Die Komposthaufen im Volksgarten sind zwar kein öffentlicher Spielplatz, aber trotzdem absturzgesichert. Die Geländer auf den Mauern wurden von der Burghauptmannschaft eigens angebracht.

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Wien – Für Geländer und Gitter, vorgeblich zur Absturzsicherung, scheint die Burghauptmannschaft eine Vorliebe zu haben. Neben der Vollvergitterung der Fenster der einstigen Dienstbotenwohnungen in der Wiener Hofburg bekamen im Vorjahr auch die Komposthaufen im Volksgarten eine massive Sicherungsanlage.

Die für Volks- und Rosengarten zwischen Heldenplatz und Burgtheater zuständigen Bundesgärtner staunten nicht schlecht, als sie die mit Geländern aus verzinktem Blech behübschten Betonmauern ihrer Komposthaufen erblickten. Auf die Frage, wer durch die nicht einmal 50 Zentimeter hohen Geländer geschützt werden soll, teilte die für die Verwaltung historischer Bundesgebäude zuständige Burghauptmannschaft mit, dass diese Maßnahme aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes notwendig sei.

"Wenn der Komposthaufen voll ist, schützt das Gitter nicht vor einem Absturz, weil Geländer zu niedrig ist", sagt eine Gärtnerin kopfschüttelnd zum STANDARD. "Ist die Kompostsammelstelle leer, braucht es kein Gitter, weil die Begrenzungsmauern ohnehin hoch genug sind."

Ö-Norm und Richtlinien

Das sieht die Burghauptmannschaft naturgemäß anders. Sie beruft sich auf Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes, geltende Richtlinien und Ö-Normen, die für Betriebsgelände der österreichischen Bundesgärten ebenso gelten wie für andere Betriebsstätten, teilte der Sprecher der BHÖ, Christian Gepp, auf STANDARD-Anfrage mit.

Verhindern konnten die Bundesgärtner die bisweilen als "schildbürgerlich" bezeichnete Vorrichtung nicht, aus Haftungsgründen, wie ein Mitarbeiter sagt. Dieses Risiko sei zwar nicht groß, weil die Kompostanlage ja kein öffentlicher Spielplatz ist, aber es sei für Privatpersonen zu hoch.

Kampf gegen Absturzsicherung

Zur Wehr gegen die Absturzsicherungsmaßnahmen der Burghauptmannschaft setzen sich auch die Hofburg-Mieter. Bis dato erfolglos, ihre Wohnungsfenster im dritten Stock des Leopoldinischen Traktes sind vollvergittert – DER STANDARD berichtete. Die Mieter fühlen sich eingesperrt, sehen ihre Lebensqualität durch die Drahtgitter massiv beeinträchtigt. Die Causa ist bei der Schlichtungsstelle anhängig.

Neue Fenster statt Gitter

Freude mit den Gittern hat auch das von der Burghauptmannschaft konsultierte Bundesdenkmalamt nicht. Die Experten stimmten dem Eingriff wohl zu, allerdings als geringeres Übel. Denn die BHÖ hatte die beste Variante, den Rückbau zu historischen Fenstern mit Außenaufschlag, abgelehnt.

Die Bewohner fühlen sich nun als Mieter zweiter Klasse. Denn im Herbst wurden nicht die Fenster aller Dienstbotenwohnungen auf derselben Etage vergittert, sondern nur jene der Privatmieter. Die Büros blieben frei. Das begründet die BHÖ mit der Witterung. Nach dem Winter kämen auch die Büros dran. Dass dies Zusatzkosten verursache, weil erneut eine Hebebühne vonnöten sei, blieb am Freitag unkommentiert.

110.000 Euro für Glas und Gitter

Die Kosten der Absturzsicherungen vor den Wohnungsfenstern und der darunterliegenden Büroräume gibt die BHÖ mit rund 110.000 Euro an – inklusive statischer und sicherheitstechnischer Überprüfung. Darin nicht inkludiert: Die im Vorfeld notwendigen umfangreichen Planungs- und Abstimmungskosten.

Interessant wären die rechtlichen und technischen Gutachten, mit denen die Vollvergitterung begründet wurde. Schließlich betont die BHÖ, dass eine Parapethöhe von unter 60 Zentimetern bei historischer Bausubstanz eine Absturzsicherung in Höhe von 110 Zentimetern notwendig mache. Das sei mittels außen angebrachter Glasscheiben nicht machbar, denn dann könnten die Bewohner ihre Wohnungen nicht mehr lüften. Daher sei die Vollvergitterung zweckmäßig. (Luise Ungerboeck, 16.1.2021)