwörung darstellen. Wie der aus Wien stammende und in Bad Aussee praktizierende Peer Eifler, der unter anderem die Aura von Patienten "interpretiert", mit Numerologie, Rute und Pendel arbeitet und auf "gezieltes Auflegen der Hände an bestimmten Körperstellen" setzt. Er stellte Patienten, die den Mund-Nasenschutz ablehnen, im Internet ohne Untersuchungen und gegen ein Honorar "Maskenatteste" aus. Der Allgemeinmediziner wurde deshalb mit Berufsverbot belegt. Schützenhilfe bekommt der Mediziner, der sich nach einer Art Erweckungserlebnis als "Mischung aus Franz von Assisi und Buddha" sah, von der FPÖ. Für FPÖ-Klubchef Herbert Kickl ist er ein "Corona-Experte", eine Hausdurchsuchung bei ihm bedrohte laut FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan die Demokratie.

Als Opfer der Justiz inszeniert sich auch die ehemalige Kardiologin am Uniklinikum Graz Konstantina Rösch. Sie veranstaltet "Corona-Sprechstunden", bei denen sie etwa eine Pflegeheim-Mitarbeiterin ermutigte, im Dienst keine Maske mehr zu tragen. Die Pandemie hält die Ex-SPÖ-Gemeinderätin aus Gössendorf für einen Vorwand, um einen "autoritären Staat zu etablieren". Im September wurde sie wegen angeblicher Patientenbeschwerden entlassen, woraufhin sie vor Gericht zog.

Die Anwälte

Ihr Anwalt und Partner Roman Schiessler ist Teil der "Anwälte für Aufklärung", die mit einem Inserat in den Tageszeitungen Kurier und Österreich für Aufsehen sorgten, Masken und PCR-Tests ablehnen und vor einer "Zwangsimpfung" warnen. Michael Enzinger, Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, sagt dazu: "Wenn Anwälte öffentlich Falschinformationen verbreiten, kann das ein Grund für ein Disziplinarverfahren sein."

Die PR-Profis

Sogenannten "Mainstreammedien" oder "Maskenmedien" vertrauen "Querdenker" schon lange nicht mehr. PR-Unterstützung erhalten die Aktivisten von Edith Brötzner und ihrer Linzer Werbeagentur. Sie organisiert Pressekonferenzen und Demos von Unternehmern. Mit dabei ein Ex-Funktionär der verbotenen Nationaldemokratischen Partei (NPD). Brötzner glaubt, dass Österreich keine Demokratie mehr sei, und betreibt die Website "Österreich ist frei".

Mit ihren professionell produzierten Videos von Menschen, die durch die Corona-Maßnahmen leiden, erreicht die 36-Jährige auch ein breiteres Publikum. Gegen ihre Aktion mit Demonstranten mit weißen, das gesamte Gesicht abdeckenden Masken und weißen Schutzanzügen, die vor einer "Hygienediktatur" warnen, wird nun wegen NS-Wiederbetätigung ermittelt. Sie posierten Anfang Jänner vor Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau.

Manuel Mittas bezeichnet sich selbst als freier Journalist, der in den Themenbereichen Kindesmissbrauch recherchiere. Er betreibt mehrere Youtube-Kanäle mit tausenden Abonnenten, wo Verschwörungstheorien aus allen möglichen Bereichen verbreitet werden. Der Sturm auf das Kapitol in Washington wird zum Beispiel als "Antifa-False-Flag" Operation bezeichnet. In den letzten Monaten produzierte Mittas Videos mit Fokus auf die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie, bei den Protesten tritt er auch als Redner auf. Seine Videos wurden eigenen Angaben zufolge schon mehrere Male von YouTube gesperrt. Für Samstag ist auf seinem Kanal ein Interview mit Xavier Naidoo angekündigt

Neben den Telegram- und Facebook-Gruppen sowie einzelnen Youtubern verbündet sich vor allem das rechte und FPÖ-nahe Medium Wochenblick mit den Demonstranten, inklusive Veranstaltungskalenders für alle Demos. Einer der Autoren ist auch zeitweiliger FPÖ-Mitarbeiter und rief via Facebook dazu auf, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach der Demo am Samstag zu Hause aufzusuchen.

Der Busunternehmer

Dass man mit der Wut auf die Corona-Maßnahmen auch gutes Geld verdienen kann, hat der Wiener Reiseunternehmer und Gründer der Initiative "Honk for hope", Alexander Ehrlich, erkannt. Seit Sommer organisiert er Busfahrten zu Demos aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. "Ich habe ein wirtschaftliches Interesse, dass diese Fahrten stattfinden", sagt Ehrlich. Dafür meldet er gelegentlich auch Demonstrationen selbst an. "Die Busse müssen rollen", sagt er. Er mache das Ganze aber nicht für den Profit, sondern für den Frieden. Sein Unternehmen sei aber dank deutscher und österreichischer Corona-Staatshilfen abgesichert.

Die Fixsterne

In Österreich will er der Erste gewesen sein, der im April gegen die Corona-Maßnahmen protestierte. Auf Facebook beschreibt sich der Fixstern der Szene, Hannes Brejcha, als aufgeschlossenen Typen, der sich vor der Pandemie mit Handwerkszeug, Ex-FPÖ-Ministern und alten Bundesheerpanzern ablichten ließ. Als Anfang September das Zerreißen einer Regenbogenflagge auf der Demobühne für Empörung sorgte, nannte er die Proteste schlicht in "Fairdenken" um. Aus "organisatorischen Gründen", wie er auf einer Demo Mitte September sagte.

Brejcha bedient sich antisemitischer Codes, wenn er auf Demos hinter der Pandemie eine "Hochfinanz" vermutet, die eigentlich einen "Finanzcrash" kaschieren will. Er hatte auf den Demos nachweislich Kontakt mit Küssel. Personen aus dem direkten Umfeld des Neonazis durften mehrmals reden. Erst Anfang Jänner trat Küssel selbst in Eisenstadt mit einem Schild der "Corona-Querfront" auf.

Die Identitären

Auch Mitglieder und Transparente der Identitären Bewegung (IB) werden auf den Demos immer wieder gesichtet. Deren Chef, Martin Sellner, gab Demonstranten zuletzt Verhaltenstipps. Persönlich ist er aber nicht mehr bei jeder Demo zu sehen. Dafür wurde die Corona-Demo in Graz vor einer Woche vom steirischen Identitären-Führungskader angemeldet.

Von der FPÖ gibt es nicht nur Rückendeckung für die gesamte Corona-Leugner-Bewegung, sie übernimmt auch wieder einmal wortwörtlich die Slogans der IB, wie zuletzt "Heimatschutz statt Mundschutz".

Die Ex-Politiker

Neben aktiven FPÖ-Politikern kündigte auch Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache an, am Samstag dabei zu sein. Doch keiner der "Querdenker" tourt so rastlos durch Österreich wie der 38-jährige Kärntner Martin Rutter. Bei fast jeder Protestaktion ist der ehemalige Landtagsabgeordnete vom Team Stronach mit seinem Handy dabei und streamt, was er sieht. Die Videos werden hunderttausend Mal im Internet aufgerufen. Seit Wochen stilisiert er den 16. Jänner zum "Tag der Befreiung", an dem man "das Regime zum Einknicken bewegen" werde. Seine Karriere begann Rutter in der Politik, also in jenen Kreisen, die er heute als "Wahnsinnige" und "Verbrecher" bezeichnet. Er stieg bei den Kärntner Grünen ein, zog weiter zum Team Stronach und kandidierte schließlich 2019 für das BZÖ. Heute steht er laut Krone unter ständiger Beobachtung des Verfassungsschutzes.

Die "Toxische"

Mit Rutter stand die 29-jährige Jennifer Klauninger auf der Demo-Bühne, als die Regenbogenfahne als vermeintliche "Pädophilenflagge" zerrissen wurde. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachtes auf Verhetzung und gefährliche Drohung. Die gelernte Zahnarztassistentin hat auf Social Media hunderttausende Follower, die auch zu Anschlägen auf Handymasten aufriefen. Ihre Aktivisten-Karriere begann sie im Windschatten der Identitären in der Flüchtlingskrise 2015. Futter, ein Magazin der Kleinen Zeitung kürte die Verschwörungsmythikerin mit US-Präsident Donald Trump und anderen zu den "toxischsten Personen" von 2020.

Vorbereitungen für die Corona-Leugner-Demonstration: Die Polizei errichtet Sperrgitter rund um die Parlaments-Ausweichquartiere am Heldenplatz.

Foto: Matthias Cremer

So bunt gemischt die Demonstrierenden sein mögen, die Köpfe der "Querdenker"-Szene eint ihre Behauptung, gegen eine Diktatur zu kämpfen. Dabei sympathisieren sie in Wahrheit – ähnlich wie vor ihnen bereits die Staatsverweigerer – offen mit demokratiefeindlichen Ideologien. Immerhin wird auf manchen ihrer Seiten sogar zum Sturm auf das Parlament aufgerufen. (Vanessa Gaigg, Laurin Lorenz, Johannes Pucher, Colette M. Schmidt, 15.1.2021)