Norbert Hofer trägt Maske nur dort, wo es die Regeln vorsehen. Nach einer Corona-Infektion sei er ohnehin immun. In seiner Familie werde es dennoch "zu einer Impfung kommen".

Foto: Matthias Cremer

Für das Interview mit dem STANDARD opfert Norbert Hofer seine Mittagspause, nach dem Gespräch gibt es schnell ein Paprikahendl. Vegetarier zu sein, hat der FPÖ-Chef mittlerweile wieder aufgegeben – er habe zu viel Weizen gegessen, meint er. In Hofers Büro trägt niemand Maske.

STANDARD: Im Spätsommer haben Sie gesagt, dass Sie sich nicht impfen lassen würden, dann sind Sie selbst an Corona erkrankt. Ihre Frau arbeitet in einem Pflegeheim. Wie ist das jetzt: Lassen Sie sich impfen, und was empfehlen Sie Ihren Familienmitgliedern?

Hofer: Es ist eine höchstpersönliche Entscheidung, ob man sich impfen lässt. Wir geben da niemandem eine Empfehlung. Uns ist wichtig, dass es keinen Zwang gibt.

STANDARD: Und wie haben Sie sich höchstpersönlich entschieden?

Hofer: Wir sind als Familie sehr nah an den Gesundheitsberufen. Da wird es wohl so sein, dass es in der Familie zu einer Impfung kommen wird. Ich bin aufgrund meiner Erkrankung noch immun. Die Frage stellt sich bei mir akut nicht. Ich möchte auch niemandem, der diese Impfung will und braucht, seine Dosis wegnehmen.

STANDARD: FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl stellt die Wirksamkeit von Masken infrage, Sie sprechen sich für FFP2-Masken in Heimen aus. Was ist die offizielle Position der FPÖ?

Hofer: Wenn Mund-Nasen-Schutz, dann nur FFP2 – und das vor allem in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen, Altenwohnheimen und Spitälern. Die anderen Masken bringen nichts und werden falsch verwendet. Das sieht man im Parlament, wo die Mandatare alle nacheinander ihre feuchte Maske an dieselbe Stelle auf dem Rednerpult legen.

STANDARD: Sie sind also gegen eine Maskenpflicht im Supermarkt, in den Öffis, im Museum?

Hofer: Ja, wobei ich kein genereller Gegner der Maske bin. Ich bin dafür, wenn man eine Maskenpflicht in gewissen Bereichen macht, dass das evidenzbasiert ist.

STANDARD: Kickl fordert, den Lockdown sofort zu beenden. Sollen am Montag also wieder alle Schulen, der gesamte Handel, Fitnesscenter und Kultureinrichtungen aufsperren?

Hofer: Das ist Parteilinie. Auch der Chef der deutschen Ärztekammer hat einmal gesagt, dass Lockdowns nicht den gewünschten Erfolg bringen. Das liegt auch am Jo-Jo-Effekt. Man ist eingesperrt, und wenn man dann rauskann, treffen sich Massen in den Einkaufszentren und Skigebieten. Mit der Sperre des öffentlichen Raums drängen wir die Menschen in den privaten Bereich. Ich bekomme ständig Einladungen, jemanden zu besuchen.

STANDARD: Und machen Sie das?

Hofer: Nein, ich sage dann, das geht nicht. Aber viele, viele machen das. Und dort passiert es dann. Wenn ich es Menschen ermögliche, sich beim Wirt zu treffen, wo die Abstände größer sind, ist das sicherer.

STANDARD: Also keinerlei Einschränkungen bis auf ein paar Vorsichtsmaßnahmen?

Hofer: Bars und Clubs, das geht nicht. Also nicht bis drei Uhr in der Früh. In den Schulen würde ich Luftreinigungsgeräte installieren und die Klassen gegebenenfalls splitten.

STANDARD: Täglich sterben dutzende Menschen, es ist eine Mutation im Umlauf, die das Virus noch ansteckender macht, auch für Junge – und Sie propagieren ein Leben wie früher?

Hofer: Auch die Mutation ändert nichts an unserer Position. Ich bin natürlich nicht glücklich, dass die Regierung auch da sehr spät reagiert hat. Man hat die Flugzeuge aus Großbritannien und sogar aus Südafrika hereinfliegen lassen.

STANDARD: Also hätte man die Grenzen dichtmachen sollen?

Hofer: Nein, nein, sondern Kontrollen, damit niemand das Virus einschleppt.

STANDARD: Stehen sich momentan nicht einfach die zwei zentralen Werte Ihrer Partei – Sicherheit und Freiheit – diametral entgegen?

Hofer: Freiheit ist unser höchstes Gut. Sie endet dort, wo die Freiheit des Nächsten beginnt.

STANDARD: Aber ist es nicht Teil der persönlichen Freiheit eines jeden, im Krankheitsfall im Krankenhaus behandelt werden zu können?

Hofer: Absolut. Wenn zu viele auf einmal krank sind, muss ich die Kapazitäten schaffen. Und da ist es wirklich schade, dass die Heeresspitäler nicht mehr zur Verfügung stehen. Die würde ich wieder aktivieren.

STANDARD: Also Pflegeheime besser schützen, Kapazitäten in Spitälern ausbauen, aber ansonsten die Menschen unbeschwert leben lassen?

Hofer: Leben lassen mit Regeln im öffentlichen Raum: Abstand, Hygiene und die Maske, wo sie Sinn macht. Man sieht ja, dass die Maßnahmen, die gesetzt wurden, nicht die Wirkung gezeigt haben, die man sich erhofft hatte. Es gibt diese Probleme auch mit Lockdown und Maskenpflicht noch immer.

STANDARD: Sie bezeichnen die sogenannten Corona-Demonstranten als Menschen mit berechtigten Zukunftsängsten. Ist der Protest ohne Abstand und ohne Maske für Sie legitim?

Hofer: Die Sorgen sind legitim, wenn man den Job verliert, nicht weiß, ob man sich die Zahnspange für die Kinder leisten kann. Das sind Existenzängste, die viele haben. Aber natürlich sind die Regeln einzuhalten, auch wenn man sie für falsch hält. Es sind bei diesen Demonstrationen auch schräge Vögel dabei, die 5G verantwortlich machen oder glauben, bei der Impfung ist so ein Chip mit dabei und sowas. Da muss man differenzieren.

STANDARD: Der Verfassungsschutz hat festgestellt, dass bei diesen Demonstrationen Rechtsextreme die Fäden ziehen.

Hofer: Es gilt das Recht. Wenn jemand das Recht hat zu demonstrieren, dann kann er eine Demo machen. Als ich Verkehrsminister war, haben sich Demonstranten im Zuge der Donnerstagsdemos aufs Dach geschlichen und bengalische Feuer gezündet.

STANDARD: Der Verfassungsschutz sagt, dass unter Teilnehmern der Corona-Demos zu Anschlägen aufgerufen wird: Regierungsmitglieder zu Hause besuchen, Brandanschläge aufs Kanzleramt – das ist doch eine andere Liga.

Hofer: Da haben Sie recht, da muss man auch mit aller Härte eingreifen.

STANDARD: So klingt das aber nicht, wenn Sie auf besorgte Bürger verweisen.

Hofer: Die Gewalttäter habe ich natürlich nicht gemeint. Wenn jemand Anschläge verüben will, kann das ein Staat nicht akzeptieren.

STANDARD: Mit ihrem Anti-Corona-Kurs macht die FPÖ Fundamentalopposition. Haben Sie es abgeschrieben, jemals wieder zu regieren?

Hofer: Eine Partei muss immer das Ziel haben zu gestalten. Das kann man in der Regierung und in der Opposition tun. Die FPÖ ist regierungsfähig. Ich habe mich ja nicht verändert seit meiner Zeit als Präsidentschaftskandidat oder Minister.

STANDARD: Aussagen von Kickl haben nun sogar dazu geführt, dass Youtube eine Parlamentsrede wegen Missinformation entfernt hat. Geht die FPÖ da nicht zu weit?

Hofer: Hier ist Youtube zu weit gegangen. Das Parlament ist der Ort der freien Rede. Und alles, was dort von gewählten Politikern gesagt wird, muss frei bleiben von Zensur.

STANDARD: Was wäre denn anders gelaufen, wäre die FPÖ noch in der Regierung?

Hofer: Es hätte keinen Lockdown gegeben, und wir würden wirklich auf Experten hören.

STANDARD: Kickl stellt doch laufend den wissenschaftlichen Konsens infrage. Auf welche Experten soll man denn hören?

Hofer: Zum Beispiel auf die Experten des Gesundheitsministeriums, die im Oktober gesagt haben: keine Massentests.

STANDARD: Die wiederum sagen jetzt, der Lockdown kann keinesfalls am 24. Jänner enden.

Hofer: Ich gehe auch davon aus, dass uns das noch lange begleiten wird. Auch wenn ich das nicht richtig finde.Ich glaube aber nicht, dass Corona das letzte Virus sein wird, das uns begleitet. Auf Wet-Markets in China und Indien springen Viren von Tieren auf den Menschen über. Da können wir froh sein, dass wir jetzt ein Virus haben, das nicht so tödlich ist wie möglicherweise eines, das uns noch erwartet. (Katharina Mittelstaedt, Gabriele Scherndl 16.1.2021)