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Im Senat in Rom will sich Giuseppe Conte nächste Woche eine neue Mehrheit für seine Regierung sichern. Die Suche nach Stimmen hat längst begonnen.

Foto: AP / Andrew Medichini

"Ciao Luigi, hier ist Giuseppe, come stai?" – "Oh, Presidente, buongiorno, was verschafft mir die Ehre?" – "Nun, du weißt ja, dass mir für die Vertrauensabstimmung im Senat noch ein paar Stimmen fehlen, um meine Arbeit zum Wohl des Landes weiterführen zu können ..." – "Das ist mir wohl bekannt, Presidente." – "Luigi, ich weiß, dass du in der Opposition bist ... aber andererseits kann sich das Land mitten in der Pandemie jetzt keine Neuwahlen leisten, das verstehst du doch? Außerdem muss ich noch einen Posten als Staatssekretär neu besetzen, nachdem mir die Renzi-Leute davongelaufen sind." – "Staatssekretär? Du brauchst doch auch noch zwei neue Minister, oder täusche ich mich?" – "Auch darüber könnten wir natürlich reden, Luigi." – "Du hörst von mir, Presidente."

Die Unterhaltung von Regierungschef Conte mit dem oppositionellen Senator Luigi ist frei erfunden. Doch Gespräche ähnlichen Inhalts werden in Rom in diesen Tagen pausenlos geführt. "Wir erfahren in diesen Tagen große Aufmerksamkeit und Zuneigung", bestätigt Gregorio Di Falco das intensive Werben durch Vertreter der Regierungsparteien ironisch.

"Gemischte Fraktion"

Der frühere Kommandant der Küstenwache von Livorno – während der Havarie des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia zur nationalen Ikone geworden – war 2018 für die Fünf-Sterne-Bewegung in den Senat gewählt worden. Aus Protest gegen die "Politik der geschlossenen Häfen" des damaligen Regierungspartners und Innenministers Matteo Salvini verließ De Gregorio 2019 die Protestbewegung und trat dem "gruppo misto", der gemischten Fraktion, bei.

Der "gruppo misto" ist das Auffangbecken für das parlamentarische Fallobst, das im Laufe jeder Legislatur anfällt: Senatoren und Abgeordnete, die von den Parteien ausgeschlossen werden oder von selbst gehen. Die Gruppe ist politisch nicht auf ein bestimmtes Lager festgelegt und damit recht empfänglich für die Sirenengesänge der Regierungsparteien.

Die Rechnung ist schnell gemacht: Nach dem Austritt von Renzis Kleinpartei Italia Viva am Mittwoch verfügt die Koalition von Giuseppe Conte aus Fünf Sternen, dem sozialdemokratischen PD und der linken Gruppierung LEU im Senat noch über 151 Stimmen. Die zum Weiterregieren erforderliche absolute Mehrheit liegt aber bei 161 Stimmen. Das heißt: Conte muss bis Anfang nächster Woche im rund 30 Mitglieder zählenden "gruppo misto" und in den Reihen der Opposition mindestens zehn neue Bundesgenossen finden, um die Vertrauensabstimmungen zu überstehen.

Kritik am Bazar

Die Jagd auf politische Überläufer und Opportunisten – durchaus nicht neu in Italien – ist natürlich kein schönes Spektakel. Gelockt und geködert wird mit Regierungsämtern, Kommissionspräsidien, sicheren Listenplätzen bei künftigen Wahlen. Zu Silvio Berlusconis Zeiten wurde durchaus auch einmal mit einem Geldbündel gewunken. Der rechte Oppositionsführer und Lega-Chef Matteo Salvini nannte das Treiben am Freitag einen widerwärtigen "Souk", also Bazar.

Auch Staatspräsident Sergio Mattarella ist alles andere als begeistert davon. Bei einer Unterredung mit Giuseppe Conte am Donnerstag hatte das Staatsoberhaupt den um sein politisches Überleben kämpfenden Premier gemahnt, dass sich die möglichen neuen Koalitionspartner eine klare politische Struktur geben und sich auf ein ebenso klares Regierungsprogramm verpflichten müssten. Ansonsten, so Mattarellas Sorge, wäre die neue Koalition viel zu fragil, um die großen Herausforderungen bestehen zu können, vor denen die Regierung steht.

Angst vor der Abwahl

Die entscheidende Vertrauensabstimmung im Senat ist für kommenden Dienstag vorgesehen. Dann wird man sehen, ob Contes Charme-Offensive von Erfolg gekrönt war. Die Chancen des Premiers, im Amt zu bleiben, sind intakt: Das "Senatoren-Shopping" wird begünstigt durch den Selbsterhaltungstrieb des Parlaments. Scheitert nämlich Conte im Senat, drohen Neuwahlen – und für viele Abgeordnete und Senatoren die Abwahl und der Verlust der üppigen Parlamentariergehälter.

Der ehemalige Abgeordnete Antonio Razzi hatte das Problem einmal so zusammengefasst: "Hier verdiene ich 12.000 Euro netto im Monat – wer gibt mir die, wenn ich nicht mehr hier drin sitze?" Razzi wusste, wovon er sprach: 2010 wechselte er in einer analogen Situation plötzlich die Fronten und lief, keineswegs als Einziger, bei einer Vertrauensabstimmung von der Linken zum damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi über. (Dominik Straub aus Rom, 15.1.2021)